Braunschweig. Christoph Schenk beschreibt seine Erfahrungen in einem Buch. Bei der Lesung im BZV-Medienhaus muss er auch praktisch eingreifen.

Erfahren Sie, was aus einem Patienten geworden ist, den Sie ins Krankenhaus gebracht haben?

Das fragte ein Besucher der Lesung „Zwischen Leben und Tod“ von Dr. Christoph Schenk, Notarzt und Buchautor, im BZV-Medienhaus.

Von der Veranstaltung berichtet Karsten Mentasti

Auf Einsatzkleidung hatte Dr. Christoph Schenk an diesem Abend im Veranstaltungssaal des BZV-Medienhauses verzichtet. Der geborene Wolfenbütteler saß eher entspannt auf dem Podium an einem Tisch, trug nicht wie bei einem Einsatz als Notarzt Hose und Jacke in Orangerot und Gelb. Stattdessen hatte er T-Shirt und Trachtenjacke an, Jeans und grüne Turnschuhe. Sein Einsatzrucksack war zu Hause oder im Auto geblieben – obwohl er ihn fast gebraucht hätte...

Vor dem Unfallchirurgen und erfahrenen Notarzt, seit knapp einem Jahr auch Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Landkreis Harz, lag eine Ausgabe seines Taschenbuchs „Viva la Reanimation“ – es lebe die Wiederbelebung. Es ist eine Sammlung skurriler und kurioser Erlebnisse aus seinem beruflichen Alltag, mit mal lustigen, mal schockierenden Fakten und Begleitumständen, die der 54-Jährige aufgeschrieben hat und nun vor 120 Besuchern vorlas oder frei erzählte – und das Publikum damit fesselte. Fast täglich ist Schenk mit Rettungsassistenten und Notfallsanitätern im Einsatz im Landkreis Harz und in Salzgitter.

Armin Maus, Chefredakteur unserer Zeitung und Gastgeber, lobte den Autor für seine einfühlsame und detailreiche Erzählweise, in der Schenk auch unterhaltsame Akzente setze, wie bei einem Bericht über einen wehleidigen Heavy-Metal-Fan. Der fürchtete – Schenk beteuert, es habe sich so zugetragen – auf dem Wacken-Festival tränenreich eine Finger-Amputation, und wurde letztlich mit einem auf eine Schnittwunde geklebten Kinderpflaster als geheilt entlassen. Lacher im Saal.

Der nackte Sonderling

Doch schon die nächste Episode versetzte die Zuhörer in eine ganz andere, konträre Stimmung. Dabei wurde es ganz still, jeder malte die vorgelesene Geschichte in seinem Kopf mit eigenen Bildern aus und hoffte, nie selbst in die Lage zu geraten wie die Protagonisten aus dem Tagebuch des Doktor Schenk.

Da war der komplett nackte Sonderling mit goldenen Sternen auf dem Köper und undefinierbaren Schmerzen in der Brust, der schließlich in der Psychiatrie landete (Schenk: „Der Patient war mir komplett unheimlich“). Da war ein Einsatz mit einem Rettungshubschrauber in ein entlegenes Dorf, wo eine Frau in der 25. Schwangerschaftswoche bei einer Hausgeburt Zwillinge geboren hatte, bei denen trotz intensiven Einsatzes des Rettungsteams und eines zusätzlich eilig herbeigeflogenen Kinderfacharztes am Ende nur der Tod der beiden festgestellt werden konnte. „Mir schoss damals durch den Kopf: Scheiße, Medizin kann doch nicht alles!“, so der Notarzt.

Beinahe absurd war wiederum der Bericht über die geglückte Wiederbelebung eines Mannes, dessen Frau ungerührt wenige Meter entfernt auf dem Sofa saß, weiter Fernsehen schaute und die professionellen Lebensretter mit Kommentaren wie „Das lohnt sich doch eh nicht mehr“ überraschte.

Herzdruckmassage

Apropos Wiederbelebung: Das Team der Erste-Hilfe-Schule Marcus Backes aus Bad Harzburg zeigte den Besuchern in einer Lesepause, wie eine Herzdruckmassage funktioniert und dass die Angst, etwas falsch zu machen, unbegründet ist. „Alles ist besser, als bei vermutetem Herzstillstand nichts zu tun, denn dann ist der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit tot“, so Erste-Hilfe-Ausbilder Backes. Viele Besucher nutzten die Gelegenheit, bei einer der bereitgelegten Puppen eine solche Massage zu üben.

Nur kurz danach, als Christoph Schenk gerade eloquent seinen nächsten Einsatzbericht vorlesen wollte, mussten der Notarzt und die Ersthelfer-Ausbilder tatsächlich kurzfristig aktiv werden, weil ein Zuhörer umgekippt war – anscheinend war bei ihm der Kreislauf abgesackt. Am Tag des Notrufs, dem 11. 2., war die entsprechende Nummer schnell gewählt, so dass sich diensthabende Braunschweiger Rettungshelfer weiter professionell um den Mann kümmerten, der schon wieder auf eigenen Beinen den Saal verlassen hatte.

Spenden für Krankenhausclowns

Meist weiß ein Notarzt nicht, wie es mit einem Patienten weitergeht, wenn er ihn in der Klinik abgeliefert hat – „aber ich frage schon manchmal nach, was aus dem einen oder anderen geworden ist, einerseits, weil ich besondere Erlebnisse notiere, andererseits aber auch, um immer wieder dazuzulernen“, beantwortete der Mediziner eine Frage.

Gesammelt wurde während der Lesung übrigens für den Verein „Weggefährten“, einer Elternhilfe zur Unterstützung krebskranker Kinder und ihrer Familien. Unter anderem finanziert der Verein mit Spenden Krankenhausclowns.

Das Buch ist im rororo-Taschenbuchverlag erschienen und kostet 10 Euro.