Braunschweig. Ein Ermittler erinnert sich an die Beschattung des Verdächtigen im Maddie-Fall 2018 in Braunschweig: „Er begann, mit uns Spielchen zu spielen.“

Immer schauerlicher werden die Mutmaßungen über die von dem 43-jährigen „Maddie-Verdächtigen“ begangenen Untaten. Doch schon vor knapp zwei Jahren hat die Braunschweiger Polizei den als gefährlich geltenden Sexualstraftäter zwischen zwei Inhaftierungen rund um die Uhr bewacht.

Eine verspätete Zustimmung Portugals als Auslieferungsstaat zur Vollstreckung einer Haftstrafe wegen Drogenhandels auf Sylt hatte dazu geführt, dass der Verdächtige im Vermisstenfall Maddie Ende August 2018 auf freien Fuß gesetzt werden musste.

Schon 2018 in Ermittlerkreisen den Verdacht auf Zusammenhang mit Maddie-Fall

Ein Beamter aus dem Ermittlerkreis erinnert sich im Gespräch mit unserer Zeitung an die Tage mit dem Mann, über den es in Ermittlerkreisen schon damals den Verdacht gab, die dreijährige Maddie aus dem Hotelzimmer in Praia da Luz entführt und möglicherweise noch weitere schwere Sexualverbrechen begangen zu haben.

Der Beschuldigte war im Juni 2017 von Portugal ausgeliefert worden, um eine vom Braunschweiger Amtsgericht 2016 verhängte Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu verbüßen. Zugleich hatte das Gericht Führungsaufsicht angeordnet. Die 15-monatige Strafe verbüßte er bis Ende August in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel.

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Ermittler: „Hielten ihn für sehr gefährlich“

Danach sollte in Deutschland eine weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen Drogenhandels – der Angeklagte hatte zwei Kilo Marihuana auf Sylt verkaufen wollen – vollstreckt werden. Doch wie aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (6 StR 41/20) hervorgeht, gab Portugal nicht rechtzeitig die Zustimmung. Der Mann musste zunächst entlassen werden – bis zu seiner erneuten Festnahme am 27. September 2018 in Italien mithilfe eines neuen europäischen Haftbefehls.

„Aus polizeilicher Sicht und sehr fundierten Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes hielten wir ihn aber für sehr gefährlich“, erinnert sich der Ermittler.

Nach dem Niedersächsischen Gesetz für Sicherheit und Ordnung habe die Braunschweiger Kripo den Beschluss erlassen, den Verdächtigen nach seiner Freilassung rund um die Uhr zu observieren. Die Braunschweiger hätten dazu das Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt um Amtshilfe gebeten. Mobile Einsatzkommandos der Bundesbehörde wie auch aus Niedersachsen seien an der Observation beteiligt gewesen.

Der Verdächtige habe allerdings bald bemerkt, dass er bewacht wurde. „Er begann Spielchen zu spielen, stieg zum Beispiel ein in die Straßenbahn und gleich wieder aus.“ Nachdem das MEK aufgeflogen sei, habe die Braunschweiger Polizei den Mann Tag und Nacht verfolgt, allerdings nicht mehr verdeckt, sondern offen. „Wir standen nachts vor seinem Haus, sind neben ihm hergegangen, wenn er unterwegs war, und haben mit ihm gesprochen.“ Die Beamten hätten ihm vermittelt: „Sie werden uns nicht los.“

Zuerst habe er verärgert reagiert, dann fand er sich mit der Situation, wie der Ermittler schildert, offenbar ab. „Ich habe zu ihm gesagt: Wir können es uns einfacher machen. ,Sagen Sie uns Bescheid, wohin sie wollen.’ Wir haben ihn zur Krankenkasse gefahren oder in die Innenstadt.

Der Fall Maddie McCann

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    Einmal hätten sie mitbekommen, dass der Verdächtige mit einem Linienbus nach Amsterdam habe fahren wollen. Wir haben ihn bis zur Haltestelle gebracht und sind dann dem Bus bis zur niederländischen Grenze gefolgt.“ Der Busfahrer habe Bescheid gewusst. Zeitgleich hätte sie über das BKA Kontakt zu den niederländischen Behörden aufgenommen, damit dortige Kräfte die Observation übernähmen. Als die Braunschweiger Kripo-Beamten kurz hinter der Grenze wendeten und wieder nach Deutschland zurückfuhren, wurde sie vom Bundesgrenzschutz gestoppt. Der kurze Aufenthalt hatte die Grenzschützer misstrauisch gemacht. „Sie hielten uns für Drogenschmuggler.“

    In Amsterdam sei der Verdächtige plötzlich verschwunden. „Gottseidank haben wir diese Information ans Einwohnermeldeamt weitergegeben.“ Die Behörde, lobt der Ermittler, habe flugs reagiert: Als sich wenige Tage später das Deutsche Konsulat in Mailand die Daten von Christian B. abfragte, informierte die Meldebehörde sofort die Polizei. Der Gesuchte habe in Italien einen neuen Reisepass beantragt. „Da begann bei uns die operative Hektik.“ Als der Verdächtige zwei Stunden später seinen Reisepass im Konsulat habe wollen, habe ihn bereits ein Sondereinsatzkommando erwartet.

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    Seitdem sitzt der Mann in Haft – zurzeit noch in Strafhaft wegen des Marihuana-Handels. Eine Verurteilung des Braunschweiger Landgerichts zu sieben Jahren Haft wegen der Vergewaltigung einer 72 Jahre alten Amerikanerin in Praia da Luz ist noch nicht rechtskräftig. Auch gilt noch die Rechtsfrage zu klären, ob der Prozess durch den europäischen Haftsbefehl gedeckt oder nach internationalem Recht unrechtmäßig war.

    Die Prozessberichterstattung gegen den 43-Jährigen finden Sie hier: