Braunschweig. Schwere Unfälle führen bisweilen auch die Rettungskräfte an die Grenzen der Belastbarkeit. Experten helfen in besonders schwierigen Situationen.

Bei einem schweren Verkehrsunfall im Kreis Helmstedt sind am vorigen Wochenende drei Menschen gestorben. Das Fahrzeug schleuderte laut Polizei über eine Leitplanke und prallte gegen ein massiv verankertes Hinweisschild. Jens Gräber sprach mit Andreas Hellmich (56), dem Fachberater des Landesfeuerwehrverbands Niedersachsen für Seelsorge, über die psychische Belastung, die solche Unfälle für Rettungskräfte bedeuten.

Was macht so ein schwerer Unfall mit den Rettungskräften? Kann man bei dieser Arbeit so etwas wie professionelle Distanz entwickeln?

Es gibt schon eine professionelle Ausbildung dafür, um Erlebtes psychisch verarbeiten zu können. Es ist ein Unterschied, ob ich von etwas überrascht werde oder mich darauf vorbereiten kann.

Insofern haben Einsatzkräfte andere Möglichkeiten, damit umzugehen. Wenn sie gut ausgebildet sind, haben sie sich mit möglichen Szenarien wie schrecklichen Unfällen zumindest schon mal theoretisch auseinandergesetzt. Und das hilft ihnen allemal, im Einsatz eine Distanz aufzubauen zu dem, was sie erleben. Das ist möglich und das sollte auch Ziel der Ausbildung sein.

Gibt es dabei Unterschiede zwischen ehrenamtlichen Helfern, etwa freiwilligen Feuerwehrleuten, und hauptberuflichen Rettungskräften?

In der hauptberuflichen Ausbildung wird das sicher nochmal breiter thematisiert. Bei den freiwilligen Wehren ist immer die Frage, inwieweit das Thema der psychischen Belastung durch Einsätze in der Ausbildung Raum gewinnt. Da gibt es regional durchaus Unterschiede.

Wie oft kommt es vor, dass Rettungskräfte selbst traumatisiert sind nach Einsätzen? Und was sind das für Einsätze?

Ich kann nicht sagen, wie oft das vorkommt. Grundsätzlich gilt: Ich kann hervorragend ausgebildet sein und viel Wissen haben, aber wenn ich auf dem falschen Fuß erwischt werde, dann kann mir eine Sache plötzlich ganz anders nahegehen als normalerweise. Insbesondere können es Unfälle mit Todesfolge sein, womöglich verbunden mit grausamen Verletzungen, oder wenn Kinder betroffen sind. Oder auch wenn Einsatzkräfte selbst verletzt werden. Belastend können ebenso Einsätze sein, bei denen es lange dauert, bis eine Person gerettet werden kann – wir als Einsatzkräfte möchten ja möglichst schnell helfen.

Gehört Betreuung während oder nach einem Einsatz in bestimmten Fällen zur Routine? Oder muss ein Helfer aktiv um seelsorgerischen Beistand bitten?

Es kann in der Leitstelle für ein bestimmtes Einsatzstichwort hinterlegt sein, dass die Notfallseelsorge alarmiert und zum Unglücksort geschickt wird. Ansonsten liegt es in der Verantwortung des Einsatzleiters zu sagen, wir brauchen hier Unterstützung durch Notfallseelsorger oder ein Krisen-Interventionsteam – je nachdem, was verfügbar ist. Auch nach dem Einsatz kann der Einsatzleiter Unterstützung anfordern, wenn er merkt, dass er selbst oder seine Leute Hilfe brauchen. Solche Nachgespräche sind jedoch wirksamer, das möchte ich betonen, wenn es schon mal eine theoretische Vorbereitung auf belastende Einsätze gab.

Unser Leser Phil Lux aus Salzgitter fragt: Wie werden die Kollegen der Feuerwehren oder die Ersthelfer betreut?

Es gibt verschiedene methodische Ansätze. Im Kern bedeutet es immer, dass es die Möglichkeit gibt, über das Erlebte ins Gespräch zu kommen – meistens zusammen mit den anderen, die am Einsatz beteiligt waren. So kann jeder erzählen, was ihm auf der Seele liegt. Es ergibt sich ein Bild dessen, was geschehen ist, und man kann miteinander nachdenken, was jetzt helfen würde, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Wesentlich ist erstmal, zu wissen, dass es nicht schlimm ist, nach außergewöhnlichen Einsätzen aufgewühlt zu sein. In den meisten Fällen wird sich das wieder normalisieren.

Und wer hilft den Seelsorgern?

Die sollten genauso in ein Netzwerk eingebunden sein, in dem sie sich gut aufgehoben wissen. Bei einigen Diensten ist ein Hilfsangebot wie die sogenannte Supervision ohnehin Standard. Auf jeden Fall sollten auch Seelsorger eine Anlaufstelle haben, jemanden, an den sie sich wenden können, wenn sie selbst aufgewühlt sind.