Osterode. Prof. Dr. Friedemann Nauck hält ärztlich assistierten Suizid für eine Form der Entsorgung. Worauf der Palliativmediziner stattdessen setzt.

Seelsorge und Medizin greifen in der Frage nach dem Lebensende ineinander, erklärte Prof. Dr. Friedemann Nauck bei seinem Vortrag zum ärztliche assistierten Suizid in der Osteroder Stadthalle. Heilen funktioniere nun einmal nicht immer, daher sei das Trösten und Lindern in der Palliativmedizin und in der Hospizarbeit so wichtig.

Damit war klar, warum diese Veranstaltung vom Kirchenkreis Harzer Land angeboten wurde. Es sei ein anspruchsvolles Thema, zu dem sich jeder eine individuelle Meinung bilden sollte, das aber auch gesamtgesellschaftlich diskutiert werden muss, sagte Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng eingangs. Der missverständliche Begriff der Sterbehilfe, so Prof. Dr. Nauck, müsse in zwei Aspekte unterschieden werden: zum einen die Hilfe beim Sterben, zum anderen die Hilfe zum Sterben. Ersteres bezeichnet die Begleitung am Lebensende, zweiteres beinhaltet die Tötung auf Verlangen, also den assistierten Suizid. Die aktive Sterbehilfe ist bei uns verboten (§ 216 StGB), die Beihilfe zur Selbsttötung, also die Bereitstellung von Mitteln zum Suizid ist nicht strafbar, widerspreche aber dem ärztlichen Ethos. Dagegen sei die indirekte Sterbehilfe, also die Lebensverkürzung als Nebenwirkung einer palliativmedizinischen Maßnahme, zulässig. Es gehe hier um das Zulassen des Sterbens und das Beenden lebensverlängernder Maßnahmen. Diese Differenzierung sei medizinisch, juristisch und auch ethisch wichtig, betonte Prof. Nauck. Lange durften Ärzte nicht assistieren, inzwischen kann der assistierte Suizid in Einzelfällen durchgeführt werden.

Der Wunsch nach verbesserten Lebensbedingungen

Er selbst erlebe es immer wieder, dass Menschen in der Palliativstation aufgenommen werden, die die Assistenz beim Suizid verlangen. Er verweigere, weil es aus seiner Sicht andere Wege gibt. Menschen möchten möglichst wenig Schmerzen und Beschwerden haben, möchten, dass offen mit ihnen gesprochen wird, möchten dass ihre Wünsche auch dann berücksichtigt werden, wenn sie selbst nicht mehr entscheiden können. All das hat die Palliativversorgung zum Ziel, sie will so viel Lebensqualität wie möglich erhalten.

„Eine frühzeitige Begleitung ist die beste Prävention“, sagte der Professor. Daher spreche er sehr offen mit Menschen über den Tod und stelle dabei immer wieder fest, dass ein Wunsch zu Sterben oft eigentlich vielmehr der Wunsch nach verbesserten Lebensbedingungen ist. Oft lasse sich also an den Umständen etwas ändern, wodurch der Todeswunsch überwunden werde. „Das hat damit zu tun, dass sich das Sterben von zuhause in die Krankenhäuser verlagert hat“, sagte er.

Die eigenen vier Wände

Das Leben in den eigenen vier Wänden sei vielen enorm wichtig, denn oft gehe dem medizinischen ein sozialer Tod voraus. Wertschätzung, persönliche Bindungen, Religion und andere Aspekte seien es, an denen gearbeitet werden könne – eine Herausforderung für das gesamte Umfeld. Die Palliativmedizin sei ein Baustein dazu. „Die Bereitstellung von Medikamenten zur Beendung des Lebens ist aus meiner Sicht keine therapeutische Option“, so Nauck. Es sei eine Entsorgung, aber keine Lösung.

Zum Schluss warnte er davor, dass ein Gesetz zu ärztlicher Sterbehilfe auch eine gewisse Normalität mit sich bringen könnte. Rechne man die Zahlen aus den Niederlanden hoch, so könne bei ähnlicher Gesetzgebung die Zahl der Suizide hier deutlich ansteigen. Es sei aus seiner Sicht aber immer besser, die Symptome von Leid und Schmerzen zu behandeln.

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