Braunschweig. . Störungen an den Nadelöhren in Hannover und Helmstedt zeigen erneut, wie anfällig das Netz der Deutschen Bahn ist.

Es sollte sich mal darum gekümmert werden, dass ein Bus fährt. Manche stehen hier schon drei Stunden. Danke, Deutsche Bahn, für nichts.

Das schreibt Benno Brauckmann auf unseren Facebookseiten.

Zum Thema recherchierten Andre Dolle und Michael Strohmann.

Der Hauptbahnhof in Hannover ist ein wichtiger Knotenpunkt für ganz Deutschland. Wenn dort ein Stellwerk ausfällt, ist das folgenreich. Das war am Sonntag so. Das war am frühen Dienstagmorgen schon wieder so. Bereits Anfang Dezember sorgte ein Kabelbrand für Chaos am Hauptbahnhof in Hannover.

Ein neuralgischer Punkt für den Güter- und Fernverkehr ist der Bahnhof in Helmstedt. Er ist Teil einer wichtigen Ost-West-Achse zwischen Hannover und Magdeburg. Für den Bahnverkehr war die Oberleitungsstörung in Helmstedt nach der Stellwerk-Störung in Hannover am Dienstag der zweite gravierende Ausfall. Die Störungen in Hannover und Helmstedt sorgten für zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen von bis zu anderthalb Stunden. Die Bahn musste den Verkehr umleiten. In beiden Fällen musste die Bahn Busse als Ersatzverkehr bereitstellen. Auch das funktionierte nicht immer reibungslos. Unser Leser war dementsprechend verärgert.

In Hannover bildeten sich erneut lange Schlangen vor den Info-Ständen. Viele Fahrgäste machten ihrem Unmut über die sozialen Netzwerke Luft. Lars Eilenstein zum Beispiel schrieb: „Leider passieren diese technischen Pannen in Hannover in letzter Zeit überdurchschnittlich häufig. Und das sollte nun tatsächlich nicht sein. Wenn mal was kaputt ist, o. k. Aber nicht in dieser Häufigkeit. Das ist nicht in Ordnung.“

Auch in der Bahnhofshalle in Helmstedt hielten sich am Nachmittag immer wieder Reisende auf, die per Handy oder am Schalter des Reisezentrums der Bahn zu klären versuchten, wie ihre Weiterreise aussehen könnte. Ihre Zahl lag zeitweilig immerhin bei bis zu 30.

Betroffen war indirekt auch der Regionalverband Großraum Braunschweig, der für den Nahverkehr zwischen Harz und Heide verantwortlich ist. Sprecherin Gisela Noske wollte die Pannen bei der Bahn nicht bewerten. Sie bestätigte aber, dass zahlreiche Pendler unter den Störungen leiden mussten. Die Westfalenbahn betreibt für den Regionalverband unter anderem die Strecke zwischen Hannover und Braunschweig. Es kam zu Verspätungen.

Deutlicher wurde Björn Gryschka auf Anfrage. Der niedersächsische Landesvorsitzende der Interessenvertretung Pro Bahn kritisierte die zum Teil veraltete Technik der Deutschen Bahn. Am und um den Hauptbahnhof in Hannover habe die Deutsche Bahn zwar im Vorfeld der Expo 2000 massiv investiert. Das sei aber auch schon wieder gut 20 Jahre her.

Gryschka sieht außerdem ein Problem in der Zentralisierung der Stellwerke. Sieben große Stellwerke gibt es in Deutschland. Hannover ist eines davon. Hannover sei auch einer der fünf wichtigsten Knotenpunkte in Deutschland. Allerdings seien diese elektronischen Stellwerke immer häufiger mit der Regelung des Bahnverkehrs in Deutschland überfordert. Zu komplex ist mittlerweile das System. Laut Gryschka geschieht die Umrüstung der elektronischen Stellwerke in digitale Stellwerke zu langsam. Derzeit laufen nur die Stellwerke in Annaberg-Buchholz und Warnemünde digital.

Gryschka übte eine Fundamentalkritik. Er sagte: „Die Bahn muss allgemein wieder mehr in die Robustheit ihrer Systeme investieren.“ Außerdem fordert er speziell für Hannover ein neues Konzept für Störfälle wie die am Dienstag und am Sonntag. Die Ausweichbahnhöfe lägen einfach zu weit auseinander – und teils zu weit vom Hauptbahnhof entfernt.

Eine Bahn-Sprecherin wies die Forderung als unpraktikabel zurück. Da die Technik des Stellwerks in Hannover zeitweise defekt war, hätten etliche Bahnhöfe gar nicht angefahren werden können. Sie sagte unserer Zeitung: „Außerdem müssen Bahnhöfe gewählt werden, in denen die Züge vollständig am Bahnsteig halten können und gegebenenfalls auch wieder zurückfahren können. Da ICE Züge 400 Meter lang sind, müssen natürlich dafür geeignete Bahnhöfe ausgewählt werden.“

Die Bahn-Sprecherin wies Gryschkas Kritik zurück, das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren nicht genug investiert. Sie sagte: „Die Deutsche Bahn hat 2018 für den Modernisierungskurs der Infrastruktur eine Rekordinvestition von rund 490 Millionen Euro für das bestehende Schienennetz und Bahnhöfe in Bremen und Niedersachsen aufgewendet.“ Mehr als 180 Kilometer Gleise, 210 Weichen und 16 Brücken seien erneuert worden. Außerdem habe die Bahn in mehr als 50 Bahnhöfen in Niedersachsen und Bremen investiert. Die Sprecherin erklärte: „Auch 2019 setzt die Bahn ihren Modernisierungskurs für das Schienennetz und die Bahnhöfe fort.“

Dem Fahrgastverband Pro Bahn reicht das angesichts des Investitionsstaus nicht aus. Gryschka sagte unserer Zeitung: „Die Bahn hat sich kaputtgespart. Deshalb ist das Netz so anfällig geworden.“ Es könne künftig nur noch nach der Devise gehen, in den Erhalt von Gleisen, Weichen, Brücken und Bahnhöfen zu investieren statt in den Aus- oder Neubau.