Braunschweig. Der ADAC zählt 2018 gut 745.000 Staus in Deutschland – so viele wie nie zuvor.

Gefühlt war ich bei jedem Stau dabei.
Das bemerkt Holger Busse auf unseren Facebookseiten.

Zum Thema recherchierten Andre Dolle und Jens Gräber.

Marode Straßen, Baustellen und viele Unfälle: Die Autobahnen in Deutschland stellen die Verkehrsteilnehmer immer mehr auf die Geduldsprobe. Das zeigt die Staubilanz des ADAC. Mehr als 2000 Staus pro Tag hat der Verkehrsclub im Schnitt gezählt. In der Summe kam er auf 745.000 – und damit auf ein Plus von drei Prozent im Vergleich zu 2017.

Die gemeldeten Staulängen wuchsen um rund fünf Prozent und summierten sich auf etwa 1,5 Millionen Kilometer – „eine Blechschlange, die etwa 38 Mal um die Erde reichen würde“, wie der ADAC am Donnerstag in München mitteilte. Immerhin blieb die Zeit, in der die Räder stillstanden, mit rund 459.000 Stunden auf Vorjahresniveau.

Für die Zunahme an Staus gibt es zwei Gründe: Zum einen ist die Fahrleistung um 0,4 Prozent gestiegen – also die Strecke, die jedes Auto pro Jahr zurücklegt. Das klingt erstmal wenig. Doch laut Kraftfahrt-Bundesamt waren bereits vor einem Jahr 64 Millionen Autos in Deutschland gemeldet, Tendenz steigend. Wenn die alle im Schnitt auch nur einige Kilometer mehr gefahren werden, wird es auf den Straßen automatisch enger. Zum anderen kommt hinzu, dass es im vergangenen Jahr auf den Autobahnen rund drei Prozent mehr Baustellen gab. Der Bund investiert wieder mehr mehr in das Autobahnnetz. Das ist Fluch und Segen zugleich.

Staugrafik klein

In Niedersachsen ist die Zunahme der Staus besonders hoch.Hier gab es vergangenes Jahr 27,8 Prozent mehr Staus. In absoluten Zahlen sind das 155.250 Kilometer. Alleine auf der A2 waren es 40.294 Kilometer. Unfälle, Pendler, Baustellen. ADAC-Sprecherin Alexandra Kruse sagte: „Die A2 ist am Rande ihrer Kapazität.“

Eine kleine Spielerei: Rechnerisch standen Autofahrer vergangenes Jahr dort 429 Tage im Stau! Der staureichste A2-Abschnitt war erwartungsgemäß aufgrund einer monatelangen Baustelle im Raum Lehrte. Zwischen Hämelerwald und Lehrte-Ost staute sich der Verkehr auf 3109 Kilometer, immerhin 661 Stunden, also fast 28 Tage.

Den Spitzenplatz unter Niedersachsens Magistralen belegt jedoch die A7. Hier gab es aufgrund zahlreicher Baustellen noch einmal 3400 Stau-Kilometer mehr als auf der A2. ADAC-Sprecherin Kruse sagte: „Die A7 ist als Nord-Süd-Ferienroute immer ganz stark befahren. Wenn da wie im Sommer viele Baustellen sind, macht das gleich sehr viel aus.“ In diesem Jahr wird sich nichts ändern: Es wird im Sommer erneut viel gebaut auf der A7.

SPD und CDU haben in Niedersachsen das Baustellenmanagement auf den Kopf gestellt. Für die A2 zum Beispiel gibt es eine Managerin, die die Abläufe überwacht. Das sei zwar der Schritt in die richtige Richtung, Kruse hält das aber nicht für ausreichend.

Noch deutlicher wird Niedersachsens Ex-Verkehrsminister Jörg Bode (FDP). „Die Neukonzeption der Landesregierung ist krachend gescheitert“, sagte er. Das zeige die Staubilanz des ADAC eindeutig. Der Landtagsabgeordnete Bode führt Excel-Tabellen, in denen er seit Jahren die Bilanzen des Verkehrsclubs speichert. Er resümierte: „Seit 2015 haben die Staus in Niedersachsen um 82 Prozent zugelegt.“ Das sei so viel wie in keinem anderen Bundesland.

Bode übt trotz der Neukonzeption eine Fundamentalkritik an der rot-grünen Landesregierung – und preist das System in Bayern. „Die Bayern planen Baustellen ganzheitlich. In Niedersachsen handelt es sich um Ad-hoc-Maßnahmen.“ In Bayern gebe es vor Baustellen mehr Hinweisschilder – auch digital, um auf den Verkehr reagieren zu können. Die Spuren in Baustellen seien breiter. „All das sorgt für weniger Unfälle in und vor den Baustellen“, sagte Bode.

Staugrafik groß

Der Abgeordnete brachte erneut 24-Stunden-Baustellen auf der A 1, der A 2 und der A 7 ins Spiel. Das hatte die FDP im vergangenen Jahr bereits per Antrag in den Landtag eingebracht – und war am Veto von SPD und CDU gescheitert.

Die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr verteidigte sich nach Horror-Unfällen im Bereich von Baustellen auf der A2 bereits mehrfach.Als es im August an mehreren Tagen hintereinander zu schweren Unfällen mit Todesfolge kam, sagte Friedhelm Fischer, der für die A2 zuständige Chef des Geschäftsbereichs Hannover der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, bereits: „Wir schreiben äußerst knappe Bauzeiten aus.“ Firmen würden 12 bis 14 Stunden und zum Teil auch nachts arbeiten. „Für mehr fehlt Personal.“ Die Forderung der FDP sei aufgrund des Fachkräftemangels nicht umsetzbar.

Bode lässt das nicht gelten. In Bayern seien Nachtbaustellen möglich, sagte er. „Warum also nicht bei uns in Niedersachsen?“ Die Bayern hätten die Staus in der Bilanz des ADAC nun schon zum zweiten Mal hintereinander reduziert. Allerdings liegt der Freistaat immer noch weit vor Niedersachsen.

Wen es trösten sollte: Rechtzeitig ihren Toilettenstopp machen sollten Autofahrer vor allem in Nordrhein-Westfalen: Gut ein Drittel (35 Prozent) aller Staus mit einer Gesamtlänge von 486 000 Kilometern entfielen auf Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland.

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