Braunschweig. Auch wenn es wenig schwere Verläufe gibt: Die Corona-Lage in Niedersachsens Krankenhäusern ist angespannt. 200 erkrankte Mitarbeiter in Lüneburg.

Die Corona-Pandemie trifft die Krankenhäuser aktuell besonders hart. Die Zahl der Patienten, die mit dem Virus infiziert sind, steigt an. Am Klinikum Braunschweig ist dieser Trend laut Ärztlichem Direktor Dr. Thomas Bartkiewicz seit zwei Wochen zu beobachten. Von Montag auf Dienstag etwa seien zehn Infizierte hinzugekommen. Bis Ostern, schätzt Bartkiewicz, werde sich das fortsetzen.

Die Zunahme hat generell einen höheren Isolations- und Arbeitsaufwand zur Folge, und zwar unabhängig davon, ob Covid-19 sozusagen die „Hauptdiagnose“ ist, wie ein Sprecher der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft unserer Zeitung erläutert. Hinzu kommt, dass krankheits- und quarantänebedingte Personalausfälle die Arbeit in den Häusern behindern. Im Klinikum Lüneburg fallen derzeit 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krankheits- oder quarantänebedingt aus. Die Folge: Planbare Operationen müssen zum Teil verschoben werden, Wartezeiten werden länger, Stationen verkleinert. Notfälle würden gleichwohl behandelt, betont der Geschäftsführer des Hauses in einer Pressemitteilung.

In unserer Region ist die Lage kaum weniger angespannt. Die Helios-Kliniken in Gifhorn und Helmstedt melden „Personalausfälle in allen Abteilungen“. Allein im Pflegedienst fehlten in Gifhorn aktuell 50 und in Helmstedt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch hier werden einige Eingriffe abgesagt. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir die Personalausfälle nicht mehr so einfach kompensieren können“, heißt es aus dem Klinikum Peine, und auch in Wolfsburg wird die Personallage als „derzeit sehr angespannt“ eingeschätzt.

Mit Blick auf Braunschweig betont Bartkiewicz: „Die Kolleginnen und Kollegen geben alles, sind aber mittlerweile an ihren Grenzen.“ Der Ärztliche Direktor hat den Eindruck, „dass die Bundespolitik die Lage der Krankenhäuser absolut unterschätzt“. Seine Prognose: „Wahrscheinlich muss die Gesundheitsversorgung erst zusammenbrechen, um dann akut und schnell viele Milliarden in die Gesundheitsversorgung zu pumpen. Das ist eine sehr gewagte Strategie und würde viel zerstören.“

Leserfrage: Was ist mit der „Hospitalisierung“?

Unser Leser Volker Stehr fragt: „In der Zeitung wurde neulich die angespanntere Hospitalisierungsrate in Niedersachsen erwähnt. Es wäre meiner Meinung nach schon interessant zu erfahren, wer tatsächlich von den Gemeldeten an Covid-19 erkrankt ist – oder wer nur einen positiven PCR-Test hat.

Die Antwort der Redaktion:

Die täglich gemeldete ­– und zuletzt auf den Wert 15,5 gestiegene – „Hospitalisierungsinzidenz“ gibt an, wie viele positiv auf Corona getestete Menschen in den vergangenen sieben Tagen à 100.000 Einwohner von niedersächsischen Krankenhäusern aufgenommen worden sind. Vollkommen zurecht geht der Leser davon aus, dass nicht alle dieser Patienten „Covid-Patienten“ in dem Sinne sind, dass sie wegen ihrer Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen. Und „nicht alle“ ist offenbar weit untertrieben. In einem NDR-Interview, auf das sich der Leser bezieht, schätzte Professor Tobias Welte, Lungenfacharzt an der Medizinischen Hochschule Hannover, jüngst, dass sogar 90 Prozent der positiv getesteten Patienten anderer Diagnosen wegen ins Krankenhaus gekommen sind.

Die Angabe haargenau auf die allgemeine Situation zu übertragen, ist derzeit unmöglich. Wie das niedersächsische Landesgesundheitsministerium auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, wäre dazu die Analyse der nur quartalsweise von den Krankenhäusern übermittelten Diagnosen vonnöten, was vor Mai nicht geschehen könne. Mit Blick auf das Klinikum Braunschweig hält jedoch auch der Ärztliche Direktor Dr. Thomas Bartkiewicz fest: „Die Patienten werden primär nicht mehr wegen Covid-19 aufgenommen. Die Betroffenen überraschen mit einem positiven Test, haben aber keinerlei für Covid-19 typische Symptome. In über 80 Prozent der Fälle mit positivem Covid-19-Laborbefund sind es andere Erkrankungen, die den Aufnahmeanlass bewirken.“ Auch deshalb habe die intensivmedizinische Versorgung im Vergleich mit anderen Wellen „eine nachrangige Bedeutung“.

Isolation stresst das Personal

Schon jetzt lässt sich also zweierlei festhalten. Erstens: Die „Hospitalisierungsinzidenz“ darf in Anbetracht der besonders vielen, zumeist wenig böse verlaufenden „Omikron-Ansteckungen“ keinesfalls als Gradmesser dafür verstanden werden, wie viele schwere Verläufe die Pandemie mit sich bringt. Zweitens: Dessen ungeachtet verweist diese Inzidenz schon darauf, wie sehr den Krankenhäusern die Pandemie zu schaffen macht, da betroffene Patientinnen und Patienten isoliert und unter hohen Schutzanforderungen behandelt werden müssen. „Mit einer steigenden Hospitalisierungsrate steigt also die Belastung der Kliniken“, hält das Ministerium fest. Das gilt besonders derzeit, da die Personalsituation in den Krankenhäusern – ebenfalls pandemiebedingt – so angespannt ist. Und zwar in ganz Deutschland: 90 Prozent der Krankenhäuser verzeichnen derzeit höhere krankheitsbedingte Personalausfälle in ihren „patientennahen Bereichen“ als sonst um diese Jahreszeit üblich. Dies ergab eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts. „Eine hohe Zahl von positiv getestetem Personal ist für viele Krankenhäuser sehr belastend“, folgerte auch der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI, Gernot Marx, in der „Augsburger Allgemeinen“. 518 von 1320 Intensivstationen geben laut Marx an, in eingeschränktem Betrieb zu arbeiten.

Natürlich hat das auch finanzielle Folgen: „Aufgrund der coronabedingten Personalausfälle müssen die Krankenhäuser ihr Leistungsangebot einschränken, was erhebliche Erlösausfälle und einen Verlust an Liquidität nach sich zieht“, betont ein Sprecher der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft gegenüber unserer Zeitung. Entsprechend ärgerlich sei es, „dass die Politik die Kliniken im Unklaren über eine weiterhin notwendige wirtschaftliche Absicherung lässt“.

In den Krankenhäusern selbst schaut man zum Teil auch kritisch in Richtung Politik. Dr. Michael Moormann, Geschäftsführer des personell besonders gebeutelten Klinikums Lüneburg formuliert es so: Die Entscheidung der Bundesregierung, nahezu alle Corona-Schutzmaßnahmen auslaufen zu lassen und in die Verantwortung der Bundesländer abzugeben, könne er nicht nachvollziehen. „Angesichts täglich neuer Rekordzahlen bei den Corona-Neuinfektionen ist dieses Vorgehen für uns als Einrichtung der sogenannten Kritischen Infrastruktur alles andere als hilfreich.