Braunschweig. Die Bundeswehr wirbt mit neuen Plakaten bundesweit um den Nachwuchs. Kritiker nennen die Kampagne „gewaltverherrlichend“ und „aggressiv“.

Ein Leser, der sich auf den Facebook-Seiten unserer Zeitung El Barto nennt, meint zu dem Thema:

„Nicht einmal für viel Geld würde ich da hingehen, ich boykottiere alles, was mit Krieg und Waffen zu tun hat.“

Zum Thema recherchierte Dirk Breyvogel

Junge Frauen im Kampfmodus, das Maschinengewehr im Anschlag. Eine Blondine sitzt, die Arme verschränkt, auf einem Panzer. Ein junger Mann mit Seesack blickt entschlossen in die Kamera. Seine Zukunft zeichnet sich überdimensional im Hintergrund ab: eine Fregatte.

Die Bundeswehr sucht Nachwuchs und will mit einer bundesweiten Plakatkampagne junge Menschen von sich als künftigen Arbeitgeber überzeugen. Das Motto: „Mach, was wirklich zählt. Folge Deiner Berufung“. Versehen sind die Plakate mit Schlagworten. „#KÄMPFEN“, „#SICHERN“, „#RETTEN“ oder „#FÜHREN“ ist da zu lesen und soll zeigen, wie abwechslungsreich die Aufgaben als Mitglied einer Berufsarmee sind.

Auch dieses Plakat wurde bundesweit geklebt. Friedensaktivisten kritisieren es als „gewaltverherrlichend“.
Auch dieses Plakat wurde bundesweit geklebt. Friedensaktivisten kritisieren es als „gewaltverherrlichend“. © Bundeswehr | Bundeswehr

Darf man auf diese Weise für sich als Arbeitgeber werben, wenn man weiß, dass zum Kämpfen auch das Töten oder das Getötetwerden gehört? So ließen in den Jahren 2000 bis 2017 insgesamt 417 Soldaten im Dienst ihr Leben, davon 109 im Kampfeinsatz. Und auch nach den Militäreinsätzen, insbesondere dem in Afghanistan, klagen viele Soldaten unter den Folgen. Posttraumatische Belastungsstörungen machen den Alltag zur Hölle. Ein Generalarzt als Beauftragter und ein Dutzend weiterer Einrichtungen werden als Ansprechpartner für Betroffene und deren Angehörige im Internet aufgelistet. Das zeigt: das Problem wurde erkannt.

Unsere Leser reagieren differenziert auf die Plakate. Während die einen sie als „lächerlich“ und „gewaltverherrlichend“ bezeichnen, halten andere den Kritikern der Kampagne vor, sich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu wollen. „Die Bundeswehr würde einigen Traumtänzern gut tun“, schreibt ein Leser, der sich auf Facebook „Chris Maxe“ nennt und die Kampagne verteidigt.

Das sagen Friedensaktivisten zu den Plakaten

„Die Plakat-Werbung lässt Krieg so aussehen, als sei es ein Spiel. Krieg als Spiel zu verharmlosen, ist unverantwortlich und höchst fragwürdig“, sagt Elke Almut Dieter vom Friedenszentrum Braunschweig. Für das Vorstandsmitglied des Vereins ist die Kampagne in sich jedoch schlüssig, denn die Bundeswehr brauche im Rahmen einer parallel verlaufenden Militarisierung der EU verstärkt Personal. In den letzten Jahren habe die Bundeswehr mit guter Bezahlung, einer Ausbildung und Karrierechancen geworben. Die Werbung habe Abenteuerlust, Sport- und Technikbegeisterung der jungen Leute angesprochen. Die Plakate der neue Kampagne seien jedoch noch aggressiver. „Es ist erschreckend, dass Jugendliche und junge Erwachsene wieder für Deutschlands Kriege und Auslandseinsätze begeistert werden sollen.“ Für Friedensaktivisten ist insbesondere das Plakat mit dem Hashtag „#FÜHREN“ ein Affront. Mit dem Begriff Führung werde gezielt am rechten Rand gefischt. „Das ist in meinen Augen unverantwortlich“, sagt auch Dieter.

So erklärt die Bundeswehr ihre Kampagne

Eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin teilt auf Nachfrage mit: „Nach Aussetzen der Wehrpflicht liegt es an uns, den Nachwuchs für den in der Verfassung verankerten Auftrag der Bundeswehr zu interessieren.“ Mit der Kampagne wolle man vor allem junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stünden, für sich gewinnen. Die Kampagne sei mit Beginn des Schuljahres Ende August gestartet. Bis Dezember werde die Werbung in 20 deutschen Großstädten und flächendeckend in Städten ab 10 000 Einwohnern geschaltet. „Die Kosten für die Kampagne belaufen sich auf rund 5 Millionen Euro“, so die Sprecherin. Zur inhaltlichen Ausrichtung erklärt sie: „Wir zeigen die große Vielfalt des Arbeitgebers Bundeswehr – von der Mechatroniker-Lehre bis hin zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik im Rahmen der Offizierausbildung.“

Laut Ministerium liegen die Bewerberzahlen bei der Bundeswehr „auf einem konstant hohen Niveau“. Im Jahr 2017 habe man 125 000 Bewerbungen erhalten. 25 000 Stellen konnten besetzt werden. Für 2018 zeichne sich laut der Sprecherin ein ähnlicher Trend ab. „Das ist eine komfortable Situation, wenn man sich die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt ansieht.“ Auch die Zahl derjenigen, die sich als Zeit- oder Berufssoldat verpflichtet hätten, steige wieder an.

Zur Kritik an der Machart der Kampagne äußert sich die Sprecherin wie folgt: „Natürlich gehört der ,Kampf’ auch zum Wesen von Streitkräften. Der Beruf des Soldaten bzw. der Soldatin ist schließlich ein besonderer.“ Er impliziere auch immer das Risiko, verwundet zu werden oder sein Leben für sein Land zu lassen. Neben einer umfassenden und fundierten Vorbereitung auf die Einsätze gehöre auch das zur „ehrlichen Kommunikation“ im Vorfeld von Einsätzen dazu. Nach Angaben des Ministeriums belegt die Bundeswehr bei einer aktuellen Schüler-Umfrage Platz drei unter den beliebtesten Arbeitgebern in Deutschland. „Bei allem Respekt für die Kritik an unseren Kampagnen zeigt dies, dass wir das Urteilsvermögen der jungen Leute nicht unterschätzen sollten.“

Das sagt der Reservistenverband

Für Christopher Kröckel, Kreisvorsitzender des Reservistenverbandes Braunschweig, zeigen die Plakate den Weg, auf dem sich die Bundeswehr schon längst befindet. „Hier sollen Profis gesucht werden. Auch wenn ich ein glühender Anhänger der Wehrpflicht war und immer noch bin, ist diese Zeit vorbei“, sagt er. Die Bundeswehr konkurriere mit VW, BMW oder Siemens um die klügsten Köpfe Deutschlands. Die Debatte zeige, dass durch die Plakate die notwendige Aufmerksamkeit erzeugt worden sei.

Für den Hauptmann der Reserve stehen die Begriffe „Führen“ und „Kämpfen“ nicht in einem negativen Kontext. „Es wundert mich nicht, dass diese Begriffe den meisten Platz in der Debatte einnehmen, denn Führen und Kämpfen sind die zentralen Aufgaben eines jeden Soldaten, auch wenn eine Zeit lang so getan worden ist, als würde auch Brunnenbauen dazu zählen.“

So analysiert ein Medienexperte die Wirkung der Plakate

Professor Rolf Nohr vom Institut für Medienwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig hält die Kampagne für ein Wagnis. „Die Bildstrecke der Kampagne zerfällt in zwei unterschiedliche Motivgruppen: Auf der einen Seite ist die Bildauswahl verwechselbar. So oder so ähnlich könnten auch Unternehmen in der Automobilwirtschaft für ihre berufliche Vielfalt werben. Auf der anderen Seite richten sich die Bilder an eine Klientel, die eine Affinität zu US-Actionfilmen besitzen. Angesprochen werden in der Mehrheit junge Männer, die mit der Ästhetik einer klinisch-sauberen und hochtechnologischen Kriegsführung – ganz wie uns das Hollywood seit Jahrzehnten zeigt – aufgewachsen sind.“ Für den Wissenschaftler ist die zweigeteilte Bildsprache ein Problem, denn sie verhindere Homogenität, die für jede einprägsame Kampagne notwendig sei.

Problematisch sei zudem das Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. „Mehrheitlich haben die Menschen immer noch das Bild des Soldaten als Bürger in Uniform im Sinn, wenn sie an die Bundeswehr denken. Doch die Bundeswehr ist mit Ende der Wehrpflicht zu einem Unternehmen geworden, das mit anderen Arbeitgebern um leistungsfähige Nachwuchskräfte kämpft und diese rekrutieren muss. Doch die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr, die die Plakate suggerieren sollen, indem sie höchsten technischen Standard zeigen, hält mit der Wirklichkeit nicht Schritt. Da steht eine Soldatin neben einem glänzenden U-Boot und in den Nachrichten hört man dann, dass keines der Boote aktuell tauchen kann und überall Ersatzteile fehlen. Das hat schon kabarettistische Züge.“

Für Nohr ist die Kampagne aber auch Anlass für Selbstkritik. Sie zeige, wie unreflektiert die Gesellschaft in Teilen sei. „Vielleicht ist das, was auf den Plakaten gezeigt wird, näher an der Realität, als so manch einer glaubt. Vielleicht ist das der Grund für den starken Widerspruch. Viele Bürger, die die Plakate betrachten, haben offenbar noch nicht begriffen, dass sich die Bundeswehr verändert hat.“