Braunschweig. Experten glauben, dass verwirrte Senioren in dieser Hinsicht das größte Problem sind. Besser eingestellte Navis könnten Abhilfe schaffen.

Manchmal liegt die Umgangssprache gar nicht so daneben. Das Wort „Geisterfahrer“ (statt „Falschfahrer“) hat den Vorzug, dass es den unheimlichen, den horriblen Aspekt andeutet, der mit der Sache, um die es geht, verbunden ist. Horror aus zweierlei Perspektive. Horror für diejenigen, denen auf der Autobahn plötzlich das geschieht, was eigentlich nicht passieren kann und nie passieren darf. Ein Auto kommt ihnen entgegen! Und Horror auch für den Menschen, der auf die falsche Bahn geraten ist und gegen jede eigene Absicht zum Albtraum aller anderen wird…

Was tue ich, wenn ich selbst der Geisterfahrer bin?

Zunächst also ein praktischer Tipp für diesen Fall: Was tun, wenn man bemerkt, in der falschen Richtung unterwegs zu sein? Der Unfallforscher der deutschen Versicherer, Siegfried Brockmann, sagt: „Es gibt nur einen guten Rat. Sofort auf die Standspur, Warnblinker an und stehen bleiben.“ Selbst wenn es zur Kollision komme, sei die dann nicht ganz so furchtbar wie diejenige der sich entgegenrasenden Wagen.

Allen „Richtigfahrern“ wird für diese Extremsituation hingegen angeraten, ihr Tempo zu drosseln und den Falschfahrer durch Lichthupe und Warnblinklicht zu alarmieren – und zackig über die Notrufnummer 110 die Polizei zu informieren.

Wer den Unfallforscher Brockmann über die Ursachen und die Ausmaße des Problems fragt, erfährt erstmal, was wir nicht wissen. „Die Datenlage ist dünn“, sagt der Experte. Noch sei das so, fügt er hinzu. Es sei nun endlich eine gründliche Untersuchung angelaufen. Schwierig sei, dass den relativ wenigen Falschfahr-Unfällen auf deutschen Autobahnen (im Jahr 2019 waren es 61, dabei kamen 11 Menschen ums Leben) eine große Falschfahrten-Dunkelziffer gegenübersteht. Viele Falschfahrer würden schnell bemerken, was ihnen etwa an einem Rasthof oder bei einer Baustelle widerfahren ist – und natürlich alles andere tun, als sich zu melden und über die Ursache ihres Fehlers zu sprechen.

Typisch männlich? Nun ja...

Doch auch ohne echt belastbare Daten der noch im Werden begriffenen Studie ist Brockmann schon in der Lage, analytisch über das Phänomen zu sprechen. Dabei wird deutlich: Die Gruppe der überforderten Senioren spielt für ihn hierbei eine größere Rolle als die oft erwähnten jungen Männer. Apropos: Auch gegenüber der Annahme, das Falschfahren sei ein speziell männliches Problem oder gar typisch für „männliche“ Selbstbesoffenheit, ist der Experte skeptisch. „Wir müssen die Zahlen schon ins Verhältnis setzen. Vor allem auf der Autobahn sind halt wesentlich mehr Männer als Frauen unterwegs“, sagt er.

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Viele Fälle am Wochenende

Was also sind die Gründe fürs Falschfahren? Abgesehen von Suiziden oder auch Mutproben – sehr selten nachweisbar – gibt es häufiger Alkohol- und Drogenfahrten dieser Art. Der ADAC erklärt sich so die Tatsache, dass Falschfahr-Unfälle überproportional oft am Wochenende geschehen. Und dennoch: Besonders dramatisch ist das Problem verwirrter älterer Fahrer. Der Menschen also, die laut Brockmann mit oder ohne demenzielle Erkrankung unter Umständen in eine Art Panik geraten, welche die Wahrnehmung so trübt, dass alle verdächtigen Anzeichen ausgeblendet würden.

Vielleicht lasse sich das Problem auf technischem Wege teilweise entschärfen, hofft Brockmann. Dabei erscheint ihm ein in Bayern laufendes Projekt, bei dem Notrufsäulen mit Warnleuchten versehen werden, um andere Fahrer zu warnen, weniger aussichtsreich als die Aufrüstung der Navis. Sowohl durch konsequente Warnungen des Falschfahrers als auch durch Hinweise an die Navis der entgegenkommenden Fahrer könnten sie dazu beitragen, dass folgenschwere Dramen wie das am Sonntag auf der A2 noch seltener werden.