Bad Lauterberg. Silvi Rushit kam 2014 ohne Deutsch-Sprachkenntnisse mit ihrer Familie aus Albanien nach Deutschland. Ihr Werdegang ist beeindruckend.

Schaufenstergestaltung samt Werbeplakat, dekoratives Verpacken eines Baumkuchen-Ringes und die optisch ansprechende Präsentation von Pralinen auf einer Platte: Silvi Rushit, Auszubildende bei der Konditorei Mangold, absolvierte ihre praktischen Prüfungsaufgaben Ende Januar dieses Jahres mit Bravour. Und das war alles andere als selbstverständlich. Denn Silvi Rushit kam, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, im Jahr 2014 mit Ehemann und zwei kleinen Kindern als Flüchtling aus Albanien nach Deutschland.

Im Frühling 2017 bekam sie eine Anstellung als Reinigungskraft bei der Konditorei Mangold. Inzwischen war auch das dritte Kind des Ehepaares geboren. Janka Eckhardt, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Bad Lauterberg, hatte die Betreuung der Familie übernommen. Im Stadthaus wurde während der Kinderbetreuung ein Deutschkurs für Flüchtlinge angeboten, in dem Silvi Rushit sich erste Sprachkenntnisse aneignete.

Erst Reinigungskraft, dann Auszubildende

„Im Sommer 2017 standen dann Janka Eckhardt und Silvi gemeinsam vor mir und schilderten mir ihre Idee: Ob Silvi nicht eine Ausbildung in unserem Haus beginnen könne? Mein Mann Florian und ich hielten dies schon für ein außergewöhnliches Vorhaben“, so Conny Mangold. Silvi Rushit wollte eine Ausbildung zur Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk/Konditorei absolvieren. „Wir trauten ihr aber sofort zu, den dafür nötigen schweren Weg zu gehen“, so Conny Mangold, „da wir auf viele positive Erlebnisse mit Mitarbeitern im Laufe unseres 20-jährigen Betriebslebens zurückblicken konnten.“

So sei vor fast genau 20 Jahren Anna Mejer aus Polen zu ihnen gekommen. Auch anfangs ohne Deutschkenntnisse. „Sie durchlief alle Abteilungen und ist jetzt die Perle unseres Betriebes“, sind sich Conny und Florian Mangold einig.

Aufgrund dieser guten Erfahrungen unterstützten sie Silvi Rushit von Beginn an. Deren Ehemann übernahm die Betreuung der drei Kinder. Für Silvi Rushit kamen zu den 40 Wochenstunden in der Konditorei zwei Tage Berufsschule pro Woche in Göttingen hinzu, anfangs alles noch ohne große Deutschkenntnisse und ohne Auto.

Der Bus zur Berufsschule in Göttingen startete um 5.45 Uhr am Postplatz in Bad Lauterberg. Und einmal in der Woche fuhr sie nach Osterode zur „A&A, Ausbildung und Arbeit Plus GmbH“, um bei Edgar Bohn Nachhilfeunterricht in Deutsch zu nehmen.

Silvi Rushit durchlief während ihrer Ausbildung bei Mangold alle Abteilungen und Bereiche der Konditorei – von der Küche über die Verpackung und den Verkauf bis hin zum Service am Gast im Café. Die Zwischenprüfung nach anderthalb Jahren in der Berufsschule bestand sie „gerade so“.

Hohes Engagement und große Lernbereitschaft

„Doch durch Fleiß, eine hohe Auffassungsgabe und Verlässlichkeit punktete sie täglich in unserem Betrieb“, sagt Conny Mangold. „Den Gästen gefielen ihre Freundlichkeit und ihr verbindliches Wesen.“

„Täglich spürte man die Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse. Ihr Engagement und ihre Lernbereitschaft schätzten auch ihre Arbeitskollegen“, weiß Conny Mangold. „Sie und ihre Familie wurden unterstützt, wo immer es möglich war.“

So fuhr Mangold-Mitarbeiterin Katharina Rudolph mit Silvi zur Prüfung nach Göttingen und gab ihr dort moralischen Beistand. Eigentlich sollte die Abschlussprüfung bereits im Sommer 2020 stattfinden, aber dann sei Corona dazwischengekommen und habe alles durcheinandergebracht.

Weil Kita und Schule geschlossen waren, musste Silvi sich zusammen mit ihrem Mann zu Hause um ihre Kinder kümmern. „Wir beantragten deshalb ein halbes Jahr Ausbildungsverlängerung“, so Conny Mangold. „Während des Lockdowns musste auch unser Betrieb das Café schließen. Aber die Ausbildung für die Azubis lief eigentlich in jedem Handwerksbetrieb weiter, ebenso in unserer Backstube und in der Schokolaterie. Dort arbeiteten zwei Azubis innerhalb ihres Ausbildungsrahmenplans weiter. „Silvi war vielleicht deutschlandweit die einzige Auszubildende, die nicht arbeiten musste, aber vielleicht auch die einzige Auszubildende mit drei Kindern.“

Corona brachte den Zeitplan durcheinander. Nachdem die Verlängerung ihres Ausbildungsvertrages genehmigt worden war, stand ihrer Theorie- und Praxisprüfung im Januar 2021 nichts mehr im Wege. Und siehe da, so Conny Mangold, im dritten Ausbildungsjahr sei bei Silvi „der Knoten geplatzt“, die inzwischen erlernten Deutschkenntnisse brachten plötzlich überall Erfolg. Ihre schriftliche Prüfung an der BBS 2 Göttingen und ihre praktische Prüfung bestand sie mit gutem Erfolg. Der schwierigere Part war für Sylvi die theoretische Prüfung in sechs Fächern, praktisch folgten dann die eingangs genannten Aufgaben wie die Gestaltung eines Schaufensters und das Verpacken eines Baumkuchens. Auch das Führen eines Verkaufsgespräches sowie das Schneiden und Verpacken von Tortenstücken bis hin zum Anrichten und Zubereiten eines Frühstücks gehörten zum Prüfprogramm.

Ob im Politikunterricht in der Berufsschule, im Schreiben des Berichtsheftes oder im Gespräch mit den Kunden beim Service im Café, ihre immer besser werdenden Deutschkenntnisse bewährten sich überall. „Wir freuten uns täglich über ihren Einsatz, ihr Interesse, ihren Fleiß und ihre Zuverlässigkeit“, so Florian Mangold.

Damit die Kinder eine gute Zukunft haben

Als am Nachmittag des Prüfungstages bei Mangolds der erlösende Anruf „ich habe bestanden“ eintraf, sei die Freude sehr groß gewesen, so Conny Mangold. „Wir waren sehr stolz auf sie. Es sei schwer gewesen, für diese besondere Leistung die richtigen Worte zu finden. „Aber für uns war auch klar, dass wir ihr einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorlegen. Ihre bestandene Prüfung macht sie sehr stolz und dankbar. Denn sie vergisst nicht, wie viele Menschen an ihrem Erfolg beteiligt waren. Ihr Weg vom Flüchtling zum gesellschaftlichen Vorbild ist beeindruckend. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Diesen Satz lebt sie vor“, so Conny Mangold.

Auch Janka Eckhardt freut sich für Silvi Rushit: „Silvi ist eine sehr ehrgeizige, junge Frau, die sich, seit ich sie kennengelernt habe, immer darum bemüht hat, in Deutschland eine Zukunft für sich und ihre Kinder zu haben. Es ist ihr immer wichtig gewesen, dass sie selbst, aber auch ihre Kinder gut Deutsch sprechen und sich hier integrieren.“

Rückblickend beschreibt Silvi Rushit ihre Ausbildungszeit so: „Erst war es sehr schwer, aber alles ging so schnell und dann machte alles viel Spaß.“ Vor allem das Verkaufen habe ihr Freude bereitet. Der Mann von Silvi Rushit arbeitet inzwischen als Maler. Ihrer beider Antrieb waren stets ihre drei Kinder, Jonel, Dea und Johani, heute im Alter von zehn, sieben und fünf Jahren. Für sie wollten sie eine sichere Zukunft in Deutschland haben.