Braunschweig. Der Vorfall im Kreis Uelzen wirft die Frage auf: Sind Windräder sicher genug? Der TÜV fordert bessere Prüfungen.

Das ist immer noch besser als ein undichter Castor.

Das schreibt Dirk Sander auf unseren Facebookseiten.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle.

Nach dem Abbruch eines 30 Meter langen Windrad-Rotorblatts im Landkreis Uelzen ist die Ursache weiter unklar. Peter Alex, Sprecher des Betreibers Energiekontor, kündigte an, dass das Unternehmen einen Gutachter beauftragen wird. Der Vorfall vom Wochenende ähnelt dem im vergangenen Jahr bei einer Anlage in Brandenburg. Auch damals brach ein riesiges Rotorblatt ab. Beide Male wurde niemand verletzt.

Und doch werfen die Vorfälle die Frage nach der Sicherheit von Windparks auf. Schließlich soll die Windkraft das Rückgrat der Energiewende bilden. Auf die Energiewende spielt auch unser Leser an. Die Atomkraft hat 2022 ausgedient. Bereits jetzt gibt es in Deutschland etwa 30.000 Windräder – Tendenz steigend. Alleine in unserer Region werden statt der bisherigen 390 Windräder in wenigen Jahren etwa 600 Anlagen stehen.

Windräder können auch abbrennen. Im November 2010 etwa stand ein Windrad bei Büddenstedt im Landkreis Helmstedt in Flammen. Der Motor fing damals in 100 Metern Höhe Feuer. Ein technischer Defekt war die Ursache. In jüngster Vergangenheit ist kein ähnlicher Fall in unserer Region bekannt.

Anders im restlichen Niedersachsen. Im emsländischen Rhede brannte eine Windkraftanlage, ein Rotorblatt stürzte danach zu Boden. Die Feuerwehr musste das Windrad kontrolliert abbrennen lassen. Das war einer von mindestens drei Unfällen mit Windrädern allein 2018 in Niedersachsen, wie die windenergiekritische Initiative Vernunftkraft gezählt hat.

Solche Vorfälle könnten seltener vorkommen, wenn die Windräder besser kontrolliert würden, sagte der TÜV-Verband. „Erneuerbare Energien sind unsere Zukunft. Umso wichtiger ist es jetzt, Windräder mit regelmäßigen Prüfungen sicherer zu machen, um die Menschen besser zu schützen und die Akzeptanz für die Erneuerbaren zu erhalten“, so ein Sprecher gegenüber einem Radiosender.

Er warnte: Es sei nur eine Frage der Zeit, bis bei Windrad-Havarien Menschen zu Schaden kommen. Denn die Anlagen würden immer näher an Straßen und Siedlungen rücken. In unserer Region stehen neue Windräder 1000 Meter von Siedlungen entfernt, bei einzelnen Häusern sind es 500 Meter.

Der TÜV-Verband fordert von der Bundesregierung, Windkraftanlagen in den Regelungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung aufzunehmen. Sie müssten alle zwei Jahre nach verbindlicheren Vorgaben überprüft werden. Bislang gilt: Anlagen, die vor 2004 gebaut wurden, werden nach einer Richtlinie aus dem Jahr 1993 geprüft, die keine wiederkehrenden Prüfungen vorsieht, so der TÜV-Verband. Neuere Anlagen müssen zwar alle zwei Jahre überprüft werden. Bei regelmäßiger Wartung werde der Zeitraum aber auf vier Jahre verlängert. Dieser Zeitraum sei zu lang.

Die Forderung des TÜV nach mehr Prüfungen wies Energiekontor-Sprecher Alex trocken zurück: „Auch der TÜV will Geld verdienen.“ Sein Unternehmen sei seit 29 Jahren am Markt. Etwa 350 Windräder betreibt Energiekontor. Einen Brand habe es bei den Anlagen in all den Jahren noch nie gegeben. Dass Rotorblätter abbrechen, sei zweimal vorgekommen: wie erwähnt bei Uelzen und in Brandenburg. „Sonst noch nie“, sagte Alex. Das liege auch an den intensiven Wartungen. „Zweimal pro Jahr prüfen wir jedes Windrad“, sagte Alex.

Laut Energiekontor sind die Windräder im Schnitt acht Jahre alt. Doch Alex gab auf Nachfrage zu: Etwa ein Drittel sind 15 Jahre und älter. Umso länger die Lebensdauer eines Windrades, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Vorfalls wie in Uelzen oder in Büddenstedt im Kreis Helmstedt.

Stefan Barth, Geschäftsführer des Zentrums für Windenergieforschung in Oldenburg, schätzt die Gefahr solcher Vorfälle als „extrem gering“ ein. Die Gondeln der Windkraftanlagen seien komplexe Maschinen, die wie jedes andere technische Gerät in Brand geraten können. Durch die Gondeln fließe immens viel Strom. Laufen Getriebe oder Bremsen heiß, könne das zum Brand führen. Aber auch ein Blitzeinschlag könne trotz Sicherheitsvorkehrungen ein Feuer in der Anlage entfachen – so wie bei jedem Haus. „Vollkommen fehlerfrei lässt sich nichts bauen“, so Barth. Eine absolute Sicherheit könnten auch Windräder trotz ausgereifter Technik und Wartung nicht bieten.

Dass ein Brand bei einem Windrad so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehe, sei leicht zu erklären. Die Flammen und der Rauch seien weithin sichtbar. Der Feuerwehr bleibe nichts anderes übrig, als das Gelände abzusperren und das Windrad kontrolliert abbrennen zu lassen. Barth: „Die Drehleitern der Feuerwehr sind nun mal meistens nur 30 Meter hoch – Windräder 100 Meter und höher.“