Dorste. Archäologen und Historiker untersuchen die Ruhestätte der Familie von Hedemann in Dorste. Wie können die historischen Särge konserviert werden?

Wer zurzeit die St. Cyriaci-Kirche in Dorste betritt, den erwartet Besonderes: Denn im Altarraum sind historische Särge verschiedener Größe zu sehen.

Die Archäologen und Kunsthistoriker, Dr. Regina Ströbl und Dr. Andreas Ströbl aus Lübeck arbeiten hier im Auftrag des Kirchenvorstandes, um die Objekte zu restaurieren und für weitere Jahrhunderte zu erhalten.

Es handelt sich um 20 Erwachsenen- und fünf Kindersärge, die normalerweise in zweigeschossiger Stellung in der Gruft aufgestellt sind, welche die Familie des Adelsgeschlechts von Hedemann um 1700 im Turm der St. Cyriaci-Kirche in Dorste angelegt und gut 150 Jahre genutzt hat. 1935 erfolgten dann eine Zählung der Särge und Sicherungsmaßnahmen in der Gruft.

Kultureller Schatz im Dorster Kirchturm

Man schrieb das Jahr 2017, als die beiden Lübecker Experten, die sich seit 20 Jahren bundesweit dem Erhalt von Grüften verschrieben haben, auf den kulturellen Schatz im Dorster Kirchturm aufmerksam wurden. Die Forschenden wollten wissen, wie es um den Zustand der kulturhistorischen Schätze aussieht. Sie überzeugten den Kirchenvorstand Dorste, insbesondere deren damaligen ersten Vorsitzenden, Hilmar Merkel, von ihrem Vorhaben.

Gebeine der Bestatteten.
Gebeine der Bestatteten. © Kirche

Dann begann die Suche nach Sponsoren. Auch wenn sich die als schwierig und langwierig herausstellen sollte, wollte keiner aufgeben. Und diese Ausdauer wurde jetzt belohnt. Denn die Stiftung „Braunschweigischer Kulturbesitz“ und die VGH-Stiftung Hannover/ Göttingen öffneten ihre Spendendosen weit. Die Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesucher der St. Cyriaci-Kirche hatten über die Jahre hinweg auch schon einiges für dieses Vorhaben dazu gegeben. Die Arbeit konnte beginnen.

Unberührte Gruft: Osteroder Ortsteil Dorste kann stolz sein

Regina Ströbl und Dr. Andreas Ströbl waren fasziniert von dem ersten Eindruck. Schließlich hatte die durch kleine Öffnungen eindringende Luft die Särge gut konserviert. Nur die unteren Särge haben etwas gelitten, weil sich im Stampflehmboden die Feuchtigkeit gehalten hat. Auch die starken Eichenbalken, auf denen diese Särge gestanden hatten, gaben im Lauf der Zeit wegen Fäulnis teilweise nach.

Besonders erfreulich ist aber die Tatsache, dass die Särge alle niemals mutwillig beschädigt worden waren. Damit gehört Dorste zu den wenigen Ortschaften, die stolz auf die Unberührtheit ihrer Gruft sein dürfen. Der verbleibende große Rest der insgesamt 50 Grüfte, welche die beiden Archäologen schon bundesweit aufgearbeitet haben, sei leider durch Diebstahl und Vandalismus beschädigt worden.

Vertreter des Ortsrates, des Kirchenvorstandes sowie des Heimat- und Geschichtsvereins Dorste schauen Dr. Regina Ströbl und Dr. Andreas Ströbl interessiert über die Schultern.
Vertreter des Ortsrates, des Kirchenvorstandes sowie des Heimat- und Geschichtsvereins Dorste schauen Dr. Regina Ströbl und Dr. Andreas Ströbl interessiert über die Schultern. © HK | Petra Bordfeld

„Wir haben durchgeatmet, als wir diese recht unbeschädigten Kulturzeugnisse sahen“. Denn so konnten sich beide mit großer Freude, Geduld, Pinsel und speziellen Reinigungsmitteln an die Arbeit machen. „Die Särge sind qualitätsvoll bemalt, und die Farbe ist teilweise noch so frisch, als sei sie nicht schon vor Jahrhunderten, sondern erst gestern auf das Eichenholz gebracht worden“. Die eisernen Beschläge wurden und werden ebenfalls sorgsam vom Rost befreit und mit Spezialwachs für die nächsten Jahrhunderte geschützt.

Kulturdenkmal: Den Staub der Jahrhunderte behutsam entfernt

Mit Staubsauger und weichem Pinsel wurden Staub und Putzbrocken, die schädigende Feuchtigkeit halten, behutsam entfernt. Leichter Schimmelbefall sowie das eine oder andere Holzwurmloch waren auch zu sehen.

So sieht die ausgeräumte Gruft aus. 
So sieht die ausgeräumte Gruft aus.  © Kirche

Bevor sich aber die Doktoren Ströbl ans Werk machen konnten, galt es erst einmal die wichtige Frage zu beantworten, wie die bis zu 300 Kilogramm schweren Särge aus der Gruft herausgeholt werden können. Der Hilferuf erreichte auch die Freiwillige Feuerwehr Dorste. Und acht Kameraden stellten sich zusammen mit drei Kirchenvorstandsmitgliedern für diese nicht alltägliche Aktion zur Verfügung. Eigens dafür schlüpften sie in Schutzbekleidung und setzten auch Atemschutzmasken auf. Zusammen erledigten sie die Aufgabe in etwa acht Stunden.

Feuerwehr hilft bei anstrengender Arbeit an 300-Kilo-Särgen

„Es war insgesamt körperlich sehr anstrengend, aber die Kunstwerke, die wir zu Tage gebracht haben und die Historie, die dahinter steckt, sind wirklich faszinierend und haben über den Muskelkater hinweg geholfen“, so Ortsbrandmeister Maik Sindram. Er und sein Team werden übrigens zum richtigen Zeitpunkt dafür sorgen, dass die Särge wieder in die Gruft geladen und dort angemessen aufgestellt werden.

Viele starke Hände sind erforderlich, um die rund 300 Kilogramm schweren Särge aus der Gruft herauszuheben.
Viele starke Hände sind erforderlich, um die rund 300 Kilogramm schweren Särge aus der Gruft herauszuheben. © HK | Petra Bordfeld

Der Heimat- und Geschichtsverein Dorste ist besonders froh über dieses zeitgeschichtliche Geschehen. Denn diese ungewöhnliche Restaurierung findet ja im Rahmen der 1.000-Jahrfeier der Ortschaft statt.

Ein Ereignis von herausragender Bedeutung

Ortsbürgermeister Gerrit Armbrecht, der mindestens ebenso stolz wie der Heimat- und Geschichtsverein auf diese Arbeiten ist, betonte, dass diese Sanierung wirklich ein Ereignis von herausragender Bedeutung sei.

Er sprach allen, die irgendwie an diesem Projekt mitgewirkt haben, oder gleiches noch tun, auch im Namen des Ortsrates ein großes Dankeschön aus. Übrigens wohnt Armbrechts Familie in einem Teil des ehemaligen Hedemannschen Gutshofes und hat daher eine besondere Verbindung zur Geschichte des Adelsgeschlechtes.

Bevor die Särge wieder in sehenswertem Zustand zurück in die Gruft kommen, in welcher sie wohl die nächsten 300 Jahre gut überstehen werden, wird dort erst einmal der Lehm- durch einen Backsteinboden ersetzt. Loser Putz, der auf die Särge fallen könnte, ist bereits von der Gewölbedecke entfernt worden.

Ein ganz besonderes Kulturdenkmal von überregionalem Rang ist hier in vorbildlicher Gemeinschaftsarbeit für die Zukunft bewahrt worden.