Braunschweig. Johann Albrecht zu Mecklenburg war bis 1913 Regent des Landes Braunschweig. Die Stadt will sein Wirken jetzt kritisch beleuchten.

In der Reichshauptstadt Berlin war es, dass der Reichskanzler Bülow 1897 einen „Platz an der Sonne“ forderte. Das kleine Herzogtum Braunschweig indes scheint von solchem Streben nach deutscher Weltmacht relativ fernab. Dass jedoch einer der wichtigsten Kolonialpolitiker von 1907 bis 1913 als Regent an der Spitze des Herzogtums Braunschweig stand, ist heute weitgehend vergessen. Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1857-1920) war 25 Jahre lang Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft.

„Wer sich in unserer Gegend auf koloniale Spurensuche begibt, stößt unweigerlich immer wieder auf Johann Albrecht“, sagt Henning Steinführer, Direktor des Braunschweiger Stadtarchivs. Auch ein Bestand des Städtischen Museums Braunschweig – rund 500 außereuropäische Objekte – geht auf ihn zurück. „Auf diese Weise ist Johann Albrecht ein Teil der Braunschweiger Kolonialgeschichte“, schreibt die Stadtverwaltung auf Anfrage unserer Zeitung.

Die Kolonialdenkmäler in Braunschweig und Bad Lauterberg

Das Leben von Herrmann von Wissmann wird aktuell kontrovers diskutiert. In Bad Lauterberg im Harz steht ein Wissmann-Denkmal im Kurpark, ferner ist dort eine Straße, die Wissmannstraße im Zuge der Bundesstraße 27, nach dem Kolonialbeamten benannt. Der Verein Spurensuche fordert eine sachliche Einordnung der Person Wissmanns.
Das Leben von Herrmann von Wissmann wird aktuell kontrovers diskutiert. In Bad Lauterberg im Harz steht ein Wissmann-Denkmal im Kurpark, ferner ist dort eine Straße, die Wissmannstraße im Zuge der Bundesstraße 27, nach dem Kolonialbeamten benannt. Der Verein Spurensuche fordert eine sachliche Einordnung der Person Wissmanns. © Rolf Steinke
Das Leben von Herrmann von Wissmann wird aktuell kontrovers diskutiert. In Bad Lauterberg im Harz steht ein Wissmann-Denkmal im Kurpark, ferner ist dort eine Straße, die Wissmannstraße im Zuge der Bundesstraße 27, nach dem Kolonialbeamten benannt. Der Verein Spurensuche fordert eine sachliche Einordnung der Person Wissmanns.
Das Leben von Herrmann von Wissmann wird aktuell kontrovers diskutiert. In Bad Lauterberg im Harz steht ein Wissmann-Denkmal im Kurpark, ferner ist dort eine Straße, die Wissmannstraße im Zuge der Bundesstraße 27, nach dem Kolonialbeamten benannt. Der Verein Spurensuche fordert eine sachliche Einordnung der Person Wissmanns. © Rolf Steinke
Ist so ein Denkmal für einen Kolonialbeamten, der für den Tod Tausender Afrikaner verantwortlich sein soll, in der aktuellen
Rassismus-Debatte noch zeitgemäß? Der Verein Spurensuche meint nein, und fordert zumindest die Diskussion um den Abbau und die
Umbenennung der Wissmannstraße in Bad Lauterberg im Zuge der B27.
Ist so ein Denkmal für einen Kolonialbeamten, der für den Tod Tausender Afrikaner verantwortlich sein soll, in der aktuellen Rassismus-Debatte noch zeitgemäß? Der Verein Spurensuche meint nein, und fordert zumindest die Diskussion um den Abbau und die Umbenennung der Wissmannstraße in Bad Lauterberg im Zuge der B27. © Michael Eggers
Der deutsche Afrikaforscher Hermann von Wissmann in einer zeitgenössischen Aufnahme. Von 1895 bis 1896 war er Gouverneur in Deutsch-Ostafrika. Er wurde am 4. September 1853 geboren und verstarb am 15. Juni 1905.
Der deutsche Afrikaforscher Hermann von Wissmann in einer zeitgenössischen Aufnahme. Von 1895 bis 1896 war er Gouverneur in Deutsch-Ostafrika. Er wurde am 4. September 1853 geboren und verstarb am 15. Juni 1905. © dpa
Das Leben von Herrmann von Wissmann wird aktuell kontrovers diskutiert. In Bad Lauterberg im Harz steht ein Wissmann-Denkmal im Kurpark, ferner ist dort eine Straße, die Wissmannstraße im Zuge der Bundesstraße 27, nach dem Kolonialbeamten benannt. Der Verein Spurensuche fordert eine sachliche Einordnung der Person Wissmanns.
Das Leben von Herrmann von Wissmann wird aktuell kontrovers diskutiert. In Bad Lauterberg im Harz steht ein Wissmann-Denkmal im Kurpark, ferner ist dort eine Straße, die Wissmannstraße im Zuge der Bundesstraße 27, nach dem Kolonialbeamten benannt. Der Verein Spurensuche fordert eine sachliche Einordnung der Person Wissmanns. © Rolf Steinke
Das Braunschweiger Kolonialdenkmal wurde am 14. Juni 1925 im Stadtpark an der heutigen Jasperallee errichtet, wo es sich noch heute befindet.
Das Braunschweiger Kolonialdenkmal wurde am 14. Juni 1925 im Stadtpark an der heutigen Jasperallee errichtet, wo es sich noch heute befindet. © Bernward Comes
Geschichtskursus der Ricarda-Huch-Schule: Schüler forschen zur Geschichte des beschmierten Kolonialdenkmals
Geschichtskursus der Ricarda-Huch-Schule: Schüler forschen zur Geschichte des beschmierten Kolonialdenkmals © privat
Das Braunschweiger Kolonialdenkmal wurde am 14. Juni 1925 im Stadtpark an der heutigen Jasperallee errichtet, wo es sich noch heute befindet.
Das Braunschweiger Kolonialdenkmal wurde am 14. Juni 1925 im Stadtpark an der heutigen Jasperallee errichtet, wo es sich noch heute befindet. © Bernward Comes
Kunstprojekt der IGS Franzsches Feld: Schüler und Lehrer der IGS vor dem nun verhüllten Kolonialdenkmal im Stadtpark
Kunstprojekt der IGS Franzsches Feld: Schüler und Lehrer der IGS vor dem nun verhüllten Kolonialdenkmal im Stadtpark © Rudolf Flentje
Kolonialdenkmal Braunschweig: Die Einweihung fand am 13. beziehungsweise 14. Juni 1925 statt.
Kolonialdenkmal Braunschweig: Die Einweihung fand am 13. beziehungsweise 14. Juni 1925 statt. © BLM
Kolonialdenkmal Braunschweig: Die Einweihung fand am 13. beziehungsweise 14. Juni 1925 statt.
Kolonialdenkmal Braunschweig: Die Einweihung fand am 13. beziehungsweise 14. Juni 1925 statt. © BLM
Kolonialdenkmal Braunschweig: Die Einweihung fand am 13. beziehungsweise 14. Juni 1925 statt.
Kolonialdenkmal Braunschweig: Die Einweihung fand am 13. beziehungsweise 14. Juni 1925 statt. © BLM
Wissmann Denkmal in Bad Lauterberg in den 40er Jahren.
Wissmann Denkmal in Bad Lauterberg in den 40er Jahren. © Historische Bad Lauterberg
Das Wissmann Denkmal in Bad Lauterberg in den 40er Jahren.
Das Wissmann Denkmal in Bad Lauterberg in den 40er Jahren. © Historische Bad Lauterberg
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Im Zuge der aktuellen Rassismus- und Kolonialgeschichtsdebatten sollen die Lücken der Braunschweiger Kolonialgeschichte geschlossen und aufgearbeitet werden. Dabei, so die Stadt, soll der Regent „eine wichtige Rolle“ spielen. Für Wertungen, „die ja auch im Lichte der aktuellen Diskussion der deutschen Kolonialgeschichte erfolgen müssten“, sei es allerdings zu früh.

Wer war Johann Albrecht?

1857 als dritter Sohn des Großherzogs von Mecklenburg geboren, hatte Johann Albrecht kaum Aussichten auf den heimischen Thron in Schwerin. Gleichwohl strebte er in die Politik. Nachdem es ihm 1884 nicht gelungen war, in den Reichstag gewählt zu werden, trat er 1891 aus Protest gegen den Verlust Sansibars – das Kaiserreich hatte die ostafrikanische Insel mit Großbritannien gegen Helgoland eingetauscht – in den neuen rechtsradikalen Alldeutschen Verband ein.

Als 1895 die einflussreiche Deutsche Kolonialgesellschaft (DKG), die sich für die Ausweitung des deutschen Kolonialreichs einsetzte, einen neuen Präsidenten suchte, schien er die perfekte Besetzung. Zwar hatte er sich bis dahin nie wirklich in der Kolonialpolitik engagiert. Jedoch, schreibt der Historiker Bernd Kasten 2015 in einem Aufsatz: „Er reiste gern, interessierte sich für ferne Länder und befürwortete die deutsche Weltmachtpolitik.“ Mit dem sozialen Prestige als Mitglied eines regierenden Herrscherhauses sei er genau die Art Präsident gewesen, die der Vorstand und die Mitglieder sich damals wünschten.

Gleich nach seiner Amtsübernahme bereiste er Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Ruanda, Burundi), die größte und bevölkerungsreichste Kolonie des Deutschen Reiches. Bereits hier, so Kasten, lernte Johann Albrecht Schattenseiten der deutschen Kolonialherrschaft kennen. Seinem Reisetagebuch vertraute er an: „Alle Klagen über den Tropenkoller der Oberbeamten und ihre durch die Uniform hervorgerufene Überhebung, sowie den absoluten Mangel an Interesse an der Entwicklung der Kolonie treffen zu.“ Auch die Brutalität, mit der die Deutschen einheimischen Widerstand niederschlugen, entging ihm nicht.

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Über eine militärische Aktion des Gouverneurs Friedrich von Schele schreibt er: Von 1200 „befreiten Weibern“ seien 400 verhungert, „der Rest wurde den Askaris geschenkt (einheimischen Angehörigen der Kolonialtruppen, Anm. d. Red) oder arbeitet noch als Kriegsgefangene“. Bernd Kasten bemerkt, obwohl Johann Albrecht die Auswirkungen der deutschen Kolonialpolitik kannte, habe er nie ein kritisches Wort darüber verloren. 1904 missbilligte er den Völkermord am Volk der Hereros, dem bis zu 80.000 Menschen zum Opfer fielen, nur deshalb, weil deren Arbeitskraft verloren ging: „Wir dürfen nicht übersehen, dass die Eingeborenen unser wertvollstes Material sind.“

Nach den Vorstellungen Johann Albrechts sollten die Kolonien nicht nur zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beitragen. Er wollte vor allem, dass sie ein von Deutschen bewohnter Teil des Reichs werden. Ein Hindernis hierbei war aus seiner Sicht, dass es dort kaum deutsche Frauen gab. Deshalb startete er ein großangelegtes Programm, um Dienstmädchen aus Deutschland nach Deutsch-Südwestafrika zu entsenden. Waren Frauen bereit, ihrem Verlobten oder ihrem Gatten dorthin zu folgen, übernahm die DKG die Reisekosten. Über 900 Frauen schickte die Organisation so von 1897 bis 1910 in die Kolonie.

Sorge ums deutsche „Herrenvolk“

Beziehungen zwischen Deutschen und Einheimischen, die durchaus nicht selten waren, sah der Herzog dagegen überhaupt nicht gern. Nachdem der Reichstag 1912 die Gültigkeit von „Misch-Ehen“ zwischen Schwarzen und Weißen gebilligt hatte, hielt er auf der Jahresversammlung der DKG dagegen: „Mischlinge in der Kolonie setzen das Ansehen des Herrenvolkes herab. Meine Herren! Das wollen wir nicht, wir wollen rein bleiben.“ Laut dem Historiker Bernd Kasten gehörte er mit solchen Ansichten zum „radikalen äußersten rechten Rand“, selbst in Anbetracht des damals allgemein üblichen Rassismus.

Büste Johann Albrechts (von Hugo Berwald) inmitten von Objekten der Kolonialausstellung, die innerhalb der Gewerbeausstellung 1896 in Berlin-Treptow veranstaltet wurde.
Büste Johann Albrechts (von Hugo Berwald) inmitten von Objekten der Kolonialausstellung, die innerhalb der Gewerbeausstellung 1896 in Berlin-Treptow veranstaltet wurde. © Wikimedia (gemeinfrei) | Franz Kullrich

Als die Braunschweiger Landesversammlung Johann Albrecht 1907 zum Regenten wählte, war er bereits ein berühmter Mann. Kasten zufolge war das Braunschweiger Amt sogar eine Frucht seiner Popularität als Kolonialpolitiker. „Er ist als außerordentlich tätiger Präsident des deutschen Kolonialvereins bekannt und geehrt im ganzen Deutschen Reich“, empfahlen die „Braunschweiger Neuen Nachrichten“ ihn ihren Lesern. Tiefe Spuren in Braunschweig hat der Mecklenburger allerdings nicht hinterlassen. Stadtarchivar Steinführer sagt, die vorhandenen Spielräume, eigene politische Akzente im Land zu setzen, habe er nicht genutzt.

Aufmerksam nacht Steinführer darauf, dass Johann Albrechts Blick auf Menschen aus anderen Erdteilen keineswegs immer nur von seinem unbestreitbaren Rassismus geprägt war. Das zeigten etwa die eifrig gepflegten Beziehungen zu außereuropäischen Potentaten. Seit einer Asienreise 1883 war er insbesondere mit dem thailändischen König Chulalongkorn freundschaftlich verbunden. 1907 besuchte dieser Johann Albrecht sogar in Braunschweig. Für Steinführer sind dies nur einige Anhaltspunkte für den „Facettenreichtum“ der Kolonialgeschichte unserer Region, der man nicht gerecht werde, wenn man sie ausschließlich auf die Verbrechen verenge.

Eine Facette ist auch Johann Albrechts ethnographische Sammlung, allesamt Mitbringsel seiner Hochzeitsreise 1910 nach Thailand, China, Japan und Indonesien. Laut dem Bestandskatalog des Städtischen Museums besteht sie aus Geschenken fürstlicher Gastgeber, in den Ländern dort ansässiger Europäer sowie aus der Bevölkerung. „Das mag man auf den ersten Blick für unproblematisch halten“, schreibt die Stadt dazu. Allerdings sei es auch hier noch zu früh für abschließende Bewertungen. In Planung sei allerdings bereits jetzt, Johann Albrecht ein eigenes Ausstellungskapitel zu widmen – als Sammler und als Kolonialpolitiker.