„Die Tat belegt einmal mehr, dass der Judenhass in unserer Gesellschaft immer noch vorhanden ist.“

Adam hat nicht geglaubt, dass es in Deutschland mit einer Kippa auf dem Kopf gefährlich sein könnte. Dass es so ist, sollte uns alle beschämen. Mitten am Tag wird er in Berlin angegriffen. Und viele Umstehende sollen nicht reagiert haben. Ist so ein Verhalten fehlender Zivilcourage geschuldet oder erinnern wir uns nur nicht mehr an die Verantwortung, die wir durch den Holocaust auch noch 73 Jahre danach tragen? Die Tat belegt einmal mehr, dass der Judenhass in den unterschiedlichsten Ausformungen in unserer Gesellschaft immer noch vorhanden ist und sich erneuert hat. Und da war ja gerade noch die Sache mit der Echo-Verleihung. Der Antisemitismus hat jetzt hierzulande sogar einen eigenen Soundtrack. Auch ein neuer Antisemitismus-Beauftragter nützt nichts, wenn der Rest der Gesellschaft nicht mitzieht. Es reicht nicht, mit dem Finger auf muslimische Flüchtlinge zu zeigen, wenn wir selbst auf Antisemitismus als quasi lässliche Sünde reagieren und ihn verharmlosen. Wie wäre es, wenn die Attacke auf Adam heute in allen Schulklassen diskutiert würde? Und warum sind nicht Millionen Menschen auf der Straße wie in den 1990er-Jahren, als mit Lichterketten gegen rechts und Übergriffe auf Flüchtlinge in Mölln, Solingen und Rostock demonstriert wurde?

Der 21-jährige Adam möchte wieder die Kippa tragen. Er zeigt die Courage, die gefordert ist. Wegschauen oder wegrennen will er nicht. Also sollten wir es erst recht nicht.