Berlin. VW-Chef Matthias Müller bekennt sich zum Verbrenner. Dennoch: VW ist im Wandel. Das gilt nicht nur für Technik, Produkte und die Unternehmenskultur.

Ein neues Format bekommt auch die Jahrespressekonferenz des Konzerns. Nach Jahren in Wolfsburg wurden die Journalisten nun in die Konzern-Repräsentanz in die Berliner Friedrichstraße eingeladen. Dort stellte sich nicht mehr wie in den Jahren zuvor der gesamte Konzernvorstand den Fragen der Berichterstatter, sondern Konzernchef Matthias Müller und Finanzvorstand Frank Witter. VW hat also seinen Personalaufwand runtergefahren.

Was auffiel: Schien es für Volkswagen vor einer Woche beim Autosalon in Genf nur eine Zukunft mit elektrisch angetriebenen und selbstfahrenden Autos zu geben, bekannten sich die Verantwortlichen in Berlin auch ganz offiziell zu einer Zukunft mit Verbrennungsmotor. Und das klang so: „Diese Antriebe weiterzuentwickeln und immer besser zu machen, ist eine Kernaufgabe der nächsten Jahre“, sagte Vorstandschef Müller.

VW Zahlen 2017

Die Entwickler des Unternehmens arbeiteten an einer neuen Generation von Verbrennungsmotoren, die im nächsten Jahr auf den Markt komme. Müller: „Wir investieren viel Kraft und Geld, um bei Verbrauch und Emissionen nochmals deutlich besser zu werden.“ Verbrennungsmotoren würden noch für Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielen.

Dank immer effizienterer Verbrennungsmotoren und neuer Antriebe wolle Volkswagen der weltweit führende Anbieter nachhaltiger Mobilität werden. Bis 2025 wolle der Konzern 80 neue elektrifizierte Autos auf den Markt bringen, davon 50 reine E-Modelle. Konzernchef Müller bezifferte die Gesamtinvestitionen auf 90 Milliarden Euro, davon würden allein in diesem Jahr 20 Milliarden in konventionelle Autos und Antriebe fließen. 34 Milliarden Euro sollen bis 2022 für die Entwicklung von E-Mobilität, des autonomen Fahrens und neue digitale Mobilitätsdienste ausgegeben werden.

Mit Blick auf die E-Mobilität bestätigte Müller, dass die Autobauer in dem Joint Venture Ionity mit anderen Autobauern entlang der europäischen Autobahnen 400 Ladestationen errichten wollen. Bis 2020 sollen es nach seinen Worten mehr als 5000 sein. Müller wiederholte seine Forderung nach einem europäischen Masterplan für die Entwicklung der E-Mobilität. Autobauer und die öffentliche Hand müssten dazu zusammenarbeiten.

Der Konzernchef kündigte an, dass das Unternehmen die Rückrufe der vom Abgas-Betrug betroffenen Modelle in diesem Jahr abschließen wolle. Gleichzeitig sei das Unternehmen bestrebt, auch „an den diversen juristischen Fronten“ mehr Klarheit zu bekommen. Dazu gehören Klagen von Autobesitzern und Aktionären, aber auch strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Braunschweig, München und Stuttgart. „Sie lassen sich mehr Zeit, als wir uns das wünschten“, sagte Müller.

Eine weitere Aufgabe für die nahe Zukunft: die Neuausrichtung der Komponentenfertigung, zu der auch die Werke Braunschweig und Salzgitter gehören. Sie soll im nächsten Jahr Fahrt aufnehmen, daher wollte Müller keine Details nennen. Nur so viel: Mit einer Ausgliederung der Komponentenfertigung habe er sich nie beschäftigt. „Die Komponente leistet einen erheblichen Beitrag zum Erfolg unseres Unternehmens“, sagte er.

Finanzvorstand Witter verriet dann doch einige Details. So gehe es darum, die Fertigung der Komponenten konzernweit besser zu steuern. Durch die E-Mobilität verlagerten sich die Schwerpunkte, und es könne zu Auslastungsproblemen in den Werken kommen. Zudem gehe es darum, Komponenten zu identifizieren, mit denen sich VW vom Wettbewerb abhebe. Nach Angaben Witters verursachen die Zoll-Drohungen des US-Präsidenten Donald Trump bei den VW-Verantwortlichen Sorgenfalten. „Es ist klar, dass Volkswagen und die gesamte Branche fairen und freien Handel unterstützen“, sagte er. Wichtig sei es, dass die politischen Verantwortlichen auf beiden Seiten des Atlantiks im Dialog blieben. Witter: „Wir hoffen, dass die politischen Beteiligten an einen Tisch kommen.“

Eine zweite große Herausforderung für Volkswagen in naher Zukunft sei die Umstellung der Abgastests auf den WLTP-Modus, sagte Müller. Die Hersteller hätten zu wenig Zeit bekommen, um sich auf das neue Verfahren vorzubereiten. Daher gebe es derzeit ein „Gerangel“ um die Prüfstände. Volkswagen werde ab September des laufenden Jahres alle Modelle auf den WLTP-Zyklus umstellen. Auch Witter sprach von einer „riesigen Herausforderung“. „Wir haben dadurch Unsicherheiten, die es sonst nicht gibt.“ Dass auf VW Strafzahlungen zukommen, weil der Autobauer die neuen strengeren CO2-Vorgaben nicht einhält, schloss Müller wie schon in Genf aus.

Unzufrieden zeigte sich der Konzernchef mit dem von ihm als Folge des Abgas-Betrugs ausgerufenen Kulturwandel bei Volkswagen. In diesem Punkt sei der Autobauer noch am weitesten von seinem Ziel entfernt. Ihm gehe der Wandel nicht schnell und mutig genug voran, sagte Müller. Er sei enttäuscht, wenn immer wieder Vorgänge bekannt würden, die seinen und den Werten des Unternehmens widersprächen – wie zum Beispiel die Versuche mit Affen, die Diesel-Abgasen ausgesetzt wurden. Müller: „Ich muss mir dann selbst immer wieder klarmachen: Kulturveränderungen in großen Organisationen brauchen Zeit. Rückschläge gehören dazu.“

Bei allen anderen Zielen sei das Unternehmen im vergangenen Jahr deutlich vorangekommen, wovon die Rekordzahlen zeugten. Von dieser Entwicklung und vom „Zukunftspakt“, der zwischen Unternehmen und Betriebsrat vereinbart wurde, habe speziell auch die Marke VW profitiert, sagte Witter. Dazu zählten ein deutlich besseres Ergebnis und eine deutlich höhere Rendite. Details werden heute in Wolfsburg vorgestellt.

Nach Angaben Müllers hat der Volkswagen-Konzern die vom Abgas-Betrug ausgelöste Krise zur Erneuerung genutzt. „Der Tanker Volkswagen hat seine Richtung geändert. Kurs: Zukunft“, sagte Müller.

Das Unternehmen sei wirtschaftlich noch nie so stark gewesen wie in diesen Tagen. Der vom Konzern selbst eingeleitete Wandel zu mehr Effizienz und zukunftsfähiger Technik werde in diesem Jahr beschleunigt, kündigte er an. „Wir wissen, dass dies notwendig ist, damit wir unsere Ziele erreichen. Bei uns ist viel in Bewegung gekommen, und wir haben noch sehr viel vor.“