Herzberg. Jürgen Menge vom Verein für Umweltschutz über den Zusammenhang zwischen Corona-Pandemie, Klimakrise und der Lebensweise der Menschen.

Jürgen Menge vom Verein für Umweltschutz Herzberg hat sich in einem Beitrag für den Harz Kurier Gedanken über den Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie, der Klimakrise und der Lebensweise der Menschen gemacht. Er schreibt: „Es ist verständlich, dass viele Menschen ein baldiges Ende der Pandemie herbeisehnen. Sie wollen ihr altes Leben zurück. Die Corona-Krise offenbart, wie verletzlich unsere Art zu leben mittlerweile geworden ist. Wie schnell unser Leben sich verändert, wenn wir von Krisen betroffen sind. (...) Die Ursache der Corona-Krise ist, so die Meinung von Wissenschaftlern, nicht allein mit der Entstehung von Viren zu erklären. Es ist eine Folge (...) unserer Art zu leben. Insbesondere den Zusammenhang zwischen zwei Krisen unserer Zeit, der Klimakrise und der Corona-Krise, möchte ich aufzeigen.“ Wir geben seinen Text hier in einer gekürzten Version wieder:

Jürgen Menge.
Jürgen Menge. © HK | Paul Beier

„Wir stecken in einer Krise. Wie verlässlich ist unsere Welt in Zeiten der Corona- und der Umweltkrise? Wieder werden wir, wird unsere Art zu leben, durch eine Krise, in Frage gestellt. Wir stellen fest, dass die Trockenheit zunimmt, Bäume vertrocknen, Arten weltweit aussterben, die Durchschnittstemperaturen ansteigen, Waldbrände zunehmen und sich das Klima weltweit verändert. Jetzt auch noch eine weltweite Corona-Pandemie, die unsere bisherige Form des Lebens in Frage stellt. Beide Krisen verändern unser Leben.

Seit über 40 Jahren wird der Einfluss der Menschen auf das Weltklima erforscht

Seit über 40 Jahren wird wissenschaftlich erforscht, wie sich das Weltklima und unsere natürliche Lebensumwelt durch unser Wirken verändert. Es wurde schon früh vermutet und in den letzten Jahrzehnten konnte es wissenschaftlich bewiesen werden, wie sich diese Veränderungen negativ auf unseren Lebensraum und unser Leben auswirken. (...) Wir gehen trotzdem nicht vorsichtiger mit den Ressourcen der Erde um. Wir belasten die Luft, rauben den Boden aus und verschmutzen das Wasser. Durch die letzten drei trockenen und warmen Jahre werden die Folgen unseres Handels auch in unserer Region deutlich. (...)

Das alles, das wird in der Corona-Krise deutlich, hat Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Welchen Einfluss haben die Klimakrise und die damit einhergehende Umweltzerstörung auf die Entwicklung von Krankheiten? (...) Durch das Ansteigen der Temperaturen entstehen auch nördlich der Alpen Lebensräume für invasive Arten. Diese (z.B. die Tigermücken oder die Riesen-Zecke) können zur Verbreitung von gefährlichen Virenarten bei uns beitragen. Das Bevölkerungswachstum, so die Meinung vieler Klimaforscher und der damit einhergehende wachsender Energie- und Rohstoffverbrauch führt nicht nur bei uns, sondern auch in den südlichen Ländern zu Umweltzerstörungen.

Mit dem Welthandel können sich Krankheiten schneller verbreiten

Immer mehr Menschen drängen seit Jahrzehnten in Südamerika, Asien oder Afrika mit Waldrodungen in die knapp werdenden Lebensräume der Wildtiere vor, verdrängen diese und verspeisen einige von ihnen. Dabei kommen sie mit deren Bakterien und Viren in Kontakt. Zoonosen treten immer häufiger auf. (...)

Die Zerstörung des Regenwaldes hat außerdem globale Auswirkungen auf das Klima. Wir zerstören nicht nur den natürlichen Lebensraum von Pflanzen, Tieren und dort lebenden Menschen, sondern zerstören durch Waldrodungen einen wichtigen CO2-Speicher der Erde. Auf den gerodeten Flächen wird häufig anschließend industrielle Landwirtschaft für den Export betrieben. In Brasilien wird u.a. Palmöl oder Soja für die Industrieländer produziert. Der dort oder in den USA produzierte Soja wird bei uns in der Massentierhaltung eingesetzt. (...) Mit dem Welthandel und der Reisetätigkeit können sich Krankheiten schneller über die Welt verbreiten. (...) Im letzten Jahr wurde wohl in Wuhan, einer Millionenstadt in China, auf Tiermärkten Viren durch den Kontakt mit Wildtieren auf den Menschen übertragen. Auch dieses Virus breitete sich mit den handeltreibenden Menschen und Touristen von über die Welt aus. China ist ein wichtiger Handelspartner der westlichen Industrieländer. (...)

„Diese Entwicklung müssen wir nun umkehren. “

Welche Folgen hat die Verlagerung von Teilen der Produktion aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer? Vor 150 Jahren begannen wir unsere technische Entwicklung und unseren Wohlstand auf Kosten der Schädigung und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen in vielen Teilen der Welt zu erwirtschaften. Die Entwicklungsländer waren die Rohstofflieferanten. Die Industrienationen haben diese verarbeitet und sind deshalb für etwa 80 Prozent des von Menschen produzierten in der Erdatmosphäre angesammelten CO2-Konzentration verantwortlich. Wir sind also maßgeblich verantwortlich für den globalen Temperaturanstieg und seine Folgen.

Diese Entwicklung müssen wir nun umkehren. Das ist eine enorme Herausforderung. Jedes Jahr müssen wir weltweit den CO2-Ausstoß jährlich um 7,6 Prozent reduzieren, um den drohenden Temperaturanstieg um 2 Grad zu verhindern. (...) Bekommen wir diese Klimaveränderungen nicht in den Griff, werden darunter die folgenden Generationen auf vielfältige Weise leiden.

(...) In den letzten 50 Jahren erfolgte eine Verlagerung der industriellen Produktion der westlichen Länder z.B. nach Asien oder Südamerika. Das hat auch hier zu einen steigenden Energie-, Landschafts- und Wasserverbrauch geführt. China ist ein gutes Beispiel, wie schnell ein Entwicklungsland zur Industrienation aufsteigen kann. In China wird zurzeit auch mit Kohlekraftwerken der Energiehunger gestillt. Das führte in den letzten Jahrzehnten zu einer Verlagerung des CO2-Ausstoßes und vieler Umweltbelastungen in diese Regionen. Arbeitskräfte sind dort nicht nur billiger, auch die Umweltstandards sind niedriger. China hat sich zu einen der größten CO2-Emittenten entwickelt. Die Luft im Ruhrgebiet ist sauberer geworden. Die Luftverschmutzung in Chinas Ballungsgebieten hat zugenommen. Das führte in der Corona-Pandemie zu schweren Verläufen bei den Erkrankungen der Atemwege. Klimaschutz und weltweite Bemühungen zum Schutz der natürlichen Umwelt sind, das macht auch die Corona-Krise deutlich, Teil einer langfristigen Gesundheitsvorsorge. (...)

In der Massentierhaltung können sich Krankheitserreger schnell von Tier zu Tier übertragen und Mutationen entstehen

Wie trägt die nicht artgerechte Tierhaltung zur Entstehung oder den Verlauf von Krankheiten bei? Die Folgen der Antibiotikabehandlung in der Massentierhaltung sind bekannt. (...) In der Massentierhaltung können sich Krankheitserreger schnell von Tier zu Tier übertragen und Mutationen entstehen. Die Mutation des Covid-19-Virus in der Massentierhaltung von Nerzen in Dänemark und deren Übertragung auf den Menschen zeigt ebenfalls, welche Folgen die nicht artgerechte Massentierhaltung für uns haben kann. Wo Tiere mit Tieren und Menschen mit Tieren auf engsten Raum leben, können diese Krankheiten leicht übertragen, Krankheitserreger mutieren oder Zoonosen bilden.

Was ist zu tun, um diese Entwicklungen zu stoppen? Es reicht nicht aus nur in den westlichen Ländern das Coronavirus zu bekämpfen. In Südamerika und Afrika traten die ersten Mutationen auf, die wir nun auch in Europa nachweisen können. Auch die Klimakrise können wir nicht allein bewältigen. Alle Staaten müssen das Klimaabkommen von Paris einhalten und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre jährlich um 7,6 Prozent reduzieren und so den weltweiten Temperaturanstieg verhindern.

Die Ressourcen der Erde sind endlich

Die Energie der Sonne und des Windes gilt es für unsere Energieversorgung zu nutzen. In den Entwicklungsländern müssen wir die Nutzung der regenerierbaren Energien fördern. Die Weltbevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen. Die Ressourcen der Erde sind endlich. Die Ausbeutung des Bodens muss durch eine Nutzung der Rohstoffe in der Kreislaufwirtschaft, also durch Recyceln, ersetzt werden. Maßnahmen oder Gesetze zum Schutz von Luft, Wasser, Pflanzen und Tiere (unserer natürlichen Lebensgrundlagen) gilt es weltweit zu beschließen. Die Regenwälder und Urwälder sind wichtige Lebensräume seltener Arten. Aus ihnen konnten in der Vergangenheit Bestandteile neuer Medikamente gewonnen werden. Es sind wichtige Wasser- und CO2-Speicher der Erde. Sie müssen wir schützen. Wir müssen auch bei uns mit Gesetzen die Lebensräume der Pflanzen und Tiere erhalten. (...)

In der Landwirtschaft muss der Arten- und Naturschutz stärker Beachtung finden. Durch den verringerten Einsatz von Chemikalien, die den Boden und das Wasser belastenden (z.B. durch Rückstände von Dünger, Insektiziden, Herbiziden und Pestizide) können wir unseren Lebensraum erhalten. Der ökologische Landbau muss gestärkt werden. Wir müssen für eine artgerechte Tierhaltung Sorge tragen. Die Verwendung von Antibiotika gilt es in der Landwirtschaft zurückzufahren. Es ist erfreulich, dass die ökologische Landwirtschaft bei uns immer mehr Abnehmer findet. Wer einen Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen leistet, also nachhaltig wirtschaftet, muss in Zukunft stärker gefördert werden.

Enge Verknüpfung der Gesundheit der Menschen mit der Natur

Wenn wir keine Photovoltaik-Anlage bauen können, so können wir sorgsamer mit Energie, Wasser und der Natur umgehen und an Wegrändern, in öffentlichen Parks, in Vorgärten oder auf eigenen Grundstücken für Rückzugsgebiete und Lebensräume von Insekten sorgen. Wir sollten beim Kauf von Nahrungsmittel und Waren darauf achten, wo und wie sie produziert worden. Die Pandemie hat, so der WHO-Chef, die enge Verknüpfung der Gesundheit der Menschen mit den Tieren und der Natur des Planeten belegt. (...) Er fordert zum grundlegenden Umdenken (über das Verhältnis Mensch und Natur) auf, sonst haben wir bald die nächste Pandemie.

Umwelt-, Klima- und Tierschutz, das haben die Krisen der letzten Jahrzehnte gezeigt, sind Beiträge zum Schutz unserer Gesundheit. Die Klima- und die Coronakrise können nur weltweit bekämpft werden. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Nicht das Virus verursacht eine Krise, nicht das Klima steckt in einer Krise, es ist unsere Art und Weise wie wir auf der Erde leben. Der Mensch (unsere Art zu leben) ist die Ursachen dieser Krisen.“ mb