Düna. Endlich Frühling: Auf Düna dürfen die jungen Rinder zurück auf die Weide. Für das Spektakel ist sogar politische Prominenz aus Hannover angereist.
Einhundert Damen und Herren, dicht gedrängt und stark gehörnt, drängen sich um das vegane Frühstücksbuffet. In der Frühlingssonne dampft die Mahlzeit aus Ackerklee noch und schmeckt augenscheinlich ganz vorzüglich: Es muht laut über den Biohof der Familie Wehmeyer auf Düna. Die hungrige Gesellschaft ist in Vorfreude – heute geht es endlich wieder auf die Weide. Der lange Winter im Stall ist für die Kühe und Bullen vorüber, der Frühling hält Einzug und mit ihm die Rinder auf der Wiese.
Ein Schauspiel das Freude macht und das jedes Jahr aufs Neue. Daniel Wehmeyer sagt selbst, dass er ein bisschen nervös ist, an diesem Vormittag. Ob das am Weideauftrieb liegt oder an dem hohen Besuch, der sich angekündigt hat? Die Frage kann Wehmeyer nicht mehr beantworten, denn er springt sofort zurück auf den Traktor, im Schlepptau drei Fernsehreporter vom NDR.
Sehnsuchtsort Bauernhof auf Düna
Seit 2021 drehen sie hier schon ihre „Hofgeschichten“, waren gefühlt schon tausendmal auf dem Hof der Wehmeyers, wie sie berichten. Frank Baebenroth muss kurz nachdenken. Dann legt sich der NDR-Journalist fest: „Seit 2021 filme wir hier auf dem Hof – dass das so eine lange Geschichte werden würde, das konnten wir damals noch nicht erahnen“, gibt er zu. Mehr als 90 Geschichten, zu je sieben Minuten, haben sie hier schon gedreht. Dabei folgen sie den Wehmeyers und ihren Angestellten bei ihrer täglichen Arbeit mit dem lieben Vieh: Harzer Höhenvieh, um genau zu sein – der Heimatrasse des Harzes.
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Den Biohof der Wehmeyers bezeichnet Baebenroth als ein Rundumpaket für das landwirtschaftliche Leben mit seinen guten und schlechten Seiten. Die Intensität der Arbeit hier sei es, die begeistert: „Es ist Infotainment, das wir hier präsentieren. Wir vermitteln Wissen – und zeigen dabei aber auch Sehnsuchtsthemen, welche die Menschen interessieren.“
Rasenmäher mit Bioreaktor
Fast eine Million Zuschauer haben sie so schon erreicht, wie Daniel Wehmeyer berichtet. Der 41-Jährige glaubt an das was er und seine Familie hier tun. Biologische Landwirtschaft, orientiert am Tierwohl und der nachhaltigen Bewirtschaftung der Böden, so beschreiben sie es selbst. Dazu gehört auch, die Tiere als Landschaftspfleger einzusetzen. Die Kuh als Rasenmäher mit eingebautem Bioreaktor zur Düngergewinnung könnte man sagen.
Wenn Wehmeyer erzählt, wie er als junger Mann ohne viel Vorwissen in die Landwirtschaft eingestiegen ist, spürt man die Leidenschaft. Und das Sendungsbewusstsein des Landwirts. Er hat etwas zu sagen, will sich einbringen, diskutieren, berät ehrenamtlich den Kreistag in Göttingen. Er hofft, dass andere seinem Beispiel folgen. Auch deswegen sucht die enge Kooperation mit dem Fernsehen – und der Politik.
Überraschungen im Kuhstall auf Düna
Auf seine Einladung ist heute hoher Besuch aus Hannover auf dem Hof. Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) und der Wahlkreisabgeordnete Alexander Saade (SPD) sind auf Einladung der Wehmeyers nach Düna gekommen, um den Weideauftrieb zu beobachten. Für die Ministerin ist es das erste Mal, dass sie so etwas zu sehen bekommt, auch deswegen sei sie der Einladung gerne gefolgt.
Zu sehen gibt es für sie einiges an diesem Tag. Noch vor ihrem Eintreffen steht die Familie Wehmeyer am Tor zum Stall, in der Box neben den übrigen Tieren schmust eine Kuh mit ihrem Kalb. Es ist in den frühen Morgenstunden dieses Tages geboren, kann sich noch kaum auf den Beinen halten. Es legt sich ins Stroh, die Mutter daneben ins Wochenbett sozusagen. Als die Ministerin eintrifft, schlafen sie scheinbar. Doch während Daniel Wehmeyer der Ministerin seine Geschichte erzählt, unterbricht die junge Kuh seinen Vortrag. Sie bringt dem Kälbchen einen Zwilling zur Welt – der ganze Hof ist im Staunen. Niemand hatte geahnt, dass die Mutter Zwillinge trug. Sehr selten sei das, sagen die Mitarbeiter. Alexander Saade und Miriam Staudte sind bezaubert – und folgen doch der Bitte Wehmeyers, der Mutter etwas Ruhe zu lassen.
Kreislauf des Landlebens
Stattdessen wird das Gespräch nach draußen verlegt. Die Jungrinder, die nun endlich auf die Weide dürfen, drängen sich bereits eng im Traktoranhänger. Auf der ihnen zugedachten Wiese blüht der Löwenzahn, wiegt sich das Gras in der Frühjahrsfrische. Als Wehmeyer, nach kurzer Fahrt, dann endlich das Tor des Anhängers öffnet, gibt es kein Halten mehr. Ein knappes Dutzend Kühe und Bullen donnert auf die Wiese, galoppiert und springt über die Alm, erkundet den Bachlauf am Fuße des Hangs, streift durch den noch kahlen Hain am Ende der Umzäunung. Alexander Saade, gelernter Polizist und frisch gewählter Abgeordneter in Hannover, hält fest: „Das sehe selbst ich, als lediglich gelernter Bulle, sofort, dass die sich wohlfühlen.“
Die Ministerin – bei ihrem Parteibuch wenig verwunderlich – ist ein erkennbarer Fan von Wehmeyers Arbeit: „„Den Tieren ist die Freude darüber, draußen auf der Weide sein zu können, richtig anzumerken. Weidetierhaltung ist die artgerechteste Haltungsform für Rinder. Deshalb wollen wir die Weidehaltung ausbauen“, schwärmt Staudte noch auf der Wiese, während um sie herum die Kühe auf Erkundungstour durch das Gras streifen.
Bis zum Ende der Vegetationsphase dürfen sie jetzt draußen bleiben – bis kein Futter mehr nachwächst. Dann geht es zurück in den Stall. Dazwischen liegt aber auch hier der Lauf der Dinge: Alle zwei Wochen verlassen zwei Tiere die Herde, zur Schlachtung. Da aber Bullen und Kühe gemeinsam ihre Zeit auf Düna verbringen, kommen stetig neue nach: der Kreislauf des Landlebens.
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