„Die Gerüchte um ein bevorstehendes Misstrauensvotum müssen May alarmieren.“

Das Endspiel um den Brexit hat begonnen. Es findet, das war lange klar, in London statt, nicht in Brüssel. Auf den Entwurf des Austrittsvertrags hätten sich beide Seiten schon vor Monaten verständigen können, doch Premierministerin May hat in ihrer Ratlosigkeit immer wieder gezögert und gehofft, die EU spalten zu können. Geholfen hat es ihr nichts, jetzt bleibt ihr angesichts des Zeitdrucks keine andere Wahl, als endlich volles Risiko zu gehen: May muss gegen den massiven Widerstand aus ihrer Partei im Parlament eine Mehrheit für den Scheidungsvertrag organisieren – scheitert sie, droht ihr das politische Aus und dem Land ein wirtschaftlicher Absturz. Die Gerüchte um ein bevorstehendes Misstrauensvotum müssen May alarmieren.

Völlig aussichtslos ist die Sache dennoch nicht. Die Rückendeckung aus dem Kabinett ist ein wichtiger Zwischenerfolg. Jetzt muss May auf vernünftige Abgeordnete der Opposition setzen und darauf, dass ihre Tories im Angesicht eines chaotischen Brexit ohne Vertrag doch das kleinere Übel eines ungeliebten Austritts-Deals wählen.

Die EU war gut beraten, ihr dafür auf den letzten Metern noch entgegenzukommen. Der Plan, zur Vermeidung von irischen Grenzkontrollen notfalls eine Zollunion von Großbritannien und EU zu schaffen, ist zwar nicht ohne Risiko, Brüssel sollte es dennoch wagen: Ein Brexit ohne Vertrag wäre auch für die EU ein Desaster – zum wirtschaftlichen Schaden käme die politische Belastung.