Badenhausen/Clausthal-Zellerfeld. Mit den zertifizierten Waldpädagogen des Waldpädagogikzentrums Harz können Interessierte das fantastische Ökosystem Wald hautnah erleben.

Lernen mit Herz, Hand und Kopf. Das hielt schon der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827) für sehr wichtig. Diesem Credo folgt auch das Waldpädagogikzentrum Harz (WPZ) in Clausthal-Zellerfeld mit seinen rund 20 staatlich zertifizierten Waldpädagogen.

Aber was genau machen eigentlich Waldpädagogen? Das erklären die Teamleiterin des WPZ Harz (mit Sitz im Forstamt Clausthal) und Leiterin des Harz-Wald-Hauses in Bad Harzburg, Dr. Bettina König aus Göttingen, und Stefanie Placht aus Badenhausen (zertifizierte Waldpädagogin und Haushaltssachbearbeiterin Forstamt Clausthal) im Gespräch mit unserer Zeitung.

Im Mittelpunkt aller Aktionen und Führungen steht der Wald und sein wertvolles Ökosystem. Waldpädagogen helfen beim Verstehen ökologischer Zusammenhänge, und das mit allen Sinnen. Es wird geschaut, gehört, gefühlt, gebastelt und diskutiert. Die Teilnehmer jeden Alters lernen in den jeweiligen Aktionen den Wald und seine globale Bedeutung, aber manchmal vielleicht auch sich selbst, besser kennen. Vom Boden bis zu den Baumkronen ist der Wald ein anschaulicher Lernort für alle Generationen. „Das schöne beim Lebensraum Wald ist, dass man es auf alle Altersklassen entweder herunterbrechen oder anpassen kann“, sagt Stefanie Placht. Beim Lernen mit allen Sinnen werden neben den kognitiven Aspekten auch die emotionalen und sensomotorischen Aspekte betont. Die Faszination und Schönheit des Waldes wecken das Interesse und regen zum Staunen und Nachdenken über die Vielfalt an Lebensformen und die ökologischen Zusammenhänge an.

Programm für Jung und Alt

Waldpädagogen können auf Anfrage für verschiedene Aktionen engagiert werden. Für jede Zielgruppe werden individuelle Programme zusammengestellt. So gehen Waldpädagogen auch schon mit Dreijährigen los und erklären spielerisch etwa die Etagen des Waldes, die Tiere im Wald oder vermitteln Baumwissen. „Ich bin immer wieder fasziniert, weil die Kinder oft schon viel Wissen mitbringen, das sie in ihrem jungen Alter aufgeschnappt haben“. Für Erwachsene zum Beispiel gibt es Aktionen über die verschiedenen Waldbilder oder den Wandel der Wälder durch die veränderten Klimabedingungen, erklärt Dr. Bettina König. Aber auch die Ernte und nachhaltige Nutzung des CO2 neutralen Rohstoffes Holz werden thematisiert. Denn vielen Menschen sei oft nicht bewusst, wie viele Dinge aus Holz man in seinen eigenen vier Wänden habe, und dass Holz ein wertvolles regionales Produkt ist. Interessant sei hier etwa eine Aufgabenstellung an die Teilnehmer, eine Klimabilanz zu errechnen zum regionalen Produkt Holzstuhl im Vergleich zu einem aus Kunststoff, Metall oder Beton. „Und dann stellt man relativ schnell fest, dass der Holzstuhl eine positive CO2-Bilanz hat“, so König, „denn auch im verarbeiteten Holz bleibt der Kohlenstoff gebunden, während man für alle anderen Materialien erst einmal Energie aufwenden muss, um den Rohstoff herzustellen“.

Als anerkannter außerschulischer Lernstandort für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) arbeitet das WPZ eng mit seinen Kooperationspartnern wie Schulen, Jugendherbergen und Tourismus-Verbänden zusammen. Mittlerweile melden sich auch viele Firmen, die Betriebsausflüge mit einem Umweltbildungsprogramm organisieren wollen, sowie auch Universitäten. Auch für Lehrerfortbildungen können Multiplikatorenfortbildungen angeboten werden. „Hier im Harz ist man ja quasi wie im Auge des Orkans“, so König, denn hier habe man sehr deutlich gesehen, was Klimaveränderung anrichten und bedeuten könne.

Waldbaden – ohne Zeitdruck mit allen Sinnen den Wald genießen.
Waldbaden – ohne Zeitdruck mit allen Sinnen den Wald genießen. © HK | Herma Niemann

Das Thema Klima nehme zunehmend eine zentrale Rolle ein. Bei den Landesforsten arbeite man schon seit mehr als 30 Jahren daran, die Nachkriegs-Monokulturen in stabile Mischwälder umzuwandeln. „Die Hauptsache ist, die Menschen zu erreichen und ihnen klarzumachen, dass Forstwirtschaftaft ein Denken in vielen Generationen ist“, so König. Spezielle Aktionen gebe es auch für Abiturienten. Gerade beim Zentralabitur gehe es darum, schulische Inhalte praktisch zu vermitteln. „Ich kann natürlich einen Zylinder am Schreibtisch berechnen. Doch wenn ich dies an einem praktischen Beispiel, wie dem Ausrechnen eines Baumvolumens mache, bekommt das Ganze einen ganz praktischen Sinn.“

Zu den Aufgaben von König und Placht gehöre die Koordination der Aktionen und des Tagesbetriebs. Das heißt, die beiden organisieren und koordinieren Aktionen zwischen zwei Stunden und mehrtägigen Projekten. Niedersachsenweit haben die Niedersächsischen Landesforsten seit 2010 rund 690 Waldpädagogen ausgebildet. Alle haben ein staatlich anerkanntes Zertifikat, welches auch in allen anderen Bundesländern anerkannt wird. Pro Jahr werden im WPZ Harz ca. 650 Aktionen durchgeführt, an denen pro Jahr zwischen 11.000 und 12.000 kleine und großen Menschen, wie König sagt, teilnehmen.

Gesetzlicher Bildungsauftrag

Stefanie Placht zum Beispiel ist seit Jahren mit Aktionen beim Ferienprogramm der Gemeinde Bad Grund dabei, etwa mit „In der Dämmerung unterwegs“ rund um das Naturfreundehaus in Badenhausen oder „Auf dem Indianerpfad unterwegs“ im Weltwald in Bad Grund. Dabei können Kinder und Jugendliche auf Entdeckungsreise gehen. „Die Landesforsten haben einen gesetzlichen definierten Bildungsauftrag“, sagt König. Dafür fließt auch Geld vom Land Niedersachsen, um außerschulische Umweltbildung zu betreiben sowohl im Kinder- und Jugend- als auch im Erwachsenenbereich. Das WPZ arbeitet sehr eng mit den regionalen Landesschulbehörden und den Kultusministerien zusammen. Seit zwei Jahren sind alle Niedersächsischen Waldpädagogikzentren anerkannte außerschulischer BNE-Lernstandort. Das ist Voraussetzung, damit die Schulen mit den WPZs zusammenarbeiten können. Seit Ende 2021 gebe es auch einen Erlass, der die Schulen verpflichtet, mit BNE-Einrichtungen zusammenzuarbeiten, die verschiedene Aspekte, wie Globalität, Sozialkompetenz, aber auch Fairness im Handeln vermitteln.

Waldpädagogik macht erlebbar, was Wald und multifunktionale Forstwirtschaft sind. Sie zeigt Bezüge zwischen dem Wald und der eigenen Lebenswelt und erklärt grundlegende Zusammenhänge. Sie regt an, das eigene Werteverständnis und Verhalten zu reflektieren und sich die Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst zu machen.

1948: Erstes Jugendwaldheim

Das WPZ Harz gibt es in seiner jetzigen Struktur seit 2010, vorher gab es bereits die Jugendwaldheime und Funktionsstellen, die für den Bereich Umweltbildung verantwortlich waren, so König. Das WPZ sei nicht zwangsläufig als ein Gebäude anzusehen, denn es deckt die Bildungsregion Westharz ab, zu denen die vier Landesforstämter Clausthal, Seesen, Riefensbeek und Lauterberg gehören. Das Haus Ahrensberg oberhalb vom Okerstausee, sei vor einigen Jahren einer Brandstiftung zum Opfer gefallen (wir berichteten). Im Frühjahr soll angefangen werden, das Haus wiederaufzubauen. Die Idee der Waldpädagogik gebe es aber schon ganz lange. In Deutschland habe die Umweltbildung an Fahrt aufgenommen nach dem Zweiten Weltkrieg, so König. Und gerade der Harz sei sehr geschädigt gewesen durch Reparationshiebe. Das erste Jugendwaldheim sei 1948 im Harz eröffnet worden – nämlich in Zorge durch Forstmeister Walter Freist, der auch Pflanzfrauen betreut hat, die sogenannten Trümmerfrauen des Waldes, um den Harz zu großen Teilen wieder zu bewalden. Das sei auch der Startpunkt für die Forsten gewesen, die Bereiche Umweltbildung und Waldpädagogik zu etablieren. Ein weiterer wesentlicher Schritt sei die Forstchefkonferenz 2007 gewesen, in der das Rahmenkonzept für das Zertifikat Waldpädagogik definiert wurde.

Stefanie Placht und Dr. Bettina König (von links) mit dem Golden Retriever „Bjuka“.
Stefanie Placht und Dr. Bettina König (von links) mit dem Golden Retriever „Bjuka“. © HK | Herma Niemann

Wer Waldpädagoge werden will, durchläuft eine mindestens 18-tägige Fortbildung plus Praktikum und einer Prüfung am Ende. Fortlaufend gibt es weitere Fortbildungen und regelmäßige Auffrischung des Erste-Hilfe-Kurses. Ebenso muss das polizeiliche Führungszeugnis einwandfrei sein. Jeder von den zertifizierten Waldpädagogen habe durch die Fortbildung ein sehr gutes forstliches und pädagogisches Basiswissen. Dazu kommen eigene Schwerpunkte und Spezialthemen, wie GPS, regionale Outdoorküche, Team Building, Pilze, Wildkräuter oder das Oberharzer Wasserregal.

Erspüren des Waldes

Eine separate Sparte ist das auch als Shinrin Yoku bekannte „Waldbaden“, wofür eine Zusatzfortbildung nötig ist. Zusammen mit dem Unternehmen Waldwohl wurde dazu eine spezielle Fortbildung konzipiert, die ebenfalls mit einem eigenen Zertifikat, etwa als Waldwohl-Trainer, abschließt.

Beim Waldbaden geht es weniger um Wissensvermittlung, als um die Achtsamkeit und das unmittelbare Erspüren im Wald, das Genießen der Atmosphäre und den Körper sowie die Seele baumeln zu lassen. Diese Fortbildung haben auch König und Placht und geben als Waldwohl-Trainerinnen Achtsamkeitsübungen sowie Elemente aus dem ChiGong, dem Yoga oder Atemübungen an die Teilnehmer weiter. Es soll mit allen Sinnen der Wald wahrgenommen werden, etwa durch das Erfühlen von Blättern, achtsames Essen (zum Beispiel einer Himbeere), Haikus (traditionell japanische Gedichtform) schreiben und Mandalas legen. „Wichtig ist, dass man sich Zeit nimmt und die Langsamkeit genießt“, so König, „Waldbaden entschleunigt, sodass man sagen kann, ich bin da, ich bin in der Natur“. Waldwohl und Landesforsten war bei der Fortbildung wichtig, dass dafür ein Qualitätsstandard entwickelt wurde, der viel medizinisches Wissen und Trainerkompetenz beinhaltet, aber auch dass man – wenn gewünscht – auf forstliche Fragen fachkundige Auskünfte geben kann.

Es gibt Ähnlichkeiten zwischen Waldpädagogik und Waldbaden: „Bei beiden Aktionen kann man zum Beispiel die Rinde eines Baumes ertasten. Während bei der Waldpädagogik das Erleben mit allen Sinnen aber auch der Wissenstransfer und damit das Erkennen der Baumart von Bedeutung ist“, kommt es beim Waldbaden eher auf die Vertiefung der Sinneswahrnehmungen und das Wahrnehmen der Eindrücke an, so König.

Weitere Informationen gibt es unter www.landesforsten.de