Braunschweig. Schädlingsbekämpfer melden Auftrags-Rekorde. Ein Wespenberater des Nabu aus Gifhorn rät zu Toleranz – auch weil Wespe nicht gleich Wespe ist

In diesem Sommer sind besonders viele Wespen unterwegs. Dies berichteten sowohl Umweltschützer vom Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen als auch Vertreter von Schädlingsbekämpfungsunternehmen gegenüber der Presseagentur dpa. Der Diplom-Biologe Florian Preusse, der für den Nabu im südlichen Landkreis Gifhorn als Wespenberater tätig ist, bestätigte diesen Eindruck auch für unsere Region. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte der Leiferder: „Ich stelle fest, dass der Beratungsbedarf deutlich erhöht ist – wie übrigens auch schon 2019 und 2020. Es melden sich sehr viele Menschen bei uns, weil sie mit Wespen zu tun haben und Fragen loswerden wollen.“

Dass es diesen Sommer besonders viele Wespen gibt, führt Preusse auf den außergewöhnlich warmen Mai zurück. In dieser Jahreszeit erwachen die Königinnen, die als einzige Wespen überwintern, aus der Kältestarre und starten den Nestbau und die Gründung neuer Staaten. „Unter warmen und trockenen Bedingungen wie in diesem Jahr gelingen die Nestgründungen besonders gut, und der Schwund ist sehr gering“, sagt Preusse. Mittlerweile sei das Zeitfenster schon wieder geschlossen. „Das heißt, wo es jetzt noch kein Nest gibt, wird dieses Jahr auch keines mehr entstehen.“

Wespenstiche – Eine ernste Gefahr für Allergiker

Sie zählt laut Nabu-Wespenberater Florian Preusse zu den zwei heimischen Wespenarten, die uns Menschen bisweilen lästig fallen: eine Gemeine Wespe (Vespula vulgaris), die sich an einem Stück Kuchen gütlich tut.
Sie zählt laut Nabu-Wespenberater Florian Preusse zu den zwei heimischen Wespenarten, die uns Menschen bisweilen lästig fallen: eine Gemeine Wespe (Vespula vulgaris), die sich an einem Stück Kuchen gütlich tut. © dpa | Jens Kalaene

Dass Wespen uns Menschen gehörig auf den Wecker fallen können, wenn man an der Kaffeetafel im Freien sitzt und gemütlich ein Stück süßen Kuchen essen möchte, gibt Preusse gerne zu. Für Allergiker können Wespenstiche auch zu einer ernsten Gefahr werden. Trotzdem, erklärt der Fachmann, seien die schwarz-gelben Hautflügler grundsätzlich keineswegs aggressiv: „Sie stechen nur in einer Bedrohungslage, um sich zu verteidigen“, erklärt er. Zu Stichen kommt es etwa, wenn die Tiere ergriffen oder unabsichtlich etwa in einem Hosenbein oder Hemdsärmel eingeklemmt werden, warnt die Stadt Braunschweig auf ihrer Webseite.

Auf Süßspeisen stehen Preusse zufolge nur zwei der neun heimischen Wespenarten: die Gemeine (Vespula vulgaris) und die Deutsche Wespe (Vespula germanica). „Nur diese Arten werden uns immer mal wieder lästig.“ Daraus folge: Wenn man ein Wespennest am Gartenhaus entdecke, bedeute dies noch lange nicht, dass die Kaffeetafel künftig von den Plagegeistern heimgesucht werde. „Die Art ist entscheidend.“ Für die Bestimmung der Tiere sei es daher ratsam, einen der ehrenamtlichen Wespenberater des Nabu zu kontaktieren.

„Es trifft immer die Falschen“

Wie die Wespen-Berater spüren auch die Schädlingsbekämpfer, die die Wespennester entfernen, eine erhöhte Nachfrage. Günter Schaper aus Laatzen sagte der dpa, er könne sich in diesem Jahr vor Aufträgen kaum retten. „Wir haben ein deutlich erhöhtes Aufkommen“, erklärte auch Marcus Römer, Geschäftsführer vom Schädlingsbekämpfer Römer Biotec Wilhelmshaven und Osnabrück. Im Ernstfall sei es immer ratsam, einen regionalen, gut ausgebildeten Schädlingsbekämpfer zu kontaktieren.

„Nur zwei der neun heimischen Wespenarten werden uns regelmäßig lästig, weil sie auf Süßspeisen stehen“, erklärt Florian Preusse, Diplom-Biologe und ehrenamtlicher Wespen-Berater des Nabu im südlichen Landkreis Gifhorn. (Archivfoto)
„Nur zwei der neun heimischen Wespenarten werden uns regelmäßig lästig, weil sie auf Süßspeisen stehen“, erklärt Florian Preusse, Diplom-Biologe und ehrenamtlicher Wespen-Berater des Nabu im südlichen Landkreis Gifhorn. (Archivfoto) © Stricker, Jürgen

Der „Ernstfall“ kommt allerdings seltener vor, als viele denken – auch dank gründlicher Beratung, erklärt Nabu-Experte Preusse. Die Frage ist nämlich, ob eine Bekämpfung überhaupt nötig ist. „Spätestens im Herbst sterben die Wespenvölker ohnehin ab“, sagt der Leiferder, der im Hauptberuf als Gymnasiallehrer arbeitet. Bei der Sächsischen Wespe (Dolichovespula saxonica), der Art, die die charakteristischen freihängenden runden Nester baut, gingen die Völker sogar schon im August dem Ende entgegen. Diese Art, die übrigens nicht auf Kuchen und Süßes fliegt, hat laut Preusse stark unter dem Ruf ihrer süßmäuligen Verwandten zu leiden. Trotzdem würden ihre gut sichtbaren Nester oft entfernt. „Es trifft eben immer die Falschen“, scherzt Preusse.

Leere Nester im Winter problemlos entfernen

Allen Wespen gemein ist aber, dass die Nester im folgenden Jahr nicht erneut besiedelt werden. „Daher ist die Frage, ob man sich für die verbleibenden Wochen nicht miteinander arrangieren kann“, so Preusse. Im Winter könne jeder die leeren Wespennester völlig problemlos entfernen. In 80 bis 90 Prozent der Fälle, in denen er mit Grundeigentümern gesprochen habe, sagt der Biologe zufrieden, hätten sich diese letztlich gegen eine Umsiedlung oder eine Entfernung des Nests entschieden.

Die Bestimmung der Wespenart ist nicht nur hilfreich, um festzustellen, wie sich die ungebetenen Gäste voraussichtlich verhalten. Die Art entscheidet auch darüber, ob die Nester überhaupt entfernt werden dürfen. Nur bei drei der neun heimischen Arten sei dies der Fall, sagt Preusse. Die Hornisse, die ebenfalls zu den Wespen zählt, genießt sogar besonderen Schutz. „Nestumsiedlungen oder gar Abtötungen dürfen hier nur mit einer Genehmigung durch die untere Naturschutzbehörde erfolgen.“

Preusse plädiert für „Toleranz“ im Umgang mit Wespen, die Teil der heimischen Natur sind und bei der Blütenbestäubung helfen. Außerdem seien die Tiere äußerst nützlich. Ein Hornissenvolk vertilge pro Tag etwa ein Pfund anderer Insekten wie Mücken.

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