Braunschweig. Die reichlichen Niederschläge freuen Förster und Landwirte in der Region. Der Wasserspeicher erholt sich aber nur langsam von den Dürresommern.

Die Regenfälle, die sich seit Anfang Februar über unsere Region wie über ganz Deutschland ergießen, mögen trostlos erscheinen. Aber natürlich haben sie ihr Gutes – für Böden, Pflanzen, Wälder. Seit den Dürresommern ab 2018, haben wir immer wieder über Dürre und Trockenheit berichtet. Als wichtiger Teil des Problems gilt, dass die Niederschläge der kalten Jahreszeit nicht mehr ausreichen, um den ausgetrockneten Wasserspeicher im Boden wieder vollzutanken. Könnte es diesen Winter klappen? Können die Landwirte, die Böden und die trockengeschädigten Wälder aufatmen? Und wie nachhaltig wirken sich die derzeitigen Niederschläge in Zeiten des Klimawandels aus?

Den Meteorologen Jens Fildebrand vom Deutschen Wetterdienst (DWD) jedenfalls verdrießt das Regenwetter überhaupt nicht. Gut gelaunt fasst der Wetterfachmann, der für die agrarmeteorologische DWD-Abteilung in Braunschweigs Stadtteil Kanzlerfeld arbeitet, seine Sicht der Dinge zusammen: „Es ist alles gut im Moment. Und solange es nicht zu Schäden durch massiven Starkregen oder länger stehendes Wasser kommt, kann es gerade kaum zu viel regnen. Das nutzt der Landwirtschaft und der Natur.“

Die Bodenwasservorräte profitieren vom Überschuss

Um etwas tiefer in den Boden zu schauen, schlägt Fildebrand einen Blick in den „Bodenfeuchte-Viewer“ vor. Die interaktive Karte auf der Webseite des Deutschen Wetterdienstes zeigt – basierend auf Modellen – an, wie gut der Boden mit Wasser versorgt ist, je nach Tiefe und je nachdem, was darauf wächst. Ob unter Weizen, Mais oder einfachem Gras – wenn man sich die Bodenfeuchte an der Erdoberfläche anschaut, erscheint derzeit ganz Deutschland tief- bis hellblau. Das heißt, überall steht mehr Wasser zur Verfügung als die Pflanzen brauchen. Folglich kann dieses tiefer sickern und helfen, die Bodenwasservorräte aufzufüllen. „Da aufgrund der niedrigen Temperaturen wenig verdunstet und die Pflanzen noch nicht viel Wasser verbrauchen, kann man davon ausgehen, dass je nach Beschaffenheit des Bodens auch beim Grundwasser etwas ankommt.“

Ein Blick auf den Bodenfeuchte-Viewer des Deutschen Wetterdienstes.
Ein Blick auf den Bodenfeuchte-Viewer des Deutschen Wetterdienstes. © dwd | DWD

Guter Wetterstart für Landwirte

Für die Bewirtschaftung der Felder bedeutet dies einen guten Start, weiß Fildebrand, dessen Hauptaufgabe beim DWD die Beratung von Landwirten ist. Für diese zähle in erster Linie, dass für die Pflanzen in den oberen Bodenschichten genug Wasser verfügbar ist. Auch hier, in bis zu zwei Metern Tiefe sieht die Wasserversorgung insgesamt gut aus. Anders weiter östlich: Dort, in weiten Teilen Sachsen-Anhalts, ist der Boden schon in einem Meter Tiefe trocken. Fildebrand begründet dies mit dem Windschatten des Harzes, den Böden, aber auch mit dem kontinentaleren Klima. „In diesen Trockengebieten sehen wir immer noch Defizite aus den Dürrejahren, da fehlen durchaus noch 200 bis 300 Liter pro Quadratmeter, die aufgefüllt werden müssten.“

Die Trockenheit im Dürresommer 2018 begünstigte viele Brände, so wie auf diesem Stoppelfeld bei Werlaburgdorf. Bis heute haben sich die Wasserspeicher der Böden nicht vollständig davon erholt. 
Die Trockenheit im Dürresommer 2018 begünstigte viele Brände, so wie auf diesem Stoppelfeld bei Werlaburgdorf. Bis heute haben sich die Wasserspeicher der Böden nicht vollständig davon erholt.  © Archiv | Koglin

Doch auch in unserer Region bieten die reichlichen Regenfälle keine Gewähr dafür, dass die Landwirte auch weiter gut durchs Jahr kommen. Schon im Frühjahr, wenn die Pflanzen wieder sprießen werden und die Verdunstung zunimmt, könne man erneut in die Problemzone kommen, so der Fachmann: „Es täuscht vielleicht ein bisschen, dass gerade alles so schön nass und gut aussieht. Bis in einen Meter Tiefe ist alles bestens versorgt. Aber schon wenn wir im Frühjahr oder Frühsommer drei bis vier Wochen mit Trockenheit und scharfem Ostwind haben, der die Feuchtigkeit förmlich aus dem Boden saugt, dann trocknen die oberen 40 Zentimeter ruckzuck aus“, erklärt Fildebrand. Man könne noch so gut ins Frühjahr starten, „für den landwirtschaftlichen Anbau brauche ich immer mal wieder Regen“.

Außerdem, erklärt der Meteorologe, stehe der Februar keineswegs stellvertretend für den ganzen Winter. In den zurückliegenden Monaten von September bis Januar habe es weniger Niederschläge gegeben als im Schnitt der zurückliegenden 30 Jahre. „Es war bisher zu trocken“, sagt er, „auch wenn 2021 im großen Ganzen vernünftig war – nach den vorausgegangenen Dürrejahren 2018, 2019 und 2020.“ Immerhin werde der Februar wohl überdurchschnittlich feucht werden, schließlich verheiße die Vorhersage der nächsten zwei Wochen weiter Regen bei mildem Westwind.

Nationalpark Harz: Nicht genug Wasser für die Wälder

Die milden Temperaturaussichten sind es gerade, die im Nationalpark Harz für Stirnrunzeln sorgen. Zwar freut sich auch Fachbereichsleiterin Sabine Bauling über das feuchte Wetter, das dem Wald guttue und helfe, die Bodenwasservorräte aufzufüllen. Aus ihrer Sicht fehlt aber noch einiges, um die drei Dürrejahre in Folge auszugleichen. „So schnell geht das nicht“, erklärt sie in einem Statement für unsere Zeitung. „Eine hohe Schneedecke würde Entspannung bringen, die ist aber aktuell nicht zu erwarten.“ Daher und aufgrund der für Februar relativ hohen Temperaturen könne die gute Bodenfeuchte leider schnell wieder verdunsten – erst recht auf den durch Borkenkäferbefall und Trockenheit freigewordenen Flächen.

Auch bei den Niedersächsischen Landesforsten freut man sich über den Regen. Allerdings stellt man in den von Trockenheit teils arg gebeutelten Wäldern immer noch Dürreeffekte fest – insbesondere in den tieferen Bodenschichten von 1,80 Meter abwärts, wo die älteren Bäume wurzeln. „Bis die jetzt fallenden Niederschläge in diesen Schichten ankommen, dauert es“, sagt Landesforsten-Sprecher Mathias Aßmann unserer Zeitung. Obwohl die Regenmenge im vergangenen Jahr wieder auf dem Niveau des langjährigen Mittels gelegen habe, sei mehr verdunstet, weil es überdurchschnittlich warm war.

Landesforsten: Gute Pflanzbedingungen beim Aufforsten

Neben dem moderaten Nach­tanken der Böden haben die Niederschläge noch eine weitere positive Bedeutung für die Landesforsten. Da die oberen etwa 25 Zentimeter des Waldbodens derzeit gut durchfeuchtet sind, herrschen gute Pflanzbedingungen. Aßmann: „Die jetzt gepflanzten, kleinen Bäume können gut anwachsen – das ist gerade für die Wiederbewaldung geschädigter Flächen sehr wichtig.“

Klar scheint: Angesichts des Klimawandels dürften die drei trockenen Jahre 2018 bis 2020 nicht die letzten ihrer Art gewesen sein. Die Durchschnittstemperatur steigt. Auch wenn es in den letzten 30 Jahren laut Wetterexperte Fildebrand etwas mehr Niederschläge gab als früher, verheißt das für den Wasservorrat im Boden insgesamt nichts Gutes. „Die prognostizierten Klimaveränderungen entsprechen schon in weiten Teilen dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben“, sagt auch Landesforsten-Sprecher Aßmann. „Wir haben eine Zunahme von Extremereignissen wie Stürmen, aber eben auch Dürren. Insofern hoffen wir zwar, dass die Dürre abnimmt, wissen aber auch, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass sie künftig eher zunehmen.“

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Auch für die Wälder sind die derzeitigen Niederschläge also wohl nicht mehr als ein kurzes Aufatmen. Auch hier braucht es zeitig Regen-Nachschub, wenn die Vegetationsperiode beginnt, sagt Fildebrand: „Wenn im Frühling nichts nachkommt, kommen wir schnell wieder in eine Situation, in der die Waldbrandgefahr nicht weit weg ist. Dann staunt man, weil es doch eben noch so schön nass war.“

In Kürze: Die Talsperren im Harz

Auch für den Füllstand der Talsperren im Harz waren die Regengüsse der vergangenen Wochen äußerst ergiebig, wie die Harzwasserwerke auf Anfrage unserer Zeitung mitteilen. „Die Niederschläge haben die Talsperrenfüllstände sogar wieder auf den langjährigen Mittelwert angehoben“, berichtet Unternehmenssprecher Norman Droste. Bei den Talsperren der Oder, der Innerste und der Söse greife man aufgrund der großen Mengen sogar auf den Hochwasserrückhalteraum zurück, um den Schutz vor Hochwässern flussabwärts zu gewährleisten. „Ausreichend freier Stauraum für noch mehr Regen oder Schmelzwasser ist trotzdem noch in allen Talsperren vorhanden“, beruhigt Droste.

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