Braunschweig. Bei den Bußgeldern ist Deutschland ein „Billigland“, sagen Polizeigewerkschafter. Experten sehen eine Erhöhung zum Teil kritisch.

Unser Leser Michael Lotsch aus Salzgitter bemerkt:

Anstatt höhere Bußgelder festzulegen, sollte man solche ins Auge fassen, die der finanziellen Situation des einzelnen entsprechen.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Die Bußgelder für Verkehrssünder wurden erst im Oktober 2017 erhöht. Doch vielen Experten reicht das nicht – auch weil Deutschland im EU-Vergleich weit hinterherhinkt. Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wird deshalb in der kommenden Woche über eine weitere Anhebung der Sätze diskutiert.

Bußgelder in Europa

Wer in Deutschland mit dem Handy am Steuer erwischt wird, muss 60 Euro Bußgeld zahlen. In Italien wären 160 Euro, in Dänemark 200 und in den Niederlanden sogar 230 Euro fällig. Auch beim Bußgeld für zu schnelles Fahren belegt Deutschland einen der hinteren Plätze.

„Deutschland ist bei der Sanktionierung von Verkehrsverstößen im europäischen Vergleich ein Billigland“, beklagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Arnold Plickert. „Das muss sich ändern“, sagte er der dpa. Neben der GdP fordern auch andere Experten eine Erhöhung der Bußgelder – doch längst nicht alle sind davon überzeugt.

Ähnlich wie die GdP will sich der ACE Auto Club Europa für höhere Bußgelder einsetzen. Die sollten vor allem für Delikte steigen, die als Hauptunfallursachen gelten, sagte Vorstand Stefan Heimlich. Er nennt „Rasen“, „Alkohol am Steuer“ und Ablenkung durch Handy. Die Erhöhung wäre die richtige Reaktion auf die zunehmende Aggression im Straßenverkehr, äußerte sich der ACE-Chef in einer Mitteilung.

In Goslar soll auch darüber diskutiert werden, ob die Höhe der Sätze künftig vom Einkommen abhängig gemacht werden soll. Ein deutliches „Ja“ kommt auch hier vom ACE. „Bußgelder müssen für alle die gleiche Wirkung entfalten“, sagte Sprecherin Anja Smetanin. Sie argumentiert also ganz im Sinne unseres Lesers.

Der ADAC spricht sich gegen eine pauschale Erhöhung aus und befürwortet eine „gezielte Anpassung einzelner Bußgeldsätze“, so Chef-Jurist Markus Schäpe. „Es muss bei einzelnen Tatbeständen geprüft werden, ob die Höhe des Bußgeldes dem Gefährdungspotenzial entspricht.“

Ähnlich sieht es auch Kirsten Lühmann (SPD). Die Bundestagsabgeordnete aus dem Landkreis Celle ist Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages. Sie sieht eine „Unwucht im Bußgeldkatalog“. So könne es nicht sein, dass das unberechtigte Befahren einer Rettungsgasse (100 Euro und ein Punkt) weniger streng geahndet wird als das Nichtbilden einer Rettungsgasse (200 Euro und zwei Punkte). In der kommenden Legislaturperiode müsse dringend nachgebessert werden. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe sich dagegen gesperrt. Lühmann ist gegen eine pauschale Erhöhung der Bußgelder.

Das sieht auch der Wolfsburger Günter Lach (CDU) so. Lach war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag vor wenigen Monaten ebenfalls Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages. Er sagte: „Es kann nicht sein, dass alles erhöht werden soll. Wir müssen auch an die Autofahrer denken. Diese dürfen nicht zum Zahlmeister werden.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hingegen stärkt der GdP den Rücken. „Die durchgängig niedrige Sanktionshöhe in Deutschland wirkt selten abschreckend“, sagte deren Verkehrsexperte Wulf Hoffmann der dpa.

Dirk-Antonio Harms, Verkehrspsychologe aus Braunschweig, schätzt die eigentlichen Problemfälle im Straßenverkehr auf ein bis drei Prozent der Autofahrer. Das sind die vielzitierten notorischen Raser. Harms ist sich sicher: „Sie lassen sich von höheren Bußgeldern nicht beeindrucken – nur von mehr Kontrollen. Dann ist das Risiko einer Strafe, eventuell sogar einer Fahrerlaubnis, viel höher.“