Braunschweig. . Die Opposition im Bundestag malt ein Schreckenszenario. Auch in Niedersachsen steht die Reform von Minister Scholz in der Kritik.

Stehen Aufwand und Ertrag für den Staat (der keine Steuernot leidet) beziehungsweise Be- oder Entlastung der Bewohner in einem vertretbaren Verhältnis zueinander?

Das fragt unser Leser Lutz Tantow aus Braunschweig.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Eine Vereinfachung ist diese Steuerreform wohl nicht. Das merkt auch unser Leser zwischen den Zeilen an. Die von Millionen Bürgern mit Grundstücken und Immobilien zu zahlende Grundsteuer ist schon heute eine komplizierte Sache – nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts musste eine Reform her. Diese diskutierte Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Mittwoch intensiv mit seinen Kollegen aus den Ländern. Wesentliche Teile der Reform sickerten schon zuvor an die Medien durch. Sie sorgt für viel Zündstoff.

Kommunen bauen Straßen, die zu den Häusern führen, erschließen Baugebiete, sichern die Wasserversorgung und stellen Straßenlaternen auf. Die Eigentümer sollen diese Lasten über die Grundsteuer mitzahlen. Über die Nebenkosten sind auch die Mieter beteiligt.

Scholz will eine Lösung mit allen Bundesländern, die drei Kriterien erfüllt: eine rechtssichere Bemessungsgrundlage sowie eine Reform, die sozial gerecht ist und weiterhin ein Aufkommen von 14 Milliarden Euro für die Kommunen sichert.

Die Reform soll bis Ende 2019 von Bundestag und Bundesrat beschlossen sein, 2020 sollen die Bürger erstmals die Steuererklärung mit den Angaben zur neuen Grundsteuer ausfüllen – aber sie soll erst ab 2025 in der neuen Form kassiert werden, um Zeit für den Aufbau des Systems und zur Prüfung der Angaben zu haben. Denn es geht um Angaben für 36 Millionen Häuser und Grundstücke, die neu bewertet werden müssen. Der Einheitswert soll sich künftig zusammensetzen aus: Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und regionaler Bodenrichtwert.

Bernd Meier, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, erkennt in der Reform vor allem bürokratische Hürden und Lasten – für Vermieter, Mieter und Betriebe. Höhere Ladenmieten und Steuerbelastungen für Unternehmen drohten. „Im internationalen Wettbewerb brauchen wir Steuersenkungen, keine Steuererhöhungen“, sagte er. Finanzminister Scholz versprach am Mittwoch vor TV-Kameras, dass die Grundsteuer-Reform nicht für steigende Mieten und auch nicht für mehr Bürokratie sorgen werde. Meier sagte dazu: „Das Gegenteil wird wohl der Fall sein.“

Von der Opposition im Bundestag erntete Scholz bereits massive Kritik. Der Wohnungsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Scholz-Modell ist ein Bürokratiemonster und wird Wohnen nur noch teurer machen.“

Auch in Niedersachsen lassen Experten kaum ein gutes Haar an der Reform. Andreas Meist, Geschäftsführer von Haus und Grund in Braunschweig, erklärte, dass die Große Koalition all das wieder einstampfe, was sie mit der Mietpreisbremse erreichen wollte: Dass die Mietsteigerungen in angesagten Wohngegenden im Zaum gehalten werden.

Auch Dirk Mende, Geschäftsführer des Städtetags in Niedersachsen, sieht die Reform grundsätzlich kritisch. „Es ist ein unglaublicher Aufwand, der losgetreten wird“, sagte er. Im Gegensatz zu anderen hält er den Aufwand unter dem Strich aber für gerechtfertigt. Denn er sagte: „Natürlich muss man an der Grundsteuer festhalten, denn sie ist eine ganz zentrale Einnahme für die Kommunen.“

Die Grundsteuer deckt 15 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen – nach der Gewerbesteuer und der Einkommenssteuer ist es die drittwichtigste Einnahmequelle von Städten und Gemeinden.

Auch die Städte Braunschweig und Wolfsburg betonen, wie wichtig die Grundsteuer für sie ist. Ein Sprecher der Stadt Braunschweig sagte: „Für uns steht im Vordergrund, dass auch auf neuer Grundlage die wichtigen Einnahmen aus der Grundsteuer in unveränderter Höhe zur Verfügung stehen.“ Ähnlich drückte sich auch eine Sprecherin der Stadt Wolfsburg aus. Sie fügte hinzu: „Die Regelung muss sozialverträglich sein.“

Jede Kommune kann den Hebesatz und damit die tatsächliche Höhe der Steuer selbst bestimmen – im Ruhrgebiet ist der Hebesatz besonders hoch, da viele Kommunen hier besonders klamm sind.

Randolph Fries, Chef des Mieterbunds Niedersachsen, fordert, dass die Grundsteuer gar nicht mehr auf die Mieter umgelegt werden dürfe. „Nur so kann verhindert werden, dass die Reform die Mieten, insbesondere für Wohnraum in Großstädten, noch unerschwinglicher macht.“