Hannover. . Verbände fordern ein Ende des weit verbreiteten Beitragssystem. Es sei ungerecht, dass Instandhaltungskosten auf Bürger abgewälzt werden.

Was ist daran gerecht, wenn einzelne Anlieger für die Erneuerung öffentlichen Eigentums zahlen sollen? Zusätzlich betrifft es auch nur Gemeindestraßen, und nur in Kommunen, welche die Straßenausbausatzung anwenden. Es gleicht einem Lotteriespiel, wo mein Haus steht…

Die Frage stellt Maren Zacharias auf unseren Facebook-Seiten.

Dazu schreibt Michael Ahlers

„Straße saniert, Bürger ruiniert – für die ersatzlose Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“ – auf diesen knappen Nenner brachte im Mai Niedersachsens FDP-Landtagsfraktion das Thema Ausbaubeiträge in einem Antrag für das Parlament. Es war nicht ihr erster.

Am Freitag nun versuchten die Vertreter von fünf Verbänden mit einer gemeinsamen Erklärung und Pressekonferenz, die Dampfwalze „Strabs“ ebenfalls noch zu stoppen. Wie viele Bürger, wie die Bürgerinitiativen im Land fühlen sich auch Bund der Steuerzahler, der Verband Haus & Grund und weitere Mitstreiter politisch überrollt und niedergewalzt. Und das von der satten Mehrheit, die SPD und CDU im niedersächsischen Landtag nun einmal haben. Bei der jüngsten Anhörung waren die Verbände nicht einmal mehr geladen, Vertreter von Bürgerinitiativen sowie der Kommunalen Spitzenverbänden durften wenigstens gerafft noch einmal vortragen. Doch das Gefühl, dass die Sache längst gelaufen war, verdarb die Stimmung gründlich.

Glück oder Pech beim Wohnort

„Aus Sicht der betroffenen Anlieger ist es Glückssache oder Pech, ob man in einem Ort wohnt, der die Beiträge erhebt, oder in einem Nachbarort, der sie nicht erhebt“, sagte Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler beim gemeinsamen Auftritt mit Vertretern von Haus & Grund, des Verbandes Wohneigentum Niedersachsen, des Deutschen Mieterbundes Niedersachsen-Bremen sowie des Landvolks Niedersachsen.

Hans Reinold Horst von Haus & Grund betonte weiter, es sei ungerecht, dass über die Beiträge allzu oft die vernachlässigte Instandhaltungspflicht der Gemeinden auf die privaten Eigentümer abgewälzt wird. „Damit werden öffentliche Aufgaben, die ohnehin schon durch Abgaben, Gebühren, Beiträge und Steuern finanziert wurden, den Bürgern erneut privat in Rechnung gestellt“, so Horst. Zu den Kritikpunkten der vielen Gegner gehört, dass für das Erschließen der Straßen ja auch bereits bezahlt wurde.

Die Bürgerinitiative „Weg mit alter Strabs“ in Wendeburg im Landkreis Peine bei einer Demo im November 2018.
Die Bürgerinitiative „Weg mit alter Strabs“ in Wendeburg im Landkreis Peine bei einer Demo im November 2018. © Bürgerinitiative

Die Möglichkeit, Beiträge zu erheben, ist den Kommunen im Paragraf 6 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes gegeben. Der Widerstand gegen die Straßenausbaubeiträge hat in den vergangenen Jahren allerdings landesweit deutlich Fahrt aufgenommen. Im Landtag hat besonders die FDP das Thema vorangetrieben, die CDU flirtete ebenfalls mit dem Protest. Der AfD-Abgeordnete Peer Lilienthal betonte in einer Parlamentsdebatte ebenfalls, nicht nur die zur Kasse gebetenen Anlieger nutzten die ausgebauten Straßen. Der angebliche wirtschaftliche Vorteil für die Herangezogenen sei eine Fiktion, sagte Verbandschef Horst am Freitag.

Ratenzahlung künftig möglich

„Eine ersatzlose Abschaffung halte ich für den falschen Weg“, hatte dagegen Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Linie der Großen Koalition beschrieben. Statt dessen haben SPD und CDU ein Paket zur Reform der Regelungen auf den Weg gebracht. Künftig soll es möglich sein, die fälligen Beiträge in Raten über einen Zeitraum von 20 Jahren abzuzahlen. Außerdem sollen unter anderem „Eckgrundstücksvergünstigungen“ festgeschrieben werden. Die Kommunen sollen außerdem den sogenannten beitragsfähigen Aufwand geringer ansetzen und nicht nur die Anlieger bei den Beiträgen einbeziehen können. Zudem soll mindestens drei Monate vor Baubeginn über die voraussichtliche Beitragshöhe informiert werden. Mehr Transparenz für die Bürger hatten insbesondere die Grünen gefordert. „Wir werden das Kommunalabgabengesetz ändern und die Interessen der Anlieger besser vertreten“, versprach der CDU-Generalsekretär und Landtagsabgeordnete Kai Seefried.

„Es handelt sich im wesentlichen um Kann-Bestimmungen“, warnte nun Zentgraf vom Bund der Steuerzahler. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass die Kommunalaufsicht Kommunen dazu drängen könnte, die Beiträge zu erheben - unter Verweis auf Einnahmemöglichkeiten. Zentgraf fordert eine Finanzierung des Straßenausbaus aus allgemeinen Steuermitteln. „Es ist doch nicht so, dass die Kassen leer wären“, sagte Zentgraf zur allgemeinen Finanzsituation der Gemeinden. Wo diese zu finanzschwach seien, stehe aber auch das Land in der Pflicht.

Schon im Juni könnte Entscheidung fallen

Im Regierungslager war dagegen gewarnt worden, bei einem Streichen der Strabs könnten hohe Kosten auf das Land zukommen, das dann einspringen müsse. Die FDP hatte 50 Millionen Euro dafür in den Landeshaushalt einstellen wollen. „Diese 50 Millionen Euro sind nicht ehrlich“, so der Grüne Belit Onay. Wenn das Land erst für die Kosten eintrete, werde es ein anderes Anspruchsdenken geben. Das sieht auch der SPD-Abgeordnete Bernd Lynack so. Verwiesen wird insbesondere auf Bayern, das die Beiträge abschaffte und nun eine solche Finanzdebatte führen muss. Zentgraf sieht die Verantwortung zunächst einmal in den Gemeinden.

Schon im Juni könnte im Landtag allerdings die Entscheidung fallen – im Sinne der Koalition. Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, nannte die Beiträge ein „Instrument der Straßenfinanzierung“, das man gerne beibehalten würde. Dass auch die Gerichte bisher eher Rückendeckung für die Beiträge geben, liegt laut Haus&Grund-Mann Horst schlicht an veralteten Gesetzen – auch wenn Horst das etwas höflicher formuliert. Zentgraf sprach, was die Koalitionspläne angeht, von einem „faulen Kompromiss, um die Straßenausbaubeiträge aus der Schusslinie zu bringen“.