Braunschweig. Der Niedersachse Hendrik Hoppenstedt glaubt an den Endspurt der CDU. Ärgerlich findet er das schlechte klimapolitische Image seiner Partei.

Die Nummer eins der CDU auf Niedersachsens Landesliste ist ein spezieller Fall. Dr. Hendrik Hoppenstedt ist als Staatsminister bei der Bundeskanzlerin ganz gewiss ein wichtiger Politiker – und doch einer, den kaum jemand kennt. Am Mittwoch hatten wir Gelegenheit zum Interview.

Erinnern Sie sich noch an den Herbst 2005. Was haben Sie da gemacht?

Oh, da muss ich überlegen… Da war ich seit ein paar Monaten Bürgermeister meiner Heimatstadt in Burgwedel bei Hannover.

Ich frage das mit Blick auf eine weitere Frage: Hätten Sie sich damals vorstellen können, dass Sie mit der Frau, die 2005 Bundeskanzlerin wurde, einmal gemeinsam im Kanzleramt eng zusammenarbeiten würden?

Klare Antwort: Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Aber dann fällt mir auch noch ein, dass das damals für die CDU keine einfache Situation war. Gerhard Schröder, der im Sommer 2005 praktisch abgeschrieben war, hatte mit der SPD furios aufgeholt. Wir als Union waren in den Tagen vor der Wahl plötzlich im freien Fall. Und am Wahlsonntag stellten wir fest, dass wir mit 35,2 Prozent wesentlich schlechter abgeschnitten haben, als die Umfragen das vorausgesagt hatten. Doch dann kam es zu dieser legendären „Elefantenrunde“, bei der Schröder in gewisser Weise sein Schicksal besiegelte, indem er so besonders breitbeinig auftrat. Auch deshalb schlossen sich in der CDU dann wieder die Reihen – und die Kritik an Angela Merkel verstummte.

Bauen Sie darauf, dass die Umfragen auch bei dieser Wahl daneben liegen – diesmal allerdings, indem sie das Ergebnis für CDU und CSU unterschätzen?

Ich will nicht die Umfrageinstitute kritisieren. Zuweilen ändert sich die Meinung kurzfristig. Wir hatten vor der Kommunalwahl eine Forsa-Umfrage mit Blick auf die Wahl der Regionsversammlung Hannover. In der Umfrage bekam die CDU sieben Prozent weniger zugesprochen, als sie nachher tatsächlich geholt hat. Derzeit sind viele Wählerinnen und Wähler unsicher. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Spitzenkandidaten für einige auf den ersten Blick nicht so überzeugend sind. Unser Kandidat Armin Laschet zum Beispiel hat nun einmal durch den Lacher im Flutgebiet in einer bestimmten Phase des Wahlkampfs viel Kritik auf sich gezogen. Ich finde aber – und sage das als jemand, der Armin Laschet gut kennt –, dass er eine Reihe von Qualitäten mitbringt, die einen guten Bundeskanzler ausmachen. Ich schaue Angela Merkel seit dreieinhalb Jahren über die Schulter und bilde mir ein, beurteilen zu können, welche Fähigkeiten wichtig sind. Und mein Eindruck ist, dass sich das Bild über ihn wendet.

Eine Frage zum Kanzleramt: Gibt es bei Ihnen im Hause nach so vielen Jahren mit Blick aufs Ende der Ära eine Art Merkel-Melancholie?

Ich glaube, dass die Mitarbeiter Angela Merkel sehr schätzen. Dank ihrer sachorientierten Arbeit und ihrer unprätentiösen und wertschätzenden Art genießt sie einen Riesenrespekt im Haus. Für so eine Chefin zu arbeiten, empfinden die allermeisten als großes Privileg.

Über Sie persönlich stand neulich in der FAZ zu lesen, Sie seien „so unbekannt wie einflussreich“ und hätten womöglich eine noch größere Zukunft vor sich. Hat Ihnen das geschmeichelt?

Was Spekulationen über meine Zukunft angeht, bin ich immer sehr vorsichtig. Ich habe mich bemüht, meine Arbeit ordentlich zu machen, die mir auch viel Freude macht. Ich meine vor allem das Verhandeln mit Menschen, die anderer Meinung sind, und das Finden von Lösungen. Ich komme nicht jeden Tag in den Nachrichten vor, das ist klar. Meine Arbeit lässt sich zuweilen mit der eines Vermittlers vergleichen, ich will gute Kompromisse zustandebringen. Wenn ich jemand wäre, der von vornherein polarisiert, könnte ich das so nicht hinbekommen. Ein SPD-Minister, der zu mir kommt, weiß natürlich, dass ich ein CDU-Mann bin. Er soll aber auch darauf vertrauen, dass ich den Koalitionsvertrag fair auch bei den Punkten umsetze, die für ihn wichtig sind. Zu Ihrer Frage: Wenn die FAZ der Meinung ist, ich hätte im Hintergrund das eine oder andere komplizierte Gesetzesvorhaben befördern können, will ich nicht widersprechen. Man muss jedoch gleich hinzufügen: Das alles ist Teamwork. Wenn ein Thema beim Chef des Bundeskanzleramts oder bei mir auf dem Schreibtisch landet, dann sind in der Regel schon viele Probleme gelöst. Es verbleiben Restkonflikte, die versuchen wir auch noch zu lösen. Und wenn selbst dann noch nicht alles geklärt ist, dann muss noch einmal die Bundeskanzlerin ran oder auch der Koalitionsausschuss.

Ich könnte mir vorstellen, dass Sie als sein Stellvertreter auch deshalb andere und auch mehr Aufgaben auf dem Tisch hatten, da Helge Braun sich so dezidiert um die Bekämpfung der Corona-Pandemie gekümmert hat.

Dass Helge Braun als Mediziner in dieser Position ist, stellte sich als großer Glücksfall heraus. Seine Rolle in der Pandemie-Bekämpfung war und ist kaum zu überschätzen. Es gibt aber auch noch ein paar andere Themen, um die ich mich sicher mehr zu kümmern hatte, als das sonst der Fall gewesen wäre, das ist richtig.

Apropos Themen: Die schwappen natürlich in jedem Wahlkampf munter hin und her. Welches ist für Sie besonders geeignet, die Eigenheiten der CDU deutlich zu machen?

Es gibt viele wichtige Themen. Unterscheiden tun sie sich bezüglich der Frage, wie viel Kompetenz die Bevölkerung den Parteien in diesen Fragen zutraut. Natürlich gehören Wirtschaft, Finanzen und Sicherheit zu unserem Kern, da sind wir immer schon stark. In der Klimapolitik wird uns hingegen weniger zugetraut – und das schmerzt mich. Wir sind eine C-Partei, uns liegt die Bewahrung der Schöpfung seit jeher am Herzen. Außerdem stimmt es einfach nicht, dass wir klimapolitisch nur wenig erreicht hätten. Das ist eine Story der anderen Parteien, nicht mehr. In Wahrheit wurden die CO2-Emissionen kontinuierlich abgebaut, wir haben das Ziel von -40% im Jahr 2020 erreicht. Entscheidender für die Wähler ist aber ohnehin der Blick nach vorn. Das Klimaschutzgesetz von 2019 und seine Nachschärfung in diesem Jahr werden dazu führen, dass wir unsere Ziele auch in der Zukunft einhalten können, bis hin zur Klimaneutralität im Jahr 2045. Wir haben für die wichtigen Sektoren Industrie, Verkehr, Energie und andere Jahresziele definiert. Somit können wir genau schauen, wo wir die Ziele erreichen und wo wir nachjustieren müssen. So läuft es aktuell übrigens, was den Gebäudesektor angeht. Da wurde das Ziel 2020 ganz knapp nicht erreicht. Und am heutigen Mittwoch haben wir im Bundeskabinett die Fördermaßnahmen beschlossen, die uns helfen werden, genau diese Scharte auszuwetzen.

Wo sind Sie am Wahlabend – Region Hannover oder Berlin?

Ich weiß es noch nicht ganz genau. Ich tendiere zum Wahlkreis. Aber vielleicht fahre ich am Abend dann noch nach Berlin. Und dann würde ich natürlich an Braunschweig vorbeifahren und freundlich grüßen.