Braunschweig. Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen erklärt im Interview, welche Modelle es gegen den Ärztemangel gibt.

Dr. Martina Wenker.
Dr. Martina Wenker. © dpa

Was kann man gegen den Ärztemangel tun? Mit der Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker, sprach Katrin Teschner.

Um gegen den Ärztemangel vorzugehen, wird die Kassenärztliche Vereinigung Arztsitze ab diesem Jahr neu verteilen. Ist das Problem damit gelöst?

Nein, aber es ist ein wichtiger Schritt. Bislang galten die Planungsregionen für Arztsitze als zu groß. Ein Kreis kann offiziell genug Ärzte haben, auch wenn diese nur in der Kreisstadt sitzen und 30 Kilometer entfernt auf dem Land kein Mediziner für die Menschen da ist. Dadurch, dass die Planungsgebiete verkleinert werden, kommen neue Niederlassungsmöglichkeiten hinzu. Aber man muss die jungen Leute auch für die Niederlassung gewinnen.

Wie kann das gelingen?

Junge Ärzte wollen gerne Patienten versorgen, sie wollen sich aber auch um ihre Familie kümmern. Das trifft nicht nur auf Frauen zu – auch bei Männern spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zunehmend eine Rolle. Der Trend wird also mehr zu Gemeinschaftspraxen und Ärztehäusern gehen, wo man Arbeitszeiten flexibler gestalten kann.

Ärztehäuser werden eher in großen Kommunen entstehen. Wie kann man Ärzte dazu bewegen, auf das Land zu ziehen?

Zum einen sind die Kommunen gefragt: Attraktiv sind zum Beispiel Gemeinden, die gute Verkehrsanbindungen zu Schulen bieten können oder gute Angebote zur Kinderbetreuung machen. Außerdem gilt es, innovative Ideen zu entwickeln. Denn viele jungen Mediziner scheuen das finanzielle Risiko, das die Selbstständigkeit mit sich bringt.

In Sögel im Emsland wird die Kassenärztliche Vereinigung zusammen mit der Samtgemeinde zum Beispiel eine Arztpraxis aufbauen; der Arzt ist mit festem Gehalt angestellt und übernimmt die Praxis erst, wenn sie gut läuft. Solche Modelle wünsche ich mir auch in anderen Regionen.

Das Land Niedersachsen bietet auch finanzielle Anreize, um Ärzte in abgelegene Gebiete zu locken.

Geld allein wird das Problem nicht lösen – wie gesagt, wir werden auch auf andere Modelle setzen müssen: Ärzte könnten eine Zweigpraxis auf dem Land gründen, Gemeinden einen Shuttleservice für Patienten anbieten. Auch die Telemedizin wird eine Versorgungsform der Zukunft sein: Diabetiker können etwa ihre gemessenen Werte dem Arzt elektronisch schicken und sich damit Wege zur Praxis sparen.

Auch müsste man Ärzte dringend von Bürokratie entlasten; inzwischen fallen 30 Prozent der Zeit für Verwaltungsarbeit an. Es wäre schön, wenn man das halbieren könnte.

Müssen die Medizinstudenten an den Unis nicht auch stärker auf die Aufgaben eines Freiberuflers vorbereitet werden?

Auf jeden Fall sollten junge Mediziner frühzeitig in einer Hausarztpraxis hospitieren. Viele stellen dabei fest, dass ihnen diese Arbeit Spaß macht.

Auch Praktika in Facharztpraxen sind während des Studiums sinnvoll – es werden ja nicht nur Hausärzte gesucht, auch Augenärzte haben zum Beispiel Nachwuchssorgen.