„Uns haben einige kritische Zuschriften und Fragen erreicht, weshalb wir die Inzidenz nicht mehr abbilden.“

Nachdem wir seit der vergangenen Woche die Inzidenzwerte für den Landkreis und die einzelnen Gemeinden nicht mehr vermelden, haben uns einige kritische Zuschriften und Fragen erreicht, weshalb wir so entschieden haben.

Zum einen gibt es seit der letzten Novelle der niedersächsischen Corona-Verordnung vom 3. April keine Regeln mehr, die auf der Inzidenz beruhen. Zum anderen divergieren die Inzidenzwerte des Robert Koch-Instituts und des Göttinger Gesundheitsamtes weiterhin signifikant, so dass eine seriöse Auseinandersetzung mit den jeweiligen Zahlen nur schwer möglich ist.

Ihre einzige verwertbare, aber ungenaue Aussage bleibt – Stand jetzt: Die Infektionszahlen sind hoch und ebenso ist es das Ansteckungsrisiko. Die tägliche Zahl ändert absehbar nichts an der nötigen Warnung, die aber nicht täglich wiederholt werden muss. Ändert sich das, berichten wir.

Mit der wegfallenden Maskenpflicht wird das Risiko aller Voraussicht nach weiter anwachsen; mit den wegfallenden Testpflichten wird es die 7-Tage-Inzidenz jedoch immer schwerer haben, das aktuelle Geschehen annähernd genau abzubilden. Und mit der Genauigkeit schwindet leider auch der Informationsgehalt des Wertes. Er läuft Gefahr, dann mehr Irritation als Orientierung zu bringen.

Die fatale Folge dieser Politik ist, dass die Gesellschaft sich fortan auf „Eigenverantwortung“ verlassen muss. Die ist ein nettes liberales Ideal mit Voraussetzungen, die leider nicht erfüllt werden. Der Definition nach bedeutet der Begriff nämlich, für das eigene Tun und Lassen einzustehen und auch die Konsequenzen zu tragen.

Gerade das passiert aber nicht: Der Fremdschutz, den Masken erwiesenermaßen bieten, fällt weg. Weil der Selbstschutz durch Masken nicht absolut ist, müssen also Menschen die Konsequenzen fremder „Eigenverantwortung“ – in diesem Fall ein höheres Infektionsrisiko – tragen. Aus dem Prinzip „Eigenverantwortung“ folgt nicht, Verantwortung für andere abzulehnen. Um das zu erfahren, muss man nicht John Stuart Mill lesen, Wikipedia reicht.

Aber „Eigenverantwortung“ kann spätestens seit dieser Pandemie mit „Recht auf dumme Entscheidungen“ übersetzt werden. Das mag individueller Freiheit hinreichen. Damit sie aber als Instrument für alle funktioniert, braucht sie als Basis erkenntnisorientiertes Wissen und einen einigermaßen allgemeingültigen Wahrheitsbegriff.