„Es wäre doch schön, wenn der Selbstbeleuchter Elon Musk die Erfahrung machen würde, dass Berichte von der Selbstblockade Deutschlands deutlich übertrieben sind.“

Umweltpolitik ist nur mit der Wirtschaft, nicht gegen die Wirtschaft durchzusetzen. Otto Schily (*1932,
Jurist und Politiker)

Wer Moschus heißt, ist noch lange kein Ochse. Elon Musk hat mit seiner Automarke Tesla die Phalanx der großen Hersteller in schwere Verlegenheit gebracht. Seine Autos fuhren schon, als andere – auch in Wolfsburg – Elektromobilität noch für eine Schnapsidee hielten, sie sammelten Daten für autonomes Verfahren, während sich andere mit Turboladern beschäftigten. Musk gilt als Bücher-Junkie und als Quell origineller, oft schräger Ideen - da soll der Laserstrahl schon mal die Autoscheibe reinigen. Nebenbei kultiviert er sein Image als Visionär mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln. So hatten ihn die Zuschauer der Science-Fiction-Serie „Mars“ plötzlich auf ihrem Bildschirm.

Jetzt will Musk in Grünheide am Stadtrand von Berlin ein Tesla-Werk und darin pro Jahr 50.000 Autos bauen. Dass er es im Hochlohnland Deutschland plant, ist schmeichelhaft und, selbstredend, ein smarter Übernahmeversuch des Qualitätsimages der deutschen Autohersteller. Wenn Tesla als „german car“ durchgeht, wirken Musks Autos plötzlich weniger teuer und rappelig.

Ob man diese Investitionsentscheidung wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier deshalb gleich in das gleißende Licht der Heilsverkündung stellen muss, ist eine andere Sache. Für Tesla packte der CDU-Politiker so ziemlich alles aus, was im Phrasenkoffer lag. Besonders schön: Diese Ansiedlung werde zeigen, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze sein müssten. Das, werter Herr Minister, zeigt die deutsche Industrie schon etwas länger, seit der Ölkrise 1973, um genau zu sein. Energieeffizienz, Emissionssenkung, technologischer Fortschritt sind überall im Land und gerne auch hier bei uns in großen und kleinen Unternehmen zu besichtigen. Ein deutscher Wirtschaftsminister sollte sich vor einem cleveren Selfmademan aus den Staaten nicht gar so klein machen. Recht hat Altmaier aber mit dem Hinweis, dass man in Deutschland nicht zwingend gegen alles sein muss, was Arbeitsplätze schafft. Damit der Bau in Teslas sportlichem Zeitplan bleibt, wollte man das künftige Fabrikgelände vor der Brutzeit abholzen. Das wirkt auf Otto N. ungewöhnlich, denn es liegt noch gar keine Baugenehmigung vor. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Genehmigung erteilt wird, ist das aber rechtlich möglich und inzwischen gerichtlich bestätigt. Das Gelände war bis zum Auftreten der Holzfäller dicht bewaldet. Ein Öko-Skandal ist hier dennoch nicht zu vermelden. Die spillerigen Kiefern stehen in schönster Monokultur dicht an dicht wie Zahnstocher in der Packung; der Wald ist ökologisch wohl auch ähnlich wertvoll. Dennoch läuft einmal mehr das ganze Programm der Abwehrreflexe ab. Zwei Umweltverbände klagten, Aktivisten stellten sich vor die Bäume. Wenn Sie die „Grüne Liga Brandenburg“ und den „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern“ nicht kennen, brauchen sie an Ihrer Allgemeinbildung nicht zu zweifeln. Und erschrecken Sie nicht – nein, Markus Söder hält sich offensichtlich für Kanzler-Material, aber die Region Berlin-Brandenburg hat er noch nicht eingemeindet. Was ist die Motivation der Umweltschützer? In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte der Landesvorsitzende der Grünen Liga, Heinz-Herwig Mascher, überraschenderweise, dass er, abgesehen von Wasserbedarf und fehlendem Bahnanschluss, gegen Tesla gar nichts habe. Nur das Tempo der Behörden stimme ihn bedenklich, weil sich andere darauf berufen könnten. „Wir fürchten, dass hier ein Präzedenzfall geschaffen wird“, sagt er.

Das wollen wir doch hoffen, möchte man ihm antworten. Oder glaubt irgendjemand, dass Genehmigungsverfahren nur dann sachgerecht möglich sind, wenn sie mindestens ein Jahrzehnt dauern? Umweltschutz ist in einem dicht besiedelten Industrieland besonders wichtig. Die ökologischen Werte dürfen von den ökonomischen nicht beiseite geschoben werden. Aber wer Umweltschutz für ein Mittel der Verhinderung hält, der missbraucht ein wesentliches Recht und bringt es langfristig in Gefahr: Blockade schafft Widerstand, das geht nie lange gut.

Tesla hat übrigens zugesagt, freiwillig mehr als die abgeholzte Fläche neu anzupflanzen – offenbar mit ungleich wertvollerem Mischwald. Wenn man so will, steht der Widerstand nicht nur den Arbeitsplätzen, sondern auch der ökologischen Aufwertung entgegen. Und noch eine Skurrilität: Der Abschied vom Verbrennungsmotor und die Umstellung der Autoflotte auf Ökostrom-getriebene Elektromobile gehört zu den, ups, Dauerbrennern der Umweltbewegung. Am Widerstand in Grünheide scheiden sich denn auch selbst die grünen Geister. Es wäre doch schön, wenn der Selbstbeleuchter Elon Musk die Erfahrung machen würde, dass Berichte von der Selbstblockade Deutschlands deutlich übertrieben sind. Für die Attraktivität des Standorts wäre es von Vorteil - und damit für alle, die nicht daran glauben, dass der Wohlstand vom Himmel fällt. Nicht, dass Grünheide das einzige Beispiel wäre. Die Batteriesystemfertigung bei VW in Braunschweig ist in sensationell kurzer Zeit realisiert worden. Yes, we can.