Die Diplomatie hat noch eine letzte Chance. Andernfalls erhöht sich das Risiko von Fehleinschätzungen.

In jedem Konflikt, in jedem Krieg ist das erste Opfer die Wahrheit. Jede Seite versucht, ihre Motive zu glorifizieren. Spannungen werden nach dieser Lesart vom politischen Gegner angeheizt. Das gilt auch für den neuesten Zwischenfall am Persischen Golf. Doch egal, ob die vom Iran zerstörte US-Drohne in den Luftraum des Landes eingedrungen ist oder sich über internationalem Gewässer befand: Die Konfrontation zwischen Washington und Teheran verschärft sich.

Beide Lager erhöhen ihre Drohkulissen. Es findet ein Psycho-Krieg statt, um das Risiko für die andere Seite nach oben zu treiben. Die Führung in Teheran will durch den Drohnenabschuss signalisieren, dass sie zum Widerstand gegen Amerika bereit ist. Erschwert wird die Lage durch einen Machtkampf im Iran. Die relativ gemäßigte Regierung von Präsident Hassan Rohani fühlt sich betrogen. Nun will Rohani durch die Drohung, das Nuklear-Programm wieder aufzunehmen, vor allem die Europäer unter Druck zu setzen. Viel radikaler sind jedoch die iranischen Revolutionsgarden. Sie waren nie an einer Übereinkunft mit den USA interessiert. Wenig spricht dafür, dass sich US-Präsident Donald Trump dieser Gemengelage bewusst ist. Er sitzt dem naiven Glauben auf, durch eine „Strategie des maximalen Drucks“ das iranische Regime in die Knie zwingen zu können.

Die Diplomatie hat noch eine letzte Chance. Die Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens – die EU-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie Russland und China – müssten zu einem politischen Herkulesakt ansetzen. Das Ziel kann nur sein, dass sowohl der Iran als auch die USA Zugeständnisse machen. Andernfalls steigt die Gefahr, dass ein Dominoeffekt aus gegenseitigen Nadelstichen entsteht. Das wiederum erhöht das Risiko von Fehleinschätzungen, die zu einem Krieg führen können.