Hannover. . Verheddert im „Streit der Kesselflicker“: Niedersachsens CDU-Chef ist unzufrieden mit der Großen Koalition in Berlin.

Wie funktionieren Große Koalitionen? Bernd Althusmann (CDU) ist als niedersächsischer Wirtschaftsminister sozusagen Experte. Trotzdem (oder gerade deswegen) ärgert er sich über die Große Koalition in Berlin. Michael Ahlers sprach mit Althusmann.

Herr Althusmann, Sie haben nach der Landtagswahl in Bayern das Erscheinungsbild der Berliner Bundespolitik kritisiert. Die sogenannten Volksparteien verlieren kräftig Stimmen. Was stört Sie in Berlin?

Bei vielen Menschen im Land ist der Eindruck entstanden, dass wir uns seit über einem Jahr im Wesentlichen mit Personalstreitigkeiten und Machtfragen beschäftigen, statt uns um die wirklich wichtigen Themen zu kümmern. Da wären Fragen der Digitalisierung ebenso bedeutsam wie Fragen der Fachkräftesicherung oder der Rente und Pflege. Ich hoffe sehr, dass die Große Koalition in Berlin nach dem Warnsignal in Bayern und spätestens nach der Hessenwahl deutlich macht, dass man Verantwortung zeigen muss, ernsthaft regieren muss zum Wohle des Landes und sich weniger im politischen Hickhack und im Streit der Kesselflicker verheddert.

Machtkämpfe und Streit gibt es in der Politik ja seit jeher. Warum schreckt das jetzt die Wähler offenbar so nachhaltig ab?

Dieser Streit der Großen Koalition in Berlin in den letzten Monaten, auch der Streit zwischen den Unionsgeschwistern, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass große Teile der eigentlichen Bundespolitik und auch Landespolitik nahezu überlagert wurden. Manche Menschen sind nicht mehr bereit, das zu akzeptieren. Sie erwarten zurecht einen respektvollen Umgang miteinander. Eine Meinung ist ja nicht nur deshalb falsch, weil sie von einer anderen Partei, z.B. Grünen kommt. Das alles führt zu Frust, gepaart mit Sorgen, die die Menschen haben. Wir haben noch nie eine ökonomisch so gute Situation gehabt wie aktuell und dennoch sagen viele, dass sie verunsichert sind.

Eine Regierung muss zeigen, dass sie handlungsfähig ist. Und da ist noch Luft nach oben. Nach fast einem Jahr der Großen Koalition in Niedersachsen kann ich sagen, dass wir hier vernünftig miteinander umgehen und uns auf unsere Hausaufgaben konzentrieren. Es gibt auch mal Streit, aber nie so, dass man ernsthaft von einer Krise sprechen kann. Dass es politische Auseinandersetzungen gibt, den Wettbewerb um Ideen und die richtige Richtung, das ist ein normaler Vorgang.

Kann man das Thema Vertrauenskrise von Personen trennen? Man kann mit Blick auf Berlin durchaus von Sesselklebern reden. Allen voran Horst Seehofer, der weiter CSU-Chef und Innenminister ist, als wäre in Bayern nichts passiert, auch Alexander Dobrindt hat sich als Scharfmacher profiliert. Wie soll seriöse Politik gelingen, wenn die erste Reihe so besetzt ist?

Der ein oder andere muss sich auch mal persönlich zurücknehmen und den Inhalt in den Vordergrund rücken. Natürlich wird auch der Bundesinnenminister Seehofer spätestens nach der Hessenwahl intensiv darüber nachzudenken haben, welchen Anteil er an der Eskalation und dem Streit auf Bundesebene hatte. Das Eingeständnis von Fehlern kommt sehr spät. Ich habe die grundsätzliche Richtung seines Masterplans begrüßt, insbesondere dass wir Zuwanderung besser steuern und illegale Einwanderung verhindern. Aber dass das Ganze dann zu einer Machtfrage zwischen dem Innenminister und der Kanzlerin hochstilisiert wurde, obwohl man sich viel früher hätte einigen können und müssen, das verstehen die Menschen nicht. Wir befinden uns unzweifelhaft in einer schwierigen Situation, auch die Volkspartei Union, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Und da hat die Union als nach wie vor stärkste Kraft in Deutschland eine ganz besondere Aufgabe. Es sollte Freude machen und optimistisch stimmen, wenn man ein Land regieren darf. Spätestens im Rahmen des CDU-Bundesparteitages im Dezember wird es nicht weitergehen können wie bisher. Es wird eine breitere Neupositionierung geben, unser Grundsatzprogramm, das 2019 fertig sein soll, bietet ausreichend Anlass. Wir müssen sehr konkret werden, wie wir uns Deutschland 2030 vorstellen. Deshalb mein Wunsch, mehr über Inhalte zu sprechen. Der ein oder andere muss sich auch mal zusammenreißen.

Sie sagen, Seehofer muss spätestens nach der Hessenwahl verstärkt nachdenken. Gilt das auch für die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin?

So wie ich Angela Merkel kenne, lässt sie das nicht alles an sich abprallen. Sie ist eine nachdenkliche Person, sie weiß um die Unruhe auch in der Partei. Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass er glaube, dass Merkels Position geschwächt sei, weil nicht mehr alles unwidersprochen hingenommen würde. Manche halten die Äußerungen des Bundestagspräsidenten für unglücklich. Ich meine, dass das inhaltliche Ringen um den richtigen Kurs der Union ein gutes Signal für eine Partei ist. Ich denke, dass Angela Merkel die Weichen stellen wird. Sie denkt schon heute darüber nach, wie man bestimmte Prozesse mit Blick auf die kommenden Jahre und Blick auf die Partei so regeln kann, dass die CDU einen geschlossenen und geordneten Eindruck auch in der Öffentlichkeit vermittelt. Inhaltlich werden wir in der Partei immer auch unterschiedliche Meinungen haben. Das ist auch wichtig für die Lebendigkeit. Wir müssen uns schonungslos und offen aber auch mit Kritik von außen auseinandersetzen. Wir müssen deutlich machen, dass wir zuhören. Das ist ein entscheidender Weg, den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.