Im Interview erklärt Wissenschaftsminister Björn Thümler die Übernahme des Speere-Erlebniszentrums Paläon in Schöningen.

Niedersachsen übernimmt das Speere-Zentrum. Mit Minister Björn Thümler (CDU) sprachen Armin Maus und Michael Ahlers über die Motive und Folgen.

Herr Thümler, das Landesamt für Denkmalpflege (NLD) übernimmt das Paläon in Schöningen. Niedersachsen wird damit Herr im Speere-Erlebniszentrum. Warum wollten Sie gerade diese Lösung, um die Zukunft dieser bedeutenden Fundstätte und des Paläon zu sichern?

Weil das Landesamt für Denkmalpflege der Garant dafür ist, dass die Schöninger Speere, die ja kulturgeschichtlich eine sensationelle Entdeckung gewesen sind, so behandelt werden, wie sie es verdienen. Die Speere sind nicht nur ein wichtiger Beleg dafür, dass hier vor 300.000 Jahren eine menschliche Besiedlung stattgefunden hat, sondern auch dafür, wie die Menschen damals gejagt haben. Da geht es auch um frühe Kommunikation. Und so gibt es gute Möglichkeiten, die Forschung mit der Senckenberg-Gesellschaft gemeinsam voranzutreiben. Da Senckenberg Teil der Leibniz-Gemeinschaft ist, hat man sozusagen das ganze große Besteck an der Hand.

Mit der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung hat das Land 2016 eine Kooperationsvereinbarung zum Paläon geschlossen, eine Zusammenarbeit gab es aber schon vorher über die Uni Tübingen. Der „Forschungsbereich Schöningen“ steht so seit 2016 offiziell unter der wissenschaftlichen Verantwortung von Senckenberg. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologenverbände waren davon zunächst nicht begeistert. Hat sich das geändert?

Die Zusammenarbeit hat sich, soweit ich weiß, sehr positiv gestaltet. Wir haben in Niedersachsen hervorragende Archäologen – aber eine länderübergreifende Zusammenarbeit, gerade im Rahmen der Leibniz Gemeinschaft, ist eine gute Sache. Die Erkenntnisse, die in der Forschung am Paläon gewonnen werden, sind ja nicht nur für uns von Interesse, sondern weltweit. Man darf das Paläon nicht nur mit Bezug auf Schöningen und Helmstedt betrachten. Da schaut man international hin.

Die Idee des Paläon ist es, die Speere dort zu zeigen, wo sie gefunden wurden. Das Erleben ist dann sicher etwas anderes. Daran gab und gibt es aber heftige Kritik, etwa wegen der schlechten Verkehrsanbindung und auch wegen des 15-Millionen-Euro-Neubaus. Es gab Forderungen, die Speere stattdessen einfach im Braunschweigischen Landesmuseum oder in Hannover zu zeigen. Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit der Übernahme durch das Land einen guten Weg weitergehen oder einen falschen Weg zum guten Ende bringen müssen?

Das Paläon steht, wo es steht, und die Frage, ob es einen besseren Platz dafür gegeben hätte, stellt sich nicht mehr. Wichtig ist, dass wir das Paläon in seinem Bestand sichern, um nicht jedes Jahr wegen eines Defizits in die Lage zu kommen, Geld nachschießen zu müssen. Man muss als Politiker auch mal Verantwortung übernehmen.

Wieviel Verantwortung übernimmt das Land denn künftig genau? Die Struktur des Paläon ändert sich grundlegend. Das Landesamt war ja von Anfang an beteiligt, aber vor allem konservatorisch und in der Forschung. Jetzt geht das Paläon komplett ans Land über. Die bisherige GmbH, an der das Land nicht beteiligt war, soll aufgelöst werden. Der Kreis Helmstedt und die Stadt Schöningen, die Gesellschafter dieser GmbH sind, sollen aber auch nach dem Aus für die GmbH weiter Zuschüsse für das Paläon geben. Außerdem sind zwei Stiftungen und die Allianz für die Region Gesellschafter, dazu der sehr rührige Förderverein.

Der Betrieb des Paläon geht komplett auf das Landesamt für Denkmalpflege über. Und damit ist die Verantwortlichkeit ganz klar beim Land, also letztlich im Wissenschaftsministerium. Das Landesamt ist ja eine nachgeordnete Behörde.

Die Betriebskosten des Paläon sind damit also auch komplett im Landeshaushalt? Bisher gab es ja vom Land Projektmittel, zuletzt 500 000 Euro jährlich…

Die Betriebskosten werden über das Landesamt abgebildet. Die Beiträge aus Kreis und Kommune werden bei uns vereinnahmt und für den Betrieb zur Verfügung gestellt. Das halte ich aber auch für richtig, denn die Stadt und der Kreis haben ein Commitment gemacht und das Paläon seinerzeit auf Landesgrund gebaut. Dieses Commitment ist auch bei kommunalpolitisch schwierigen Finanzverhältnissen richtig. Die Region will das alte Helmstedter Braunkohle-Revier weiterentwickeln. Die Schöninger Speere spielen dabei eine wesentliche Rolle. Sie müssen dabei sein.

Sie wollen das Paläon mit der Neuordnung strukturell auf eine sichere Grundlage stellen. Was macht das Landesamt aber nun mit dem Haus, und wie kommen mehr Besucher dorthin? Soll das Landesamt ein Konzept entwickeln?

Zunächst einmal müssen wir den wissenschaftlichen Zweck des Paläon absichern. Dann geht es natürlich auch um die Entwicklung des Erlebnisbereichs. Die Präsidentin des Landesamtes, Frau Krafczyk, kommt ja aus Braunschweig und kennt das Thema gut. Auch die Expertise der Landesmuseen kann genutzt werden, wenn es um museale Aufgaben oder Marketing-Fragen geht. Darüber hinaus werden die Stiftungen vor Ort, der Freundeskreis und alles, was da ist, weitere Aktivitäten entfalten müssen. Dieses Engagement aus der Region ist auch in der neuen Struktur ganz wichtig.

Besucherzahlen von rund 50 000 im Jahr, inklusive vieler Schüler, entsprechen ja bei weitem nicht dem, was früher mal genannt wurde. Da lag die Erwartung schon mal beim Doppelten. Wie kann man das steigern? Es gab zum Beispiel eine Initiative der Belegschaftsstiftung von Volkswagen zum Besuch von Schülergruppen im Paläon.

Ob wir jemals 100 000 Besucher in Schöningen erreichen, weiß ich nicht. Die jetzigen Besucherzahlen sind mit Blick auf den Standort im Landesvergleich ausgesprochen gut. Die hohen Erwartungen waren sicher auch Teil des Problems. Man muss künftig den Kulturtourismus stärker ansprechen. Es wird im Paläon aber auch eine bestimmte Form von Flexibilität geben müssen. Es wird nicht von morgens um 7 bis abends 19 Uhr geöffnet haben, das muss es aber auch gar nicht.

Die Gewerkschaft Verdi hat ja schon davor gewarnt, das Paläon kaputtzusparen. Es geht um eine Fundstätte mit Weltrang, Sie wollen als Land Niedersachsen das Paläon zum UNESCO-Weltkulturerbe anmelden. Wenn Sie das Angebot einschränken und dann Leute vor einem geschlossenen Museum stehen, wird das die Besucherzahlen kaum erhöhen.

Wir müssen ja erst einmal anfangen. Nicht alles kann sofort immer gleich fliegen. Ich weiß, dass es einen großen Erwartungsdruck gibt. Es wird eine engere Verzahnung und Zusammenarbeit auch mit den Landesmuseen geben. Deren Expertise – gerade auch im Bereich Marketing – werden wir nutzen. Auch an der Erreichbarkeit des Paläon muss man arbeiten. Der Landkreis Helmstedt plant ja eine touristische Nutzung des ehemaligen Braunkohle-Tagebaus, da kann das Paläon eine Rolle spielen. Das alles geht nicht von heute auf morgen. Natürlich wird es immer einen Zuschuss des Landes geben müssen. Aber der sollte eine bestimmte Höhe nicht überschreiten.

Was heißt das in Zahlen?

Das Landesamt wird 300.000 Euro erwirtschaften müssen, wir haben als Ministerium 500.000 in den Haushalt 2019 eingestellt. Insgesamt 200.000 Euro kommen von den beiden Kommunen.

Sind aus Ihrer Sicht im Paläon grundlegende Fehler gemacht worden?

In der Rückschau ist die Konstruktion sicherlich interessant gewesen: Mittel aus dem Konjunkturpaket II zu nehmen, um das Erlebniszentrum aufzubauen. Es war aber vermutlich allen Beteiligten von Anfang an klar, dass das so – mit einem jährlichen Defizit – nicht funktionieren wird. Man brauchte ja immer jemanden, der das Defizit ausgleicht. Irgendwann muss das mal beendet werden.

Lassen Sie uns nochmal auf die Erreichbarkeit kommen. Diese Erreichbarkeit braucht ja nicht nur das Paläon, sondern auch die Stadt Schöningen. Das ist doch ohnehin ein Entwicklungsprojekt.

Das sehe ich auch so. Wenn der Bund die früheren Braunkohleregionen stärker fördert, muss man das Geld zur Verbesserung der Infrastruktur gezielt einsetzen.

Wann wird das Welterbe der Menschheit beantragt?

Da kann man noch kein Datum setzen. Die sogenannte Tentativliste ist noch nicht geöffnet, einen konkreten Termin gibt es noch nicht.