Walkenried. Für die Familie Nitz geht es vom Südharz wieder zurück nach Japan. Die Gründe dafür sind vielfältig, das Restaurant steht zum Verkauf.

„Grüne Berge, weit der Felder und das Wasser klar und rein“ – Nicht in der japanischen Großstadt Osaka habe Chizuko Nitz das gefunden, was das japanisches Heimatlied mit dem Titel „Furusato“ (zu Deutsch so viel wie „Heimatort“) besingt. Sondern hier, im Südharz, in den rollenden Hügeln bei Walkenried und den grünen Feldern um Ellrich. Umso schwerer fällt es ihr und der Familie Nitz, Walkenried zu verlassen und nach Japan zurückzukehren. Das japanische Restaurant „Klosterhof“ am Pfarrplatz in Walkenried schließt – und das schon am kommenden Sonntag, 30. Oktober, zum Ende des Monats.

Die Motive sind vielfältig. „Schon als wir vor etwa neun Jahren nach Deutschland kamen, gab es eine Vielzahl von Gründen dafür. Zum einen hatte der Pächter der Gaststätte seinen Vertrag gekündigt“, sagt Wolfgang Nitz. Das Restaurant stand somit leer. Das war 2013. „Außerdem wollten meine Töchter in Deutschland studieren. Ich war an der Universität gerade in Vorruhestand gegangen,“ erinnert sich der promovierte Germanist, der dort als Professor für Philosophie, Germanistik und europäische Kulturwissenschaften gelehrt hatte. Die Rahmenbedingungen passten. 2014 eröffnete der „Klosterhof“, in dem die Familie traditionelle japanische Küche anbot.

Vielfältige Gründe

Seitdem ist viel passiert. Der „Klosterhof“ hat sich in der Region und darüber hinaus einen Namen gemacht, zog in den vergangenen Jahren (Stamm-)Gäste sogar aus Hamburg und anderen Metropolen an. Hochzeiten, runde Geburtstage, einmal sogar die Bewirtung eines 80-köpfigen ZDF-Filmteams, das für einen Krimi im Walkenrieder Kloster drehte: An die besonderen Erfolge des Familienbetriebs, dem manch skeptischer Einheimischer nur eine kurze Lebensdauerprophezeite, erinnert Nitz sich gerne. „Einmal hatten wir den Vorstand einer großen, bekannten Supermarktkette zu Besuch. Denen war aufgefallen, dass ihr Sushi aus der Kühltheke anders schmeckt, als das, was man in Japan bekommt. Sie waren auf unsere Küche aufmerksam geworden und ließen sich von uns Schritt für Schritt erklären, wie man gutes Sushi traditionell zubereitet.“ Eine große Auszeichnung für Chizukos Kochkünste und „genau das, was wir mit dem Restaurant erreichen wollten – in Deutschland japanische Kultur über das Essen vermitteln.“ Nein, wirtschaftliche Gründe stünden nicht hinter der Schließung.

Trotzdem war die Zeit der Corona-Pandemie auch für den Familienbetrieb keine leichte, nicht nur, weil der Restaurantbetrieb nur noch mit Außer-Haus-Verkauf aufrecht erhalten werden musste. „Vorher waren wir drei Mal im Jahr nach Japan geflogen, um in unserem Haus in Himeji nach dem Rechten zu sehen, aber auch um Zutaten für das Restaurant einzukaufen, die wir in Deutschland nicht bekommen. Das ging während der Lockdowns natürlich nicht.“ Auch diese Erfahrung habe Anteil an der Entscheidung, Walkenried zu verlassen. Ebenso wie die derzeit unsichere politische Lage in Europa, und der Umstand, dass der 78-Jährige und seine 61-Jährige Frau ihre Rente in Japan beziehen. Bei ihrem Umzug nach Deutschland 2013 hatten beide bewusst ihren Erstwohnsitz in Japan beibehielten.

Das japanische Restaurant
Das japanische Restaurant "Klosterhof" schließt Ende Oktober des Jahres 2022. © HK | Svenja Paetzold-Belz

„Jetzt haben beide meine Töchter in Japan tolle Jobs gefunden, die sie wohl ohne ihr Engagement im Restaurant und ihre intensive Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur hier in Deutschland nicht bekommen hätten“, sagt Nitz.“ Die 28-jährige Aya lebt schon seit einigen Monaten wieder in Japan, wo sie für einen führenden Hersteller hochwertiger Kimonos arbeitet, der traditionellen japanischen Kleidungsstücke. Hanna, 24 Jahre, nützte die Erfahrung aus der Küche des „Klosterhofes“. Sie wird im neuen Jahr für einen großen Lebensmittelhersteller arbeiten, der Gebäck aus Reis und Reismehl herstellt. Beiden jungen Frauen, die in Göttingen studiert haben, kommen ihre Dreisprachigkeit genauso zu Gute wie ihre Kenntnisse der deutschen Kultur. „Das Restaurant ohne die Hilfe meiner Töchter weiterzuführen, das würde nicht gehen“, sagt der 78-jährige Wolfgang Nitz. Außerdem sei das Haus in Walkenried viel zu groß für zwei.

Ob es für die Rückkehr in die japanische Stadt Himeji unweit der Metropolen Oska, Kobe und Kyoto neue Pläne gibt? Oder lockt nun endgültig der Ruhestand? „Ich schließe nichts aus“, lacht Nitz. Zunächst einmal steht aber der Umzug an – samt der Kater Ume und Take, die mit einem speziellen Tier-Umzugsservice um die halbe Welt reisen werden. Und der Abschied von Deutschland.

„Neulich bin ich abends durch Göttingen gegangen und habe mir die vielen, wunderschönen alten Häuser angesehen“, sagt Hanna. „Das werde ich neben so vielem anderen auf jeden Fall sehr vermissen.“ Für Wolfgang Nitz ist es der Garten hinter dem Haus. „Da habe ich viel Zeit und Arbeit reingesteckt“, sagt der Zen-Meister und gebürtige Berliner, dessen Lebensmittelpunkt sich seit seiner Jugend immer wieder von Deutschland nach Japan und wieder zurück verlegte.

„Klosterhof“ im Verkauf

Wie es mit der Gaststätte weitergeht, ist unterdessen noch ungewiss. „Wir hatten 24 Kaufinteressenten, auch aus dem Ausland“, berichtet Nitz. Darunter auch solche, die ein spezielles Auge auf die gastronomischen Möglichkeiten des Hauses geworfen hatten. Noch sei der Verkaufsprozess – die Familie macht sich die Auswahl des künftigen Eigentümers nicht leicht, denn die richtigen Personen sollen das Haus am Ende übernehmen – nicht abgeschlossen.

Sicher ist nur eins: Bis zum Letzten Öffnungstag am Sonntag ist das Restaurant bis in die letzte Terminlücke ausgebucht. Sogar eine Warteliste gibt es. „Seit April 2014 haben wir unser Restaurant dank der liebevollen Unterstützung unserer Gäste und Freunde im wunderschönen Walkenried betrieben“, schreibt die Familie, der der Abschied spürbar schwerfällt, auf der Homepage des Restaurants. „Es war uns eine Ehre, die japanische Küche und die Kultur etwas näher bringen zu dürfen. Nun ist es Zeit, ein neues Kapitel zu beginnen. Die unzähligen wunderschönen Erinnerungen werden wir bewahren und hoffen, dass Der Klosterhof in eurem Herzen bleibt! Vielen lieben Dank an all unseren Gästen und Freunden, die uns geliebt und unterstützt haben.“ Und vermissen werden. So wie Wolfgang Nitz seinen Garten, Hanna die deutsche Architektur und und Chizuko Nitz die grünen Hügel des Südharzes, ihren „Furusato“ in Deutschland, in das die Familie früher oder später zurückkehren will.