Braunschweig. Bis Mitte 2020 wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung mit Sitz in Peine eine Vorauswahl für geeignete Endlager-Standorte in Deutschland treffen.

Unser Leser Helmut Krüger aus Fallersleben bemerkt:

Unter der Erdoberfläche zu lagern, ist das Dümmste, was uns einfallen könnte. Ewig bewacht oberflächlich in einem geheimen wüstenähnlichen Ort wäre die beste Lösung.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Das letzte Atomkraftwerk in Deutschland soll 2022 vom Netz gehen. Das ist klar. Wo der Atommüll gelagert wird, ist allerdings die große Frage. Bis 2031 soll das Endlager für hoch radioaktiven Atommüll gefunden sein. Das sind 13 Jahre. Das klingt nach einem langen Zeitraum. Ist es aber nicht. Das wurde am Montag bei einer Tagung in Braunschweig sehr deutlich.

„Was wir hier machen, muss Hand und Fuß haben. Wir wollen aber auch vorankommen.“
„Was wir hier machen, muss Hand und Fuß haben. Wir wollen aber auch vorankommen.“ © Ursula Heinen-Esser, Chefin der Bundesgesellschaft für Endlagerung

Eingeladen hatte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Experten aus Landesämtern und Umweltministerien aller 16 Bundesländer kamen. BGE-Chefin Ursula Heinen-Esser stellte den Zeitplan vor und gab gleich zu bedenken: „Die Standortsuche ist für Sie und für uns Neuland.“ Sie sprach von einem „lernenden System“, in dem man miteinander klarkommen müsse. Keines der Länder will das Endlager.

Der Bundestag verabschiedete im vergangenen Jahr das Standort-Auswahlgesetz. Die Abgeordneten legten fest, dass nur Standorte infrage kommen, in denen es Vorkommen von Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein gibt. Weite Teile Bayerns, Baden-Württembergs oder auch Hessens sind somit aus dem Rennen. Niedersachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt hingegen könnten betroffen sein.

„Die angebliche Einbeziehung der Bürger ist eine Pseudo-Einbeziehung.“
„Die angebliche Einbeziehung der Bürger ist eine Pseudo-Einbeziehung.“ © Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative „Ausgestrahlt“

Die Anti-Atom-Initiative „Ausgestrahlt“ hat im März analysiert: 129 Landkreise und Städte in Deutschland sind noch im Rennen – darunter weite Teile unserer Region. Tongestein gibt es in Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter sowie in den Landkreisen Gifhorn, Helmstedt, Peine, Wolfenbüttel und Goslar. Im Landkreis Gifhorn gibt es außerdem Salzstöcke. Unsere Region ist mit dem Atommüll-Lager Asse und dem geplanten Endlager für mittel- und schwachradioaktiven Atommüll, Schacht Konrad in Salzgitter, vorbelastet. Das Standortauswahlgesetz sieht dennoch eine „Weiße Landkarte“ vor.

Die BGE mit Sitz in Peine trägt bei der Auswahl des Standortes eine große Verantwortung. Seit Mitte 2017 sind 15 Experten mit der Suche nach dem Endlager beschäftigt. Als ersten wesentlichen Schritt haben sie die geologischen Landesämter, Landesbergbehörden, oberen Wasserbehörden und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe um Daten gebeten. Schon da wurde klar: Die Suche nach einem Endlager wird zäh. Die 64 Behörden haben Datenbestände in unterschiedlicher Form. Zum Teil sind diese gar nicht digital zu haben.

Die Bergbehörde in Nordrhein-Westfalen hat laut der BGE zum Beispiel geantwortet, dass es in NRW 160 000 Grubenbilder gebe. In Sachsen-Anhalt befinden sich 1725 heutige und frühere Bergbauanlagen. BGE-Chefin Heinen-Esser machte am Montag Mut. „Wir werden in den nächsten Jahren das Kind schaukeln.“ Unter den Beamten aus den Ländern löste das allerdings keine Begeisterungsstürme aus. Heinen-Esser stellte fest, dass trotz des Zeitdrucks die Qualität und Sorgfalt über allem stehe. „Was wir hier machen, muss Hand und Fuß haben“, sagte sie. „Wir müssen aber auch vorankommen.“

Die Tagung hatte einen sachlichen, formalen und wissenschaftlichen Charakter. Es war die Rede von einer „Abfolge pelitischer Gesteinen“. Oder von „diapirischen, durch halokinetischen Vorgängen akkumulierte Steinsalzschichten“. Die Zeit für politische Diskussionen wird noch kommen.

Mit der Bemerkung unseres Lesers befassten sich die Experten indirekt. Sie spielt im Standortauswahlgesetz eine große Rolle. Völlig klar ist, dass sich das Endlager unter Tage befinden wird. Das Gesetz sieht vor, dass die „Oberfläche eines einschlusswirksamen Gebirgsbereichs mindestens 300 Meter unter der Geländeoberfläche liegen“ muss. Der Ton und das Salz, das den Müll umgibt, soll mindestens 100 Meter dick sein. Eine Ausnahme gibt es beim Kristallingestein. Kurz: Am besten geeignet ist eine undurchlässige Gesteinsformation aus Ton, Granit oder Salz, die groß genug ist, tief genug liegt.

Das Ziel ist, den strahlenden Müll für eine Million Jahre sicher zu verwahren. So lange dauert es, bis er für den Menschen nicht mehr gefährlich ist. Für einen Zeitraum von 500 Jahren soll der Müll rückholbar sein. Der Sinn: Womöglich gibt es bis dahin bessere Endlager-Techniken.

Der Begriff Transparenz fiel am Montag oft. Die Bürger sollen beteiligt werden. An jeder Stelle des Verfahrens ist das vorgesehen, heißt es bei der BGE.

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative Ausgestrahlt, hält das für Lippenbekenntnisse. Er kritisiert das Verfahren. Seiner Meinung nach gibt es Kräfte bei der BGE und auch beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, die dafür sorgen wollen, dass mögliche Standorte möglichst lange geheim bleiben.

Das Nationale Begleitgremium, in dem neben Ex-Bundesminister Klaus Töpfer auch Bürger sitzen, bezeichnete Stay als „Feigenblatt“. Die Einbeziehung der Bürger an jeder Stelle des Verfahrens sei eine „Pseudo-Einbeziehung“. Es sei ein großes Problem, dass betroffene Bürger nur in kurzen Fristen von wenigen Monaten Einwände gegen das Endlager erheben dürfen. So weit sind wir noch nicht. Stay mahnt aber schon jetzt: „Das Verfahren wird zu eskalierenden Konflikten führen.“