Braunschweig. Die Kulturen der Bauern im Braunschweiger Land ächzen unter der Trockenheit. Der Wasserbedarf steigt stetig – ein Ende ist bisher nicht in Sicht.

Die Blätter der Zuckerrüben auf den Feldern von Jürgen Hacke sind bereits braun und verdorrt. „Wenn wir dort jetzt noch beregnen würden, würde das den Erträgen kaum mehr zugute kommen. Allenfalls würde frisches grünes Kraut nachwachsen, doch damit wäre für uns nichts gewonnen“, erklärt der Landwirt aus Wehnsen in der Gemeinde Edemissen im Landkreis Peine. „Seit Anfang Mai haben wir praktisch keinen Regen mehr gesehen“, berichtet er. „Die Pflanzen leiden, trotzdem können wir jetzt nicht einfach so das Wasser auf die Felder knallen – selbst wenn die Grundwasserbrunnen es vielleicht noch hergeben.“ Es gelte, mit dem Wasser hauszuhalten und die erlaubten Beregnungsmengen lieber dort auf die Flächen zu bringen, wo sie Erträge fördern. Für Hacke heißt das konkret: Jetzt lieber die späten Kartoffeln bewässern, die davon noch profitieren können.

Klassische Beregnungsgebiete im Norden unserer Region

Hacke ist der Ansprechpartner für das Thema Beregnung im Vorstand des Landvolks Braunschweiger Land. Ein Grund für seine Expertise: Sein Betrieb liegt in einem klassischen Beregnungsgebiet. Die leichten, sandigen Böden, die praktisch im gesamten Norden unserer Region vorherrschen, können kaum Wasser speichern. Erst seitdem dort beregnet wird – seit rund 70 Jahren – können die Landwirte gute Erträge erzielen. „Der Landkreis Peine ist beim Thema Bewässerung schon seit Langem mit am breitesten in Niedersachsen aufgestellt“, sagt Hacke. Die Beregnung sichere hier die Erträge ab.

Zunehmend werden allerdings auch in anderen Teilen unserer Region Felder beregnet. Ekkehard Fricke aus Gifhorn, der bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen für Beregnung zuständig ist, erklärt, dies habe vor allem mit der Ausweitung des Kartoffelanbaus zu tun: „Die Kartoffel ist die beregnungswürdigste Kultur, die wir haben.“ Ohne eine Extraportion Wasser sei der Anbau der stärkehaltigen Knolle kaum möglich. Da nun auch auf den fruchtbareren Böden etwa im Süden unserer Region Kartoffeln angebaut werden, habe die Beregnung insgesamt deutlich zugenommen und werde dies aller Voraussicht nach „aus klimatischen Gründen“ weiter tun.

Voraussichtlich doppelter Wasserbedarf bis 2050

Auch im Niedersächsischen Umweltministerium rechnet man mit einem steigenden Wasserbedarf für die Feldberegnung. Man geht davon aus, dass die dafür benötigte Menge sich bis 2050 etwa verdoppelt (siehe den grünen Bereich der Balkendiagramme in unserer Grafik). Allerdings, betont ein Sprecher des Ministeriums im Gespräch mit unserer Zeitung, bedeute der erwartete „Bedarf“ nicht, dass dieser auch gestillt werden könne. „Die Prognose setzt voraus, dass wir in ähnlicher Art weiterwirtschaften wie bisher. Das Ziel muss aber sein, dass wir diese Prognosen unterschreiten – etwa durch eine effizientere Wassernutzung oder durch Feldfrüchte, für deren Anbau weniger Wasser benötigt wird.“ Dem Bedarf gegenüber stehe aber die – begrenzt – verfügbare Wassermenge. Auch hier müsse sich etwas tun – etwa müssten neue Wasserquellen erschlossen werden, um nicht ausschließlich auf das Grundwasser zurückzugreifen, wie dies in Niedersachsen immer noch überwiegend die Regel ist. Als „vorbildliches Projekt“ verweist der Sprecher auf die Verregnung von vorgeklärtem Abwasser im Gebiet des Abwasserverbands Braunschweig entlang der Bundesstraße 214.

Niedersachsens Umweltministerium geht von einer Verdopplung des Wasserbedarfs für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen bis zum Jahr 2050 aus – wenn sich an der Art der Bewirtschaftung nichts ändert.
Niedersachsens Umweltministerium geht von einer Verdopplung des Wasserbedarfs für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen bis zum Jahr 2050 aus – wenn sich an der Art der Bewirtschaftung nichts ändert. © Jürgen Runo

Um angesichts immer trockenerer Sommer die Wasserversorgung in Niedersachsen langfristig sicherzustellen, hat das von Olaf Lies (SPD) geführte Ministerium Anfang Mai dieses Jahres ein Niedersächsisches Wasserversorgungskonzept vorgestellt. „Zwar ist die Versorgungslage aktuell gesichert. Angesichts des Klimawandels und der damit einhergehenden, zunehmenden Wetterextreme brauchen wir aber einen Plan, damit das auch in 30 Jahren noch der Fall ist“, sagte Lies bei der Präsentation. Die Wasserversorgung müsse weiterentwickelt werden in Richtung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundwassers: „Dieses Konzept bildet die Grundlage für ein grundsätzliches Umdenken bei der Frage, wie wir künftig mit der kostbaren Ressource Wasser umgehen.“

Minister Lies: Schnelle Lösung unwahrscheinlich

Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) in der Schussrinne der Odertalsperre im Harz. Zur langfristigen Wasservorsorgung sagt er: „Den künftigen Entwicklungen wird man nicht in kürzester Zeit begegnen können. Die Erfordernisse sind aufgezeigt, nun muss sich der Fokus auf die Lösungsfindung richten.“
Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) in der Schussrinne der Odertalsperre im Harz. Zur langfristigen Wasservorsorgung sagt er: „Den künftigen Entwicklungen wird man nicht in kürzester Zeit begegnen können. Die Erfordernisse sind aufgezeigt, nun muss sich der Fokus auf die Lösungsfindung richten.“ © picture alliance/dpa | Swen Pförtner

Neben einer besseren Erfassung und einem besseren Management der benötigten und verfügbaren Wassermengen enthält das Wasserkonzept auch konkrete technische Maßnahmen. Im Bereich Landwirtschaft sind dies vor allem Ideen, wie Grundwasser durch Wasser aus anderen Quellen ersetzt werden könnte, etwa aus Regenwasserauffangbecken, Wasserüberleitungen oder, wie in Braunschweig, durch „Prozesswasser“. Sollte der Wasserbedarf wie prognostiziert steigen, wird es trotzdem eng werden. Schon bei der Vorstellung dämpfte Lies daher die Hoffnung auf eine schnelle Lösung. „Den künftigen Entwicklungen wird man nicht innerhalb kürzester Zeit begegnen können“, sagte er. „Es braucht eine Vorbereitungszeit. Die Erfordernisse sind aufgezeigt, nun muss sich der Fokus auf die Lösungsfindung richten.“ Das Konzept bilde hierfür einen geeigneten Rahmen.

30 Millimeter pro Quadratmeter: Land bewilligt Extraportion Wasser

Für Landwirt Jürgen Hacke geht es darum, kurzfristig mit der erlaubten Beregnungsmenge zurechtzukommen. Im Verbandsgebiet Edemissen, wo er wirtschaftet, sind dies 100 Millimeter pro Quadratmeter im Jahr. Das heißt, er darf zusätzlich zum natürlichen Niederschlag 100 Liter Wasser pro Quadratmeter auf seine Felder bringen. Diese Menge ist vom Landkreis ortsabhängig festgelegt. Außerdem dürfen dieses Jahr weitere 30 Liter pro Quadratmeter verregnet werden, die das Land den Bauern wegen Trockenheit zusätzlich gewährt hat.

Trotz dieser Aufstockung: Die Gesamtmenge an Wasser für die Landwirtschaft bleibt gedeckelt, auch weil etwa die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser Vorrang hat. Hacke beklagt sich darüber nicht. „Letztlich kommen wir ohnehin nicht umher, unsere Fruchtfolgen anzupassen und umzustellen.“ Dies könne etwa bedeuten: Roggen statt Kartoffeln. Auch Mais komme mit seinen tiefen Wurzeln besser mit Trockenheit zurecht als etwa Braugerste.

In anderen Weltregionen schlägt die Dürre noch stärker zu

Auch Landwirtschaftskammer-Experte Fricke hat das „Anbauspektrum“ – also das, was auf den Feldern wächst – im Blick. Um andere Produkte abzunehmen, brauche es aber auch ein Umdenken bei den Verbrauchern, denn: „Bisher verlangt der Markt immer noch vor allem Getreideprodukte und Kartoffeln.“ Fricke ist überzeugt, dass Deutschland in Zukunft wieder stärker auf Erzeugnisse der eigenen Landwirtschaft zurückgreifen muss. „In anderen Ecken der Welt wird es noch heißer und trockener, deswegen werden wir uns stärker selbst versorgen müssen“, sagt er. Weniger Tomaten aus Spanien, Kartoffeln aus Israel oder Mohrrüben aus Ägypten – das bedeutet aber auch: Umso mehr kommt auf unsere Landwirte zu. Die ungelösten Wasserfragen inklusive.

Lesen Sie auch:

Gießen, nicht sprengen! – Wie man im Garten der Dürre trotzt

Kommentar: Hitze und Trockenheit – Ein Plädoyer für schlaues Gärtnern und Gießen

Wespenplage – Warum sich die Tiere 2022 besonders wohl fühlen