Braunschweig. Der Peiner verantwortete als SPD-General zwei schmerzhafte Wahlniederlagen. Nun übernimmt er als Arbeitsminister ein Kernressort.

Bei der Besetzung von Spitzenämtern in der Politik geht es nicht immer nur um die beste Qualifikation, sondern auch um Proporz. So musste die SPD-Spitze um Andrea Nahles und Olaf Scholz bei der Besetzung ihrer Ministerriege für die Große Koalition nicht nur den größten Landesverband bedienen, nämlich Nordrhein-Westfalen, sondern auch den zweitgrößten: Niedersachsen.

Die frühere nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze wollte nun unbedingt das Umweltressort übernehmen. Der eigentlich dafür vorgesehene und besser qualifizierte Umweltexperte Matthias Miersch aus Niedersachsen war plötzlich aus dem Rennen – und Hubertus Heil etwas überraschend der Nutznießer einer Rochade: Er steigt aus der zweiten Reihe an die Spitze des Arbeitsministeriums auf.

Heils fachliche Kompetenz gilt als unbestritten. Der 45-Jährige ist hervorragend vernetzt. Als SPD-Fraktionsvize war Heil neben der Wirtschaftspolitik vor allem für Bildung/Forschung zuständig. Er saß vor bereits knapp 20 Jahren als einer der Jüngsten im Bundestag. Das Mandat als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Gifhorn/Peine verteidigte er bis heute.

Heil wäre gerne Bildungsminister geworden. Er saß bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union für diesen Bereich am Tisch. Mit keinem Wort, nicht einmal mit einer mimischen Regung, hatte Heil Spekulationen in den vergangenen Wochen kommentiert. Sein Wunsch war dennoch ein offenes Geheimnis.

Nun kann er sich im Arbeitsministerium profilieren. Es gibt schlechtere Ressorts. Heil hat namhafte Vorgänger: Franz Müntefering, Olaf Scholz – und Andrea Nahles. Heil verantwortet in der Bundesregierung den größten Etat: 135 Milliarden Euro.

Was er vorhat, wollte Heil am Freitag auf Anfrage noch nicht verraten. Es gebe eine Vereinbarung unter den SPD-Ministern, Inhaltliches erst nach der Vereidigung am Mittwoch zu verkünden. Heil äußerte sich nur allgemein: „Es geht um den sozialen Rechtsstaat, es geht um den Zusammenhalt der Gesellschaft, es geht um die Zukunft der Arbeit.“

Zweimal war Heil bereits SPD-Generalsekretär. Beide Male standen am Ende schmerzhafte Niederlagen bei Bundestagswahlen. Von November 2005 an managte er vier Jahre lang die Parteizentrale. Er begann als 33-Jähriger. Am Ende seiner ersten Amtszeit stand die bis dato schwerste Niederlage eines SPD-Kanzlerkandidaten. Mit 23 Prozent erlitt die Traditionspartei mit dem damaligen Kandidaten Frank-Walter Steinmeier eine historische Schlappe. Vorangegangen waren turbulente Zeiten – mit drei SPD-Chefs in vier Jahren: Matthias Platzeck, Kurt Beck und Franz Müntefering.

Eng verbunden war Heil mit Platzeck, der 2005 Parteichef wurde. Beide kannten sich aus Potsdam, wo Heil studierte, vor allem jedoch für die SPD-Landtagsfraktion gearbeitet hatte. Platzeck berief Heil zum Generalsekretär, er blieb es unter Beck und Müntefering. Jene Jahre waren geprägt von der Großen Koalition, einer beliebten Angela Merkel (CDU), schlechten SPD-Umfragewerten und den Wechseln an der Parteispitze.

Heil wurde die Wahlschlappe 2009 nicht angekreidet. Auch 2017 wurde ihm die Wahlniederlage nicht persönlich zur Last gelegt. Wie jetzt gab es wieder eine Personalrochade, wieder war Heil einer der Nutznießer. Da Manuela Schwesig aus dem Familienministerium als Ministerpräsidentin nach Mecklenburg-Vorpommern wechselte, nahm die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley Schwesigs Position ein – und Heil wurde wieder SPD-General.

Als Heil im Juni 2017 übernahm, war der Wahlkampf schon in vollem Gange. Der Peiner unterstützte Kanzlerkandidat Martin Schulz. Wieder gab es ein für die SPD desaströses Ergebnis. Und wieder blieb an Heil nichts haften. Er kündigte danach an, er stehe für den Posten nur noch übergangsweise zur Verfügung.

Auch dass Heil ein langjähriger Vertrauter des Goslarers Sigmar Gabriel ist, schadete ihm offensichtlich nicht. Andrea Nahles und auch Olaf Scholz machten keinen Hehl daraus, dass sie den zuletzt sehr beliebten und auch sehr erfolgreichen Gabriel aus persönlichen Gründen nicht wieder als Außenminister besetzen werden. Heil aber erklimmt die nächste Stufe der Karriereleiter.

Bei seiner Vorstellung am Freitag in Berlin lobte ihn SPD-Fraktionschefin Nahles: „Er ist als stellvertretender Fraktionsvorsitzender über viele Jahre mit dem Thema Wirtschaft, Bildung und Arbeit befasst gewesen. Insbesondere hat er sich da auch um das Thema Weiterbildung bemüht. Ich glaube, die Kombination aus Arbeit und Bildung ist für die Zukunft unseres Landes von größter Bedeutung.“

Nahles erwähnte auch, dass Heil als Kind der Region Braunschweig besonders eng befasst sei mit der Digitalisierung, einem Schwerpunkt der Arbeitswelt der Zukunft. Nahles meinte damit wohl unter anderem die Umstrukturierungen bei VW und den Zulieferern. Heil erklärte: „Ich bin in unserer Region aufgewachsen. Wir hatten den Strukturwandel in der Stahlindustrie. Jetzt steht ein neuer Strukturwandel an.“