Braunschweig. Der Bayern-Profi hatte kein Corona, wurde aber positiv getestet. Eine Ausnahme, sagen Experten. Waren überlastete Labore schuld am fehlerhaften Test?

Immer wieder lese ich von Corona-Tests, die vermeintlich positiv sind, aber sich später als negativ herausstellen. Zuletzt gab es einen Fall in der deutschen Basketball-Liga. Mich interessiert, wie oft solche „falsch-positiven“ Ergebnisse zustande kommen und vor allem auch, ob diese dann aus den offiziellen Statistiken wieder heraus genommen werden, damit der Inzidenzwert auch nach unten korrigiert werden kann, wenn es sachlich berechtigt ist?

Das fragt Leser Benjamin Tacke

Zum Thema recherchierte Dirk Breyvogel

Profi-Sportler gehören vermutlich in Deutschland, neben Krankenhauspersonal und Pflegekräften, zu den am häufigsten getesteten Personen. Nicht nur das Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) sieht im laufenden Spielbetrieb mehrmalige Tests innerhalb einer Woche vor. Verhindert werden soll dadurch, dass ein nicht entdeckter Corona-Fall zur Quarantäne der ganzen Mannschaft führt. Spiele könnten daraufhin abgesagt werden, was zu Wettbewerbsverzerrung und im schlimmsten Fall zur Beendigung wichtiger Sponsoren- und Fernsehgeld-Verträge führen könnte. Das will man nicht nur bei der DfL verhindern, sondern auch in anderen Sportligen.

Landesgesundheitsamt: Hohe Zuverlässigkeit bei PZR-Tests

Der Leser weist auf den Fall eines Basketballers aus Bonn hin, der nach einem positiven Ersttest auf den Erreger Sars-CoV-2 zunächst, wie die gesamte Mannschaft, in Quarantäne geschickt wurde. Nach zwei negativen Tests im Anschluss wurde die Quarantäne wieder aufgehoben. Genau wie beim Spieler des FC Bayern München, Serge Gnabry, sprach man im Anschluss von einem „falsch-positiven“ Test. Diese Tests liegen laut niedersächsischem Landesgesundheitsamt in Hannover im Promillebereich. „Ein Fall auf 1000. Das wäre schon hochgegriffen“, sagt Gesundheitsamt-Sprecher Mike Wonsikiewicz gegenüber unserer Zeitung. Die Zuverlässigkeit der PZR-Tests, bei dem ein Abstrich aus dem Rachen- oder Nasenraum erfolgt, sei sehr groß. Bei den sogenannten Schnelltests auf Basis der Ermittlung bereits bestehender Antigene sei die Fehleranfälligkeit durchaus höher. „Daher wird bei diesem Verfahren und bei einem Verdacht der Fehlerhaftigkeit des Tests in der Regel noch ein PZR-Test im Anschluss durchgeführt“, erklärt Wonsikiewicz. Erst wenn dieser auch positiv sei, würde der Fall auch von den Ämtern in der Corona-Statistik geführt.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt in ihren täglich veröffentlichten Situationsberichten keine konkrete Quote zur Falsch-Positiv-Rate an. Das sei aufgrund der Menge an Daten nicht leistbar, heißt es aus Berlin. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt das RKI: „Aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 Prozent.“ Das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin geht auf der Grundlage einer theoretischen Beispielrechnung davon aus, dass bei 100.000 Getesteten und einer Zahl von 50 Infizierten (vgl. Sieben-Tage-Inzidenz) etwa fünf Prozent der Tests falsch sein könnten. „Bei den 99.950 Nicht-Infizierten würden die Tests in 98.951 Fällen ein korrektes Ergebnis anzeigen. 999 Mal aber wäre der Test (falsch)positiv“, heißt es in einem im September veröffentlichten Papier, dass sich auf anlasslose Tests bezieht. Bei anlassbezogenen Tests (hier liegt eine Symptomatik schon vor) sei der Anteil der korrekt positiven Tests wesentlich höher, so die Berechnungen der Mediziner.

RKI: Bis zu zwei Millionen Labortest pro Woche möglich

Gründe für falsche Positivtests sind mannigfaltig. Einer ist die Kontamination der Probe. „Zu diesen Verunreinigungen kann es bei der Handhabung im Labor kommen oder aber bereits bei der Probeentnahme“, erklärt Behördensprecher Wonsikiewicz. Die Virologin Prof. Ulrike Protzer von der Technischen Universität in München hatte, auf den Fall Gnabry angesprochen, auch die Kapazitäten der Labore genannt, die immer öfter an ihre Grenzen stoßen würden. „Sie dürfen nicht vergessen, in Deutschland werden täglich Zehntausende Tests in den Laboren ausgewertet. Da passieren Fehler, das ist ganz natürlich“, sagte Protzer gegenüber dem Fernseh-Sender Sky.

Aktuell beziffert das RKI für die Kalenderwoche 46 (bis zum 15. November) die theoretischen Testkapazitäten aller Labore in Deutschland auf fast zwei Millionen Tests, die reale Auslastung zum Zeitpunkt der Abfrage liegt bei rund 1,67 Millionen (Stand 11. November).

Proben können falsch entnommen werden – Labore an Kapazitätsgrenzen

Mit Blick auf die Empfindlichkeit von Testverfahren machte Virologin Protzer nochmals deutlich, wie wichtig es sei, Personen zum richtigen Zeitpunkt während ihres Infektionsverlaufes zu testen. „Die Kurve der Infektion ist sehr steil und die Infektionslast verändert sich täglich. Auch das kann ein Grund dafür sein, warum der Spieler Gnabry an einem Tag positiv, dann aber wieder negativ getestet worden ist.“ Auch bei Gnabrys Mannschaftskollegen Niklas Süle verdichten sich die Anzeichen eines falsch-positiven Coronatests. Nach Beendigung seiner Quarantäne reiste er nun zur Nationalmannschaft.

Für den Sprecher des Landesgesundheitsamtes Wonsikiewicz ist es kein Zufall, dass sich widersprüchliche Testergebnisse im Bereich des Profisports häufen. „Natürlich hat ein Verein wie der FC Bayern ein großes Interesse, schnell Klarheit zu bekommen. Und er hat auch die Möglichkeiten, das mit Tests zu überprüfen.“ Der „Normalbürger“ vertraue in der Regel dem ersten Testergebnis und geht in Quarantäne. „Alle Zahlen, die wir in Deutschland zur Verfügung haben, zeigen, dass er das auch guten Gewissens tun kann.“

„Statistik wird von Falschtests bereinigt“

Zur Anmerkung des Lesers, wie mit falsch erhobenen Testergebnissen statistisch umgegangen wird, erklärt Wonsikiewicz: „Hat ein Gesundheitsamt Kenntnis über einen falsch-positiven Test, wird dieser wieder aus der Statistik entfernt.“