Braunschweig. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig werden psychologische Auswirkungen von Monitoren statt Fenstern im Simulator erprobt.

Offenbar muss die starke Umweltverschmutzung durch den Flugverkehr verringert werden. Aber wie will man das den flugreiselustigen Bürgern schmackhaft machen?

Das fragt unser Leser Frieder Schöbel.

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

„Bitte schnallen Sie sich an“, sagt Jan Hettwer, Software-Entwickler am Institut für Flugsystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig zu den Mitreisenden. Kurz darauf begrüßt Kapitän Jan Petersen per Durchsage alle Passagiere an Bord des Fluges von Braunschweig nach Hannover. Das Flugzeug ruckelt beim Manövrieren auf dem Rollfeld, dann drückt die Beschleunigung beim Start die Reisenden in die Sitze. Vor dem Fenster zieht der Braunschweiger Flughafen vorbei.

Vor dem Fenster? Tatsächlich fällt der Blick nicht auf das echte Rollfeld, sondern auf Luftaufnahmen des Forschungsflughafens, die auf einem Monitor gezeigt werden. Die typischen Geräusche eines Flugs, die Bewegungen der

Der Flugkabinen-Simulator des Aves steht auf sechs elektropneumatischen Beinen, die die typischen Bewegungen eines Flugzeugs erzeugen können.
Der Flugkabinen-Simulator des Aves steht auf sechs elektropneumatischen Beinen, die die typischen Bewegungen eines Flugzeugs erzeugen können. © Johannes Kaufmann

Maschine, die schummerige Beleuchtung, das Rauschen der Klima-Anlage, all dies ist Teil einer Simulation – nur das flaue Gefühl im Magen ist es nicht. Die Reisenden reisen nicht, und sie sitzen auch nicht in einem Flugzeug, sondern in der neuen Passagierkabine für den „Air Vehicle Simulator“ (Aves) des DLR, die am Mittwoch präsentiert wurde.

16 Sitze, jeweils acht zu beiden Seiten des Gangs, fasst die Aves-Kabine. „Wir haben auf ein möglichst realistisches Fluggefühl geachtet. Idealerweise sollen die Passagiere vergessen, dass sie sich in einem Simulator befinden“, sagt Dr. Holger Duda vom Institut für Flugsystemtechnik am DLR, dessen Team den Simulator selbst entwickelt hat.

Zum Realismus trägt vor allem die Pneumatik bei. Die Anlage ist auf sechs Beinen gelagert, die die Kabine in allen Achsen neigen und auch ordentlich durchrütteln können. Start, Flug, Turbulenzen, Landung – alles fühlt sich echt an.

Nurflügler als Passagierflugzeuge?

Doch wozu das alles? Einen Aspekt spricht unser Leser an. Das erste Forschungsprojekt im November soll in einer Reihe von Simulationen mit insgesamt rund 100 bis 120 Probanden untersuchen, wie Passagiere auf eine virtuelle Außenwelt reagieren. „Bei einem 60 Tonnen schweren Airbus A 320 spart das Weglassen der Fenster etwa 500 Kilogramm Gewicht ein“, erklärt Dr. Duda. Und weniger Gewicht bedeutet geringerer Spritverbrauch und damit weniger CO2-Emissionen. Doch bevor man ein solches Flugzeug baue, müsse man erst einmal wissen, ob Flugreisende überhaupt in einen fensterlosen Flieger einsteigen würden.

Aber ein fensterloser A 320 oder eine Boeing 737 ist nur der nächstliegende Schritt. „Denkbar sind auch ganz neue Flugzeugkonfigurationen. Nurflügler etwa sind mit Fenstern nicht möglich“, sagt Duda.

So werden Flugzeuge bezeichnet, die ohne einen abgesetzten Rumpf konstruiert sind, so dass Rumpf und Tragflächen fließend ineinander übergehen. Der bekannteste Vertreter dieser Flugzeuggattung ist der sogenannte Tarnkappenbomber der US-Air-Force. Doch die Vorteile dieser Konstruktionsweise bestehen nicht nur aus einem kleinen Radarprofil, sondern auch aus einer besseren Nutzung der Triebwerksleistung. Auch dadurch könnte möglicherweise der Spritverbrauch reduziert werden.

Im Simulator wird der Einsatz von Monitoren statt Fenstern in Flugzeugkabinen erprobt.
Im Simulator wird der Einsatz von Monitoren statt Fenstern in Flugzeugkabinen erprobt. © Johannes Kaufmann

So weit ist man allerdings noch nicht. Und die Flugzeughersteller könnten durchaus auch ganz andere Rechnungen aufmachen, gibt Duda zu. „Gespartes Gewicht bedeutet gespartes Geld“, sagt er und spekuliert, dass Entwicklungen wie fensterlose Flieger Flugreisen billiger machen könnten. Auf den Monitoren könnten zudem Informationen zu den gezeigten Bildern eingeblendet werden – und womöglich auch Werbung.

Das allerdings wäre sicher keine Forschungsfrage für das DLR. Vielmehr soll der Simulator beispielsweise genutzt werden, um zu ermitteln, wie steil der Start maximal verlaufen kann, ohne unangenehm zu sein. „Durch das schnelle Aufsteigen auf große Höhe kann der Lärm in überflogenen Wohngebieten verringer werden“, sagt Duda. Auch Projekte zur Steigerung des Flugkomforts seien denkbar.

Und wer sich vor dem Fliegen zu sehr gruselt, hat Grund zur Hoffnung: Vielleicht finden die Psychologen am DLR ja einen Weg, die Fenster-Monitore so zu nutzen, dass sie Flugangst entgegenwirken.