Hannover. Grüner Umweltminister Christian Meyer: Die Entscheidung fällt spätestens Anfang 2024.

Ende Juli 2022 meldete die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) einen „Meilenstein“: Die BGE hatte den Auftrag zum Bau der Umladehalle für radioaktive Abfälle im Endlager Schacht Konrad vergeben. Im Juni wiederum hatte Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) Landräte und Bürgermeister aus der Region zu einer neuen Protest-Runde gegen das Endlager versammelt. „Das war erst der Anfang“, sagte Klingebiel damals.

„Konrad“, für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorgesehen, ist das Endlager, das der Bund unbedingt braucht und will. Die Asse ist ein Sanierungsfall, das Suchverfahren für das „große“ Endlager verzögert sich. Doch Protest gibt es nicht nur in der Region. „Der Bau des Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, Schacht Konrad, wird von uns kritisch gesehen“, heißt es - ohne nähere Erläuterungen - im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen in Niedersachsen für die laufende Legislaturperiode 2022-2027.

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Dabei hatte sich der damalige Umweltminister Olaf Lies (SPD) im August 2018 bei einem Besuch in „Konrad“ noch klar hinter die Konzeption des Endlagers gestellt. „Konrad wird fertiggestellt“, sagte Lies damals unter Tage, er halte das Konzept der Einlagerung für klug. Auch das klingt im Koalitionsvertrag anders. „Im Planungsprozess muss fortlaufend der neueste Stand von Wissenschaft und Technik Anwendung finden. Zudem halten wir die Forderung nach einer Rückholbarkeitsoption aufrecht“, schreiben SPD und Grüne in Niedersachsen.

Was Sie zum Schacht Konrad wissen sollten.
Was Sie zum Schacht Konrad wissen sollten. © Kristin Heine

„Kein wissenschaftsbasiertes Verfahren“

„Konrad beschäftigt uns schon sehr sehr lange“, sagt der frühere Agrarminister Christian Meyer (Grüne), der mittlerweile nach Lies Umweltminister in Niedersachsen ist, am Telefon. Dass die Dinge noch einmal richtig in Bewegung gekommen sind, liegt an einem Antrag, den der Bund für Umwelt und Naturschutz, Landesverband Niedersachsen, und der Landesverband des Naturschutzbundes im Mai 2021 beim damaligen Umweltminister Lies abgegeben hatten. „Rücknahme bzw. Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für das Endlager Schacht Konrad“ steht fettgedruckt darauf. Denn dieser Beschluss kam einst vom Niedersächsischen Umweltministerium unter SPD-Minister Wolfgang Jüttner. Was im 46-seitigen Schriftsatz an das Ministerium ausgearbeitet ist, findet sich verkürzt auf Flugblättern wie zur Aktion „Konrad-Gameover“ diverser Bündnispartner, von der Stadt Salzgitter über das Landvolk über IG Metall und die AG Schacht Konrad: Es habe seinerzeit für „Konrad“ kein wissenschaftsbasiertes Standortauswahlverfahren gegeben, es werde nicht-rückholbar eingelagert. Weiter gebe es keinen „einschlusswirksamen Gebirgsbereich“, und der Langzeitsicherheitsnachweis habe schon bei Genehmigung nicht dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik entsprochen. Auch Meyer stört sich am fehlenden Auswahlverfahren.

Diskussion um „Rückholbarkeit“

Auf der anderen Seite steht ein gültiger Planfeststellungsbeschluss, der auch vor Gericht standhielt. Und was das Thema Rückholbarkeit angeht- wie gut kommt man im Fall der Fälle wieder an den Atommüll ran? - heißt es in einer Antwort von Minister Lies auf eine Anfrage zweier Grüner Landtagsabgeordneter im August 2018, eine entsprechende Empfehlung der Endlagerkommission gelte für hoch radioaktive Abfälle. Und das heißt eben: nicht für „Konrad“. „Die Langzeitsicherheit und der Stand von Wissenschaft und Technik müssen erfüllt sein. Einen Sicherheitsrabatt darf es nicht geben“, sagt Minister Meyer. Er sagt aber auch: „Konrad ist genehmigt worden. Wir sind natürlich rechtstreu“.

Zusätzliche Überprüfung

Eine derzeit laufende Konrad-Sicherheitsüberprüfung des Betreibers BGE wertet Meyer anders als die Konrad-Gegner positiv. „Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses war der damalige Stand von Wissenschaft und Technik. Als verantwortungsvoller Betreiber unternimmt die BGE vor der Inbetriebnahme eine Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen des Endlagers Konrad nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (ÜsiKo)“, heißt es auf der BGE-Webseite. Zu bisher erfolgten Änderungen in den Planungen sagt Meyer: „Eine wichtige Frage ist es, ob es wesentliche Änderungen waren und ob sich der Stand von Wissenschaft und Technik so entscheidend geändert hat, dass die alte Genehmigung zu überprüfen ist.“ Bei der BGE heißt es zur bisherigen Überprüfung: „Aus Phase 1 ergeben sich nach Einschätzung des Review-Teams keine Hinweise auf Aspekte, hinsichtlich derer die Bewertung der Sicherheit grundsätzlich in Frage zu stellen ist.“ Die Konrad-Gegner halten die Prüfung für eine Art Täuschungsmanöver.

Meyer will „Konrad“ besuchen

Während Lies beim Umgang mit dem Antrag der Umweltverbände offenbar auch auf Zeit spielte, zumal vor einer Landtagswahl, steht nun im Koalitionsvertrag, über den Antrag werde „zügig entschieden“. „Unser Ziel ist es, Ende 2023 oder spätestens Anfang 2024 die Anträge zu bescheiden“, betont Meyer. Es wäre schließlich für alle Seiten gut, wenn das schnell ginge. „Das ist eine rein fachliche Entscheidung“, betont der Minister, der einst mit der „Grünen Jugend“ Konrad besuchte. Als Minister will Meyer noch dieses Jahr nach Salzgitter kommen und dann sowohl mit Betreiber als auch den Initiativen reden. Insider sagen, die Chancen auf einen Bestand des alten Planfeststellungsbeschlusses lägen bei 50:50. Erwartet wird, dass die unterlegene Seite klagt. Dann würde „Konrad“ noch einmal vor Gericht landen.