„So umfangreich die Taten, so umfassend muss die Aufklärung und gegebenenfalls juristische Gerechtigkeit erfolgen.“

Es ist schwer zu ertragen, aber der einzig gangbare Weg, den das Bistum Hildesheim einschlägt. Das Öffentlichmachen eines weiteren Falles von sexuellem Missbrauch, an dem auch der langjährige Bischof der Diözese, Heinrich Maria Janssen, beteiligt gewesen sein soll, ist ohne Alternative.

Dass das Bistum die Öffentlichkeit darüber zeitnah informiert, ist offensichtlich mit dem Stabwechsel an der Spitze des Bistums verbunden. Heiner Wilmer, seit dem 1. September als Bischof in Amt und Würden, will die Fälle aufklären und nicht aussitzen. Er ist sich der Schuld und der Versäumnisse seiner Vorgänger offenbar bewusst. Er ist sich bewusst, dass diese Verbrechen nur geschehen konnten, weil die Täter nicht nur ihre Opfer, sondern ihre Macht missbrauchten – und damit auch den Namen der Kirche. Wie anders ist ein Brief Wilmers an Mitarbeiter, an seine „lieben Schwestern und Brüder“, zu verstehen, der unserer Zeitung vorliegt. Dort schreibt er von „schweren Fehlern“ und „schonungsloser Aufklärung“, damit die Kirche wieder „Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückerlangt“. Seit Jahren schwelen die Vorwürfe nicht nur in Hildesheim, sondern deutschlandweit – geschehen ist bislang wenig. Der Kriminologe Christian Pfeiffer, der 2013 einen ersten Aufklärungsversuch abblasen musste, kann ein Lied über die Beratungsresistenz deutscher Bischöfe und den Widerstand aus Rom gegen Akteneinsicht singen.

Der Missbrauch war flächendeckend. So umfangreich die Taten, so umfassend muss die Aufklärung und gegebenenfalls juristische Gerechtigkeit erfolgen. Erst, wenn das geschehen ist, werden die Kirchen in Deutschland an Autorität zurückgewinnen. Dann werden die Menschen wieder genauer hinhören, wenn Bischöfe das Unrecht in der Welt anprangern. Und dann werden die Menschen womöglich auch wieder öfter bereit sein, Kirchensteuern zu zahlen.

Wilmer hat’s verstanden.