Braunschweig. Nicht ganz aus der Portokasse nimmt VW das Bußgeld in Höhe von einer Million Euro. Aber im Vergleich zu den Strafen in den USA ist die Summe gering.

Wird das Bußgeld von den Gehältern der Verantwortlichen gezahlt oder müssen diejenigen es wieder ausbaden, die einfach ihren Job am Band machen?

Dies fragt unser Leserin Cindy Hillmer via Facebook

Die Antwort recherchierten Hannah Schmitz und unsere Agenturen

Braunschweig. DasBußgeld von einer Milliarde Euro zahlt Volkswagen nach Angaben eines Sprechers aus seinem Cash-Flow, also seinen liquiden Mitteln. Dennoch sei die Summe für den Autobauer „kein Pappenstiel“, meint Experte Stefan Bratzel, der das Auto-Institut in Bergisch-Gladbach leitet. Dem Konzern fehle das Geld nun „für wichtige Zukunftsinvestitionen“. Anders als es unsere Leserin spitz formuliert, müssen also nicht Werksmitarbeiter das Bußgeld direkt „ausbaden“.

Dass sich der Konzern die im Abgas-Skandal angefallenen Kosten von Verantwortlichen zurückholt – wie es sich unsere Leserin wünscht – ist allerdings im Bereich des Möglichen. Der Aufsichtsrat lässt seit Bekanntwerden des Betrugs von Juristen prüfen, ob Schadensersatz-Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden müssen, unter anderem etwa gegen den ehemaligen Konzern-Chef Martin Winterkorn. In Deutschland ist bisher allerdings noch kein Urteil gegen ehemalige VW-Vorstände ergangen, daher fehlt Schadensersatzansprüchen durch VW bisher die Grundlage.

Volkswagen hat für den Abgas-Skandal Rückstellungen von rund 25 Milliarden Euro vorgenommen, das Bußgeld ist nicht eingerechnet. Das muss der Konzern zahlen, weil die Staatsanwaltschaft Braunschweig es als erwiesen ansieht, dass VW seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Konkret geht es um die Abgasmanipulationen bei den Dieselmotortypen EA 189 und EA 288. Ersterer wurde unter anderem in den Werken Salzgitter, Chemnitz und Györ gefertigt und weltweit in Autos der Marken VW, Audi, Skoda und Seat verbaut. Der Motor 288 wurde für den amerikanischen Markt gebaut. Insgesamt geht es um 10,7 Millionen Fahrzeuge mit diesen Motortypen, die zwischen 2007 und 2015 mit einer Manipulationssoftware in den Verkauf gebracht wurden.

Eine Milliarde Euro für Niedersachsen

Bei der Bußgeldzahlung von einer Milliarde Euro hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig nach eigenen Angaben etwaige zivilrechtliche Ansprüche an den Konzern berücksichtigt, die noch auf ihn zukommen könnten. Nachträglich könne das Bußgeld allerdings nicht mehr erhöht werden, sollte der Konzern solche Zahlungen nicht tätigen müssen. Oberstaatsanwalt und Behördensprecher Klaus Ziehe zeigte sich zufrieden mit der Höhe des Strafmaßes: „Tausend Millionen Euro für eine Ordnungswidrigkeit ist schon eine Ansage, und ich gehe davon aus, dass das natürlich schmerzhaft ist.“ Seinem Ermessen nach sei es das höchste Bußgeld, das je gegen ein Unternehmen verhängt worden sei.

Die Milliarde geht an das Land Niedersachsen und muss innerhalb von sechs Wochen an die Landeshauptkasse überwiesen werden. Es ist ein unverhoffter Geldregen: Im Haushaltsplan für das Jahr 2018 hatten die drei niedersächsischen Oberlandesgerichte Braunschweig, Celle und Oldenburg bisher Einnahmen aus Geldbußen, Gerichtskosten, Geldstrafen und Sicherheitsleistungen in Höhe von rund 350 Millionen Euro veranschlagt.

Über die Verwendung wird diskutiert

Zu den Verwendungsmöglichkeiten gab es am Donnerstag dann auch viele Vorschläge aus den Parteien: So forderte etwa der niedersächsische FDP-Chef Stefan Birkner, dass die Landesregierung den Geldsegen „zwingend in den Schuldenabbau investiert“. Die Grünen-Fraktionschefin Anja Piel forderte massive Investitionen in die Mobilitätswende, darunter den Ausbau des Radwegenetzes oder eines effizienten Nahverkehrssystems.

Auch Auto-Experte Bratzel hält Investitionen in neue Mobilitätskonzepte für sinnvoll, weil sie „indirekt Dieselfahrern zugute kommen.“ Er verstehe Kunden, die sich angesichts der Summe, die nun in die Staatskasse fließt, erneut ärgerten, keine Wiedergutmachung zu erhalten. „Die Investitionen sind vielleicht ein kleiner Trost.“