„Einen Partner wie die Erdogan-Türkei braucht die Nato nicht.“

Selten wurde in der internationalen Politik so um den heißen Brei herumgeredet, geheuchelt und gelogen wie derzeit mit Blick auf die Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdogan marschiert in Nordsyrien ein und bricht offen das Völkerrecht. Er will die kurdischen YPG-Verbände vertreiben, die bislang die wichtigste Speerspitze im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) waren. Damit tritt Erdogan zwei unheilvolle Entwicklungen los. Zehntausende IS-Anhänger, die bisher in kurdischen Lagern festgehalten waren, könnten bald wieder frei sein und neue Anschläge vorbereiten. Gleichzeitig sorgt Erdogan durch seine Invasion für eine neue Fluchtwelle.

Und die Europäer? Sie ergehen sich in Betroffenheitsarien und betreiben jede Menge Symbolpolitik. Aus Angst, dass die Türkei den im März 2016 abgeschlossenen Flüchtlingsdeal aufkündigen könnte, zuckt die EU zurück. Außenminister Heiko Maas kündigt an, dass Deutschland keine Waffenlieferungen mehr genehmigt, die in Syrien eingesetzt werden könnten.

Nein, es ist nun der Moment, gegenüber Erdogan Klartext zu reden. Brüssel sollte die Beitrittsgespräche mit der Türkei abbrechen. Darüber hinaus wäre ein absoluter Stopp des Waffenexports geboten, nicht nur ein Teil-Embargo. Schließlich sollte die EU Sanktionen für die Dauer der türkischen Nordsyrien-Invasion verhängen.

Und – ja – auch die Bündnis-Frage gehört aufs Tapet. Jahrelang wurde immer wieder behauptet, Ankara sei ein wichtiger strategischer Partner in Nahost. Aber worin besteht der Wert heute? In Syrien macht die Türkei mit Russland und dem Iran ihr eigenes Ding. Das Militär kauft ungeniert Luftabwehrsysteme in Russland und wischt die Einwände aus der Allianz vom Tisch. Einen Partner wie die Erdogan-Türkei braucht die Nato nicht. Es wird Zeit, sich von Lebenslügen zu verabschieden.