Braunschweig. In Braunschweig diskutieren Forstleute über Geld für Waldbesitzer – und die Gefahr einer Spaltung in Bio-Edelwälder und „Holzplantagen“.

Ein echtes Ungetüm: Seit Mittwoch blinkt ein Harvester vor der Braunschweiger Volkswagenhalle in der Sonne – als Blickfang der Deutschen Forstvereinstagung. Mit ihrem langen hydraulischen Greifarm kann die mächtige Holzerntemaschine in irrwitzigem Tempo Bäume fällen, vermessen, von Ästen befreien und in Teile gewünschter Größe zerlegen. Forstleute schätzen das Gerät wegen seiner Effizienz und hohen Sicherheit. Naturschützer kritisieren die schweren Maschinen wegen der Schäden, die sie im Wald verursachen. Sie sind ein Sinnbild des hohen Grads an Mechanisierung in der modernen Forstwirtschaft.

Waldumbau: Mehr Arten, mehr Mischung

Dieser spielt auch eine Rolle, als bei der Tagung über die Erfordernisse des Waldumbaus diskutiert wird. Um Wälder zu schaffen, die besser mit Klimaextremen zurechtkommen, empfehlen die Experten auf dem Podium, mehr verschiedene Baumarten – auch nicht-heimische – zu durchmischen. Je stärker durchmischt, desto besser.

Digitale Technik, erläutert der bayerische Waldbau-Professor Manfred Schölch, erlaube es, trotzdem einzelne Bäume über Jahre und Jahrzehnte im Blick zu behalten, ihnen die optimale Pflege angedeihen zu lassen und den richtigen Erntezeitpunkt zu bestimmen. Das überzeugt nicht alle anwesenden Forstleute. Zu intensiv solle die Mischung bitte auch nicht sein, meldet sich ein Waldbesitzer aus dem Publikum skeptisch zu Wort: „Es muss sich schon lohnen, dass der Harvester anrückt. Für einen Baum allein rechnet sich das nicht.“

„Jedes Eingreifen wird verteufelt“

Das Beispiel zeigt, dass bei vielen Zukunftsfragen, die bei den zahlreichen Seminaren und Diskussionsformaten besprochen werden, der Teufel im Detail liegt. Das sieht auch Christian Ammer, Waldbau-Professor der Uni Göttingen so. „Bei allen Empfehlungen, die wir geben können, haben wir noch eine große Unsicherheit“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Deswegen bin ich grundsätzlich sehr zurückhaltend – etwa wenn es um die Wirkung von Douglasien geht.“ Der Göttinger Professor rät, den aus Nordamerika stammenden Nadelbaum, der als Holzquelle zukünftig eine wichtige Rolle beim Waldumbau in Niedersachsen spielen soll, immer nur in Mischung mit einheimischen Arten zu pflanzen.

Prof. Dr. Christian Ammer, Leiter der Abteilung Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen der Universität Göttingen, sagt: „Mich stört, dass manche Leute einfach jede Art des Eingreifens schlecht machen.“
Prof. Dr. Christian Ammer, Leiter der Abteilung Waldbau und Waldökologie der gemäßigten Zonen der Universität Göttingen, sagt: „Mich stört, dass manche Leute einfach jede Art des Eingreifens schlecht machen.“ © HK | Stiftung Zukunft Wald

Trotz offener Fragen treibt etwas anderes Ammer am meisten um: Der oft erbitterte Streit um den Wald. „Mich stört, dass manche Leute einfach jede Art des Eingreifens schlecht machen“, klagt er. Dabei sei der Wunsch nach Naturnähe nachvollziehbar und forstwirtschaftlich vernünftig. Nur sei es naiv, den Wald dafür sich selbst zu überlassen. „Wir müssen die natürlichen Dynamiken stärker nutzen“, sagt Ammer. Aber auch wenn sie in vielen Fällen gut funktioniere, sei etwa die Naturverjüngung – der Verzicht aufs Nachpflanzen – kein Patentrezept für widerstandsfähigere Wälder. „Auf manchen Freiflächen mit abgestorbenen Fichten sehen wir gerade, dass erneut junge Fichten wachsen. Das ist zwar Naturverjüngung, aber keine sinnvolle.“

Ammer stört vor allem die „Schwarz-Weiß-Malerei“, die er in Teilen der Diskussion ausmacht. „Dabei wäre es doch so einfach, zusammenzukommen“, sagt er mit Blick auf das große Interesse der Deutschen am Wald. Die Formel, auf die man sich doch einigen können müsste, lautet aus seiner Sicht: „Es geht darum, den nachwachsenden Rohstoff Holz intelligent zu nutzen, ohne das System Wald kaputtzumachen.“

„Negativbeispiele sind nicht repräsentativ“

Doch wieder steckt der Teufel im Detail. Dass sich am „Kaputtmachen“ die Geister scheiden können, zeigt das Beispiel „Löwe“. Während das Waldbauprogramm der Landesforsten in der Volkswagenhalle weitgehend einhellig auf Zustimmung stößt, halten Umweltverbände wie der BUND es für ungenügend, um das Ökosystem zu schützen. Ammer sagt, einzelne Negativbeispiele, bei denen deutlich zu viel Holz auf einmal eingeschlagen werde, gebe es zwar. „Mein Eindruck ist aber, diese Fälle sind nicht repräsentativ.“ Insgesamt nehme der Anteil von Monokulturen ab. Und die Landesforsten verzichteten auf einem Drittel der abgestorbenen Flächen im Harz darauf, das Totholz abzuräumen. „Es gibt einen echten Umdenkprozess“, ist er sicher.

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Falls aber die „Polarisierung“ nicht aufhöre, warnt er vor einer paradoxen Entwicklung: „Tolle Wälder, in denen vernünftig gewirtschaftet wird, werden unter Schutz gestellt, während die, wo wenig Rücksicht genommen wird, weiter kaum Beschränkungen unterliegen.“ Das erzeuge Frust bei den Förstern, die sich als Anwalt ihres Waldes verstünden. Es führe auch zu einer „unguten Zweiteilung“ – in „Holzplantagen“ auf der einen Seite und idyllische Freizeit- und Naturwälder auf der anderen. Um eine solche Spaltung in „guten“ und „bösen“ Wald zu verhindern, dürfe bei Waldflächen nie eine Nutzungsart allein im Vordergrund stehen.

Rendite jenseits der Holzproduktion

Wie die Leistungen jenseits der Holzproduktion – also der Nutzen des Waldes für die Artenvielfalt, die Speicherung von Kohlenstoff, Freizeitnutzung und Gewässerschutz – sich für Waldbesitzer bezahlt machen kann, auch darüber wurde in Braunschweig diskutiert. Dabei ging es vor allem um die Frage, was genau eigentlich entlohnt werden soll. Nach aktuellem Stand sollen Waldbesetzer nur Geld für entsprechende Leistungen erhalten, die über das bisherige „business as usual“ hinausgehen – also etwa, wenn neue Maßnahmen zum Naturschutz ergriffen werden, wie Eckard Heuer vom Bundeslandwirtschaftsministerium erläuterte. Jens Jacob, Abteilungsleiter Forsten im Umweltministerium von Rheinland-Pfalz, sprach sich hier für einen „Paradigmenwechsel“ aus: „Allein, wenn jemand Waldbesitz hält, ist das aus meiner Sicht schon honorierungswürdig, denn er tut damit etwas für den Klimaschutz.“

Jungförster: „Nachhaltige Nutzung legitimiert Forstwirtschaft“

Der 26-jährige Friedrich Wegener aus Rotheburg / Wümme ist Referendar bei den Landesforsten. Er besuchte die Forstvereinstagung in Braunschweig.
Der 26-jährige Friedrich Wegener aus Rotheburg / Wümme ist Referendar bei den Landesforsten. Er besuchte die Forstvereinstagung in Braunschweig. © Andreas Eberhard | Andreas Eberhard

In der anschließenden Diskussion zum Thema meldete sich Friedrich Wegener zu Wort. Der 26-Jährige aus Rotenburg an der Wümme hat Forstwissenschaft studiert und ist Referendar bei den Landesforsten in Bispingen in der Lüneburger Heide. „Wenn das Geld etwas bewirken soll, dann müssen die Anreize auch an Maßnahmen gekoppelt sein“, forderte er. „Eine Verteilung mit der Gießkanne nützt keinem.“

Aus Sicht des Nachwuchsförsters geht es bei den Finanzmitteln auch um den Wesenskern seines Berufsstands. „Die Faszination, aber auch die Legitimation meines Berufs ist es, ein Waldstück vorbildlich zu bewirtschaften.“ Eine nachhaltige Nutzung beinhalte aber eben auch das Wort „Nutzung – großgeschrieben“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung und schwärmt vom Duft frischgeernteten Holzes.

Viele interessante Stellen

In den letzten Jahren hat der Försterberuf offenbar an Anziehungskraft gewonnen – deutlich abzulesen auch an den vielen jungen Besuchern des Forstvereinstages. Der Trend habe sicher mit dem gestiegenen gesellschaftlichen Interesse zu tun, mutmaßt Wegener. „Es winken aber auch goldene Zeiten in unserem Beruf. In den nächsten Jahren werden pensionsbedingt viele interessante Stellen frei.“