„Eine Politik, die der Bürger nicht akzeptiert, ist kontraproduktiv und ohne Chance.“

Darf’s ein bisschen mehr sein? Bürger, die morgens die Nachrichten lesen, müssen sich in diesen Tagen nicht um niedrigen Blutdruck sorgen. Für besseren Klimaschutz sollte die Dieselsteuer um 70 Cent steigen, die Pendlerpauschale ganz abgeschafft werden. So steht es in einem internen Papier des Umweltbundesamtes. Zwar handelt es sich um eine Empfehlung ohne bindenden Charakter – aber immerhin stammt sie aus einer Bundesbehörde und ist damit durchaus ernst zu nehmen.

Die Vorschläge aus dem Amt sind nicht hilfreich beim Umsteuern in der Klimapolitik. Im Gegenteil. Die Forderungen mögen der reinen Lehre entsprechen, aber verkennen eine wichtige Grundregel der Demokratie: Eine Politik, die der Bürger nicht akzeptiert, ist kon­traproduktiv und ohne Chance. So wichtig die Erreichung der Klimaschutzziele ist: Sie wird nur gelingen, wenn es einen gesellschaftlichen Minimalkonsens über den Kurs gibt.

Die Leute jeden Tag mit neuen Horrorvorschlägen zu erschrecken, ist der völlig falsche Weg. So läuft die Politik Gefahr, immer mehr Menschen endgültig in die Arme politischer Bauernfänger zu treiben. Und die denken überhaupt nicht ans Klima, sondern an den eigenen Machtzuwachs. Daher ist es kein Zufall, dass die AfD besonders schnell auf die teuren Gedankenspiele aus dem Umweltbundesamt reagiert hat. Die Populisten vom rechten Rand brauchen die Wut der Bürger, und daher ist es so ärgerlich, wenn sie permanent mit Maximalforderungen geschürt wird.

Wer will den Menschen die Verärgerung auch verdenken? Erst schafft der Staat es nicht, für bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsgebieten zu sorgen. Dann ziehen Familien – gelockt von der Pendlerpauschale – aufs Land. Und jetzt heißt es: Spritsteuer rauf und Pendlerpauschale weg. Da muss man nicht radikal eingestellt sein, um an der Politik zu verzweifeln. Es ist schlicht ein Skandal, dass beim Klimaschutz regulatorisch so lange geschlafen wurde und man jetzt mit einem Wettbewerb der Grausamkeiten die Leute in Panik versetzt.

Erschreckend ist auch die Fantasielosigkeit, mit der die Klimadebatte von oben geführt wird. Es gibt wenige gute Ideen für überzeugende technische Lösungen und viele plumpe Forderungen nach dem Motto: Preise rauf, dann tut sich was! Psychologisch und im Sinne des Umweltschutzes viel wertvoller als die Bestrafung über den Geldbeutel wären Anreize zu umweltfreundlichem Verhalten.

Es wäre auch an der Zeit, über eine Priorisierung von Umweltmaßnahmen nachzudenken. Bevor man dem fleißigen Pendler die Pauschale streicht, sollte man vielleicht die Kreuzfahrtunternehmen zwingen, ihre dreckigen Luxusliner endlich umzurüsten. Auch über ein Tempolimit kann man diskutieren, schließlich will nicht jeder mit Tempo 200 über die Autobahn knallen. Und der Staat könnte bei der Luftreinhaltung endlich mal mit gutem Beispiel vorangehen. Wo ist die Elektroauto-Flotte der staatlichen Einrichtungen? Und warum bollern Großbehörden mit veralteter Technik immer noch Energie raus, während man den Privaten schon bald die Ölheizung abdrehen will?

Vorbild sein, Anreize schaffen, überzeugen – nur so wird der Staat den Bürger auf dem Weg zu konsequentem Klimaschutz mitnehmen können. Die Menschen sind viel vernünftiger, als mancher in der Politik glaubt, und werden am Ende sogar Mehrbelastungen klaglos schultern. Sie müssen sie nur als sinnvoll und gerecht empfinden – und auch die Chance haben, verlässlich zu planen. Sonst sind „die da oben“ ganz schnell weg und der wichtige Klimaschutz gleich mit dazu.