Bei der Regionalkonferenz diskutierten Experten über Tests mit intelligenter Wohntechnik in Braunschweig, Seesen und Goslar.

Die Nachbarschaften werden kleiner. Kann man das mit technischen Dienstleistungen ausgleichen? Oder welche Lösungen gibt es, damit sich Nachbarschaften wieder verfestigen?

Das fragte Rüdiger Warnke die Teilnehmer des Panels Wohnen auf der Regionalkonferenz.

Die Antwort recherchierte
Marieke Düber.

Braunschweig. Menschlichkeit kann nicht durch Technik ersetzt werden. In diesem Punkt war Torsten Voß, Geschäftsführer der Nibelungen-Wohnbau-GmbH in Braunschweig, deutlich. Nachbarschaften seien elementar, und es sei zudem gut, wenn andere Hausbewohner aufmerksam sind und am Leben der anderen teilhaben, gerade bei alten oder kranken Menschen.

Was die Pflege angeht, seien Angehörige immer noch die erste Wahl für die Versorgung dieser Menschen. Allerdings sei das nicht immer möglich, und manchmal auch von den Betroffenen selbst gar nicht unbedingt erwünscht, sagte Voß. Und Nachbarschaften seien heute auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren, der Zusammenhalt fehle immer mehr – man lebe stattdessen aneinander vorbei.

Innovative Wohntechnik, die Menschen in ihrem Alltag begleitet, sollte Voß zufolge aber auch die Menschen nicht ersetzen, sondern quasi als eine Verlängerung des betreuten Wohnens funktionieren: „Sie kann unterstützen, wenn man keine anderen Kontakte hat, und das ist eben auch der Trend.“

Wie kann innovative Technik zu Hause also den Menschen in ihrem Alltag helfen und dafür sorgen, dass sie möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben führen? Um diese Fragen drehte sich alles während des Panels „Wohnen“ bei der Regionalkonferenz „Smart Region: Wir gestalten den digitalen Wandel“. In die Überlegungen spielte vor allem der demografische Wandel mit rein, durch den die Zahl der Älteren in der Bevölkerung stetig zunimmt.

Verbesserungen sollen Wohnungen schaffen, die ihre Bewohner in ihrem Alltag unterstützen und die auf deren Bedürfnisse ausgelegt sind. Damit ist allerdings nicht die Idee eines sogenannten „Smart Homes“ gemeint. Stattdessen wurde das Zuhause in dem Panel als ein Raum begriffen, der gleichzeitig eine diagnostische wie auch therapeutische Umgebung bieten kann und auf die Bedürfnisse von alten, kranken und pflegebedürftigen Menschen ausgerichtet ist.

Ambient Assisted Living, also Altersgerechte Assistenzsysteme für ein unabhängiges Leben oder kurz AAL, sei das Thema, um das es hier gehe, meinte Voß. Einen kleinen Dämpfer verpasste er der Idee aber gleich am Anfang seines Impulsvortrages: „Unsere Wohnungen haben immer noch den gleichen Intelligenzgrad wie 300 Meter Feldweg“, lautete die ernüchternde Feststellung. Sogenannte Projektwohnungen, in denen der Standard eines intelligenten Zuhauses bereits getestet wird, sind jedoch bereits Realität. „Das wird jetzt aber kein Verkaufsgespräch“, erklärte Voß, noch könne man keine Wohnungen dieser Art anbieten. Nur sechs Einheiten seien in der Bochumer Straße in Braunschweig bereits jetzt mit der AAL-Techniken ausgestattet.

Bei den Wohnungen der Zukunft wird die Technik nicht in die Steckdose gesteckt, sondern direkt hinter ihr verbaut. „Sie sind von sich aus intelligent, sie brauchen kein Smartphone zum Steuern und die Daten bleiben in der Wohnung“, erklärte Torsten Voß. Ein weiterer Vorteil: Die Technik ist robuster, hat eine deutlich längere Haltbarkeit als Smart-Home-Technologien, laut Voß soll die Wohnungs-Hardware mindestens 30 Jahre, wenn nicht sogar länger aktuell bleiben.

Braunschweig ist aber nicht der einzige Ort, an dem AAL-Techniken in Wohnungen praktisch erforscht werden. Katrin Oswald von der Baugenossenschaft Wiederaufbau stellte ebenfalls ihre aktuellen Projekte vor. In Seesen und Goslar setzt man auf neue Techniken, die in der Ausstattungen der Wohnungen integriert sind.

Der Unterschied zwischen Voß und Oswald: Während bei der Nibelungen-Wohnbau-GmbH Forschung betrieben und der Blick gemeinsam mit Studenten in die Zukunft gerichtet wird, setzt die Baugenossenschaft Wiederaufbau bei ihren Projekten auf bereits bestehende Technik, die es derzeit auf dem Markt gibt. Allerdings müsse diese noch weiter optimiert und auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt werden. „Nicht der Nutzer soll sich an das System anpassen, sondern andersherum“, sagte Oswald. Auch gebe es noch Fragen zu klären, wie beispielsweise zum Datenschutz: „Sie könnten jemanden überwachen und einen Kontrollanruf auslösen, wenn er nicht aufgestanden ist – aber sollte das so funktionieren?“, fragte sie.

Mehr als ein Zuhause aus den Räumen zu machen, das ist das Ziel, das bei intelligenten Wohnungen angestrebt werden sollte, erklärte Prof. Dr. Rheinhold Haux von der Technischen Universität Braunschweig den Plan, den man in Zukunft verfolgen sollte. Die Wohnungen werden eine wichtige Rolle im Leben ihrer Bewohner spielen, da ist sich der Wissenschaftler sicher. Sie sollen zu einem Objekt werden, das viel weiß, wenig sagt, aber dennoch immer da ist. „Fast wie ein Diener des Bewohners“, sagte Haux.

Er führte die verschiedenen Möglichkeiten aus, an denen die Technik konkret ansetzen könnte, um das Wohnen zu bereichern. Seien es Sensoren, die Stürze der Bewohner registrieren und einen Hilferuf senden können, oder auch eines, das den Schlaf überwacht und so wichtige Informationen beispielsweise auch an den Pflegedienst weitergibt, die Technik solle in Zukunft unterstützend sowohl für den Bewohner als auch für Angehörige oder auch Pflegekräfte wirken.

Haux sprach über Fälle, die er selbst in seinem Bekanntenkreis erlebt hat, bei denen Menschen beispielsweise in Ohnmacht gefallen oder in depressive Phasen zurückgefallen sein. Bei beiden sei zwar noch rechtzeitig Hilfe gekommen, dennoch sei die Situation in beiden Fällen sehr bedrohlich gewesen. Wären die Wohnungen intelligent gewesen, meinte Haux, hätte man den Menschen auch schon früher helfen und eingreifen können – indem die Technik einen Hilferuf aussendet, der von anderen Menschen gehört wird. Bis das allerdings Standard wird, dürfte noch einiges an Forschung nötig, sein darin waren sich die Experten einig.