Wolfsburg. Volkswagen will die Märkte USA und Südamerika erobern – zunächst mit Geländelimousinen, dann mit Elektro-Fahrzeugen.

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Unsere Leserin Sabine Horstmann bemerkt auf unseren Facebook-Seiten:

Es wird nicht genug Kunden geben, die frühzeitig auf E-Mobilität umsteigen. Die Fahrzeuge sind viel teurer in der Anschaffung, es gibt kein flächendeckendes Netz zur schnellen Aufladung mit Strom und das Aufladen zu Hause ist von der Amperezahl her gar nicht zu leisten.

Dazu recherchierte Katharina Lohse

Auf dem Weg an die Spitze der neuen Automobilwelt gibt es keine Widersprüche. Der als Dreckschleuder verpönte Geländewagen, der sogenannte SUV, gehört bei Volkswagen ebenso ins Konzept wie das Elektro-Auto. Und so rahmten bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Strategie der Marke, „Transform 2025+“, zwei Fahrzeuge den Vorstand: Der T-Prime Concept – eine SUV-Studie, die einen Ausblick auf den neuen Touareg gibt, der 2017 auf den Markt kommen soll – und das Elektro-Auto I.D., das Volkswagen auf dem Autosalon in Paris im Oktober vorgestellt hat. Herbert Diess, Chef der Marke VW PKW, sagte selbst: „SUV und E-Autos sind kein Widerspruch.“ 2020 will die Marke 19 SUV im Angebot haben. Derzeit sind es zwei Modelle.

VW will in den USA zum Volumenhersteller werden

Der SUV werde zu Unrecht verteufelt, sagte Diess. Die Zeit, in denen diese Fahrzeuge sehr viel mehr verbraucht hätten als beispielsweise der Golf, seien vorbei. Letztlich sei nicht der Allradantrieb, sondern die höhere Sitzposition das entscheidende Kaufargument. Und da bahnt sich ein Übergang zur E-Mobilität an. „Da die Batterien der E-Fahrzeuge im Boden eingebaut werden, sitzt der Fahrer automatisch höher.“ Vom SUV zum E-Auto heißt demnach auch der Plan für den derzeit wohl größten Sorgen-Markt: die USA.

In diesem „großen und vor allem sehr gewinnträchtigen Markt“ will sich VW vom „Nischenanbieter zum relevanten und profitablen Volumenhersteller“ entwickeln. In den USA will die Marke seinen SUV-Anteil am Gesamtvolumen von 15 auf mehr als 35 Prozent steigern. Dafür hat VW den Atlas entwickelt. Von 2021 an will VW Elektro-Fahrzeuge dann auch in Nordamerika bauen. Wo, ließ Diess offen. Derzeit produziert VW in den USA den US-Passat in Chattanooga.

Frank Schwope, Auto-Analyst der Nord-LB, hält das Festhalten an den USA für einen Fehler. „Auch wenn die USA von vielen VW-Vorständen als Herausforderung gesehen wurden und werden, scheint das Land für Volkswagen jedoch ein Fass ohne Boden zu sein.“ Neben den Kosten aus dem Diesel-Skandal, die sich „allein in den USA auf 15 bis 20 Milliarden Euro summieren dürften, dürfte sich in den vergangenen zwei Dekaden ein gleichfalls deutlicher Verlust auf dem operativen Geschäft ergeben haben“. Auch mit Blick auf die neue US-Regierung und mögliche zunehmende Freihandelsbarrieren könne ein Rückzug der Marke Volkswagen aus den USA eine prüfenswerte Option sein. Den Risiken in den USA stünden nur relativ geringe Chancen gegenüber. „Asiatische Wachstumsmärkte dürften hingegen rentabler und weniger risikoreich sein“, so Schwope.

Nichtsdestotrotz und auch gezwungenermaßen hat VW in den USA auch die Infrastruktur zur E-Mobilität im Blick. „In den kommenden Jahren werden wir dort erheblich in die Elektro-Infrastruktur investieren“, hieß es. Der Grund: Der Milliarden-Vergleich im Abgas-Skandal zwischen VW, der US-Regierung, Umweltbehörden, VW-Händlern sowie 480 000 Besitzern von Diesel-Autos mit 2-Liter-Motoren sah unter anderem 2,7 Milliarden Dollar zur Finanzierung von Umweltausgleichsmaßnahmen und Milliarden Dollar zur Förderung der Nutzung von Null-Emissions-Fahrzeugen vor.

„Wir müssen uns um Südamerika kümmern“

In vier bis fünf Jahren werde die Elektromobilität den Durchbruch schaffen – auch, weil die gesetzlichen Emissionsvorgaben immer rigider würden. Den erwarteten, erhöhten technischen Aufwand bei den Dieselmotoren bezifferte Diess mit 1000 Euro je Fahrzeug. „Für die allermeisten Kunden wird das Elektro-Auto bald die bessere Alternative sein“, sagte er und begegnete damit den Sorgen, die wie unsere Leserin Sabine Horstmann viele haben. Sie können sich den Durchbruch der E-Mobilität noch nicht vorstellen, da die Fahrzeuge zu teuer sind, eine zu geringe Reichweite haben und es eben kein flächendeckendes Ladenetz gibt. Bei der Frage, was Volkswagen tue, um auch in Deutschland – zweifelsohne ohne rechtlichen Druck wie in den USA – die Ladeinfrastruktur voranzubringen, verwies Diess auf den Konzern. Der hat sich beispielsweise 2015 unter anderem mit Daimler zusammengetan, um gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium eine Ladeinfrastruktur an Verkehrsknotenpunkten in Deutschland aufzubauen. 150 Schnellladestationen sollten entstehen.

Die zweite Region, die Volkswagen verstärkt in den Blick nehmen will, ist Südamerika. Die Verkäufe, allen voran in Brasilien, sind dort in der Vergangenheit massiv eingebrochen. „In Brasilien und Argentinien sind wir dabei, Kapazitäten und Kosten deutlich zu senken.“ Vom Stellenabbau, den der Zukunftspakt – ein wesentlicher Teil der Strategie „Transform 2025+“ – vorsieht, sind neben Deutschland vor allem diese Länder mit 7000 Stellen betroffen.

2,5 Milliarden Euro werde dort in neue Produkte investiert. Unter anderem ist eine lokale Variante des Modularen Querbaukastens (MQB) geplant. Bis 2020 will VW in Südamerika wieder schwarze Zahlen schreiben.

Neue Einnahmequellen will die Kernmarke über ein sogenanntes digitales Ökosystem erschließen. Die Plattform We befindet sich Diess zufolge derzeit in der Entwicklung und soll bis 2025 rund 80 Millionen Nutzer gewinnen. Ab ebendiesem Jahr will das Unternehmen rund eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr mit Dienstleistungen rund um das Auto machen.

VW will bis 2030 die Führungsrolle in der neuen Autowelt

Dafür müsse die Marke auch Kompetenz von außen holen. Diess verwies auf 1000 Stellen, die neu in der Softwareentwicklung geschaffen werden sollen. Der Standort Wolfsburg soll bei der Entwicklung des Systems eine zentrale Rolle spielen. Aber auch andere Standorte würden eingebunden. VW wolle den direkten Kontakt zum Kunden wiedergewinnen. Eine ähnliche Strategie hatte jüngst auch MAN mit Rio vorgestellt. Die Software verbindet das Fahrzeug über das Internet mit dem Rest der Welt. So sollen sich zum Beispiel Fahrer, Spediteure, deren Kunden und Partnerunternehmen vernetzen können, um Warenströme und damit Kosten zu optimieren.

Bis 2030 will Volkswagen die Führungsrolle in der neuen Welt der Automobilität übernehmen. 2025 schon soll bereits der Sprung an die Spitze der Elektromobilität gelingen. Finanziert werden soll das unter anderem durch den Wegfall von volumen- und ertragsschwachen konventionellen Modellen. Das soll mehr als 2,5 Milliarden Euro für Investitionen freispielen. Welche Modelle in Zukunft wegfallen könnten, ließ Diess offen.

Schwope von der Nord-LB hält die Umstrukturierungsmaßnahmen für notwendig und geeignet, um den finanziellen Folgen des Diesel-Skandals entgegenzuwirken und den Konzern zukunftsfähig zu machen. Er vermutet: „Die verkündeten Maßnahmen dürften der Auftakt für Kosteneinsparungen auch bei den anderen Automarken des Konzerns sein.“