Braunschweig. Aufladbare Batterien können Flugzeuge nicht antreiben, völlig neue Konzepte müssen her. Professor Rolf Radespiel erklärt die Gründe.

Die für die Luftfahrt einschneidenden Ereignisse in den vergangenen zehn Jahren waren die Nuklearkatastrophe von Fukushima und die internationale Finanzkrise. Das hat vorher so nicht wahrgenommene Unsicherheiten hinsichtlich der technischen Grundlagen unserer Industriegesellschaft und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Vordergrund der gesellschaftlichen Diskussion geschoben. Folgerichtig definierte unser Land die Energiewende als staatliches Ziel und fördert seitdem verstärkt Forschung und Entwicklung als Mittel zur Zukunftssicherung.

In Braunschweig ermöglichte das staatliche Handeln den Aufbau von mehreren Forschungszentren an der Technischen Universität und den Ausbau der Großforschungseinrichtungen, zum Beispiel beim DLR. Ein großer Teil dieser wissenschaftlichen Zentren sieht seine Beiträge zu nachhaltigen Lösungen für das Problem der Energieversorgung und des Klimawandels als eine zentrale Aufgabe an. Damit haben gesellschaftliche Anforderungen und staatliches Handeln einen starken, positiven Einfluss auf die Perspektiven der Ingenieurwissenschaften für die nächsten Jahrzehnte genommen.

In der Luftfahrt spiegelt das Streben der Menschen nach guten Flugverbindungen für Fernreisen einerseits und die Ablehnung von Treibhausemissionen, Lärm sowie der Ausbeutung endlicher, natürlicher Ressourcen andererseits einen der modernen Konflikte der Gesellschaft wider. Die Luftfahrt der Zukunft benötigt dafür ganzheitliche Lösungen, die ökologisch verträglich und wirtschaftlich umsetzbar sind.

Das besondere Problem der Luftfahrt ist dies: Das Flugzeug überwindet als Fernverkehrsmittel Distanzen von 1000 bis 15 000 Kilometern. Aus physikalischen Gründen können aufladbare Batterien die Energieversorgung hierfür nicht bereitstellen. Die technologische Antwort besteht aus der drastischen Senkung von Energieverlusten beim Fliegen, zum Beispiel hinsichtlich Luftwiderstand, Antriebswirkungsgrad, Flugzeuggewicht und der Organisation des Luftverkehrs, sie erfordert dazu eine noch nicht erforschte Architektur der Energieversorgung von Flugzeugen mit neuen Kraftstoffen aus nachhaltiger Kreislaufwirtschaft.

Die Zukunft der Luftfahrttechnik und meines Faches, der Aerodynamik, entscheidet sich an der Lösung des schwierigen Problems der nachhaltigen Energieversorgung bei Langstreckenflügen.

Im Niedersächsischen Forschungszentrum für Luftfahrt haben wir erkannt, dass die klassischen Disziplinen des Flugzeugbaus wie Leichtbau, Aerodynamik, Flugantriebe und Flugführung das Problem allein nicht lösen können.

Daher haben wir in den letzten 10 Jahren Forschungsprogramme entwickelt, die die bestehenden Kompetenzen in Braunschweig und Hannover in der Mobilitätswirtschaft, Energietechnik, Produktionstechnik, Elektrotechnik, Chemie und Mathematik mit einbeziehen. In der Exzellenzinitiative III des Bundes und der Länder wollen wir so ein Programm mit einem Forschungscluster unter dem Titel „Nachhaltige und energieeffiziente Luftfahrtsysteme“ verwirklichen. Die Energiewende in der Luftfahrt wird allerdings noch Jahrzehnte dauern und erfordert langfristige Forschungsanstrengungen auch mit staatlicher Unterstützung.