Harz. Der Serienhit „Berlin, Berlin“ startet als Film Corona-bedingt auf Netflix. Der Streifen ist für den Drehort Harz ein weiterer Erfolg.

Es ist ein weiterer Erfolg der Dreiländerinitiative „Drehort Harz“, die dem Filmteam 2018 im Mittelgebirge den Weg ebnete – auf dem Corona-bedingt dann aber noch hohe Hürden auftauchen sollten. Der Film zum einstigen Serien-Hit „Berlin, Berlin“, der unter anderem in Bad Lauterberg, Braunlage, St. Andreasberg und Herzberg gedreht wurde, sollte am 18. März in den Kinos starten. Dann kam Corona, die Kinos schlossen. Nun tritt ein, was Kinobetreiber früh fürchteten: Seit dem gestrigen Freitag können sich die Premierenzuschauer beim Streamingdienst Netflix davon überzeugen, wie der Harz in den Liebes-Irrungen und -Wirrungen wegkommt.

Zum Film selbst: Lolle und ihr Liebeschaos begeisterten vor 18 Jahren viele Fernsehzuschauer. Tom, Sven, Alex – und mittendrin die frisch gebackene, chaotische Abiturientin Charlotte. Das Landei in Berlin, das sich nicht entscheiden kann, vor allem nicht für den einen Mann. Als die Serie mit Hauptdarstellerin Felicitas Woll vor 15 Jahren endete, waren die Fans traurig. Jetzt gibt es ein Wiedersehen mit Lolle und ihren Freunden Sven (Jan Sosniok), Hart (Matthias Klimsa) und Rosalie (Sandra Borgmann). Neu dabei: Janina Uhse als schräge Dana. Alle sind älter geworden, so auch Lolle, die in „Berlin, Berlin – Der Film“ heiraten und Mutterwerden will. Doch vor dem Traualtar ergreift sie die Flucht und landet erst vor Gericht und dann im Harz. Genau. Im Harz.

Wer darauf gehofft hat, Lolle als hippe Großstädterin zu erleben, die von den unendlichen Möglichkeiten der Männersuche in Berlin gänzlich überfordert ist oder die nicht weiß, wie sie ihre Tinder-Dates regeln soll, der hat sich getäuscht, aber gründlich. Stattdessen gibt es wilde Verfolgungsjagden durchs Mittelgebirge, gottverlassene Bauernhöfe und Fabriken und ziemlich viel Grün. Sogar ein schlecht gelaunter Bär taucht auf.

Idyllisch wird es trotzdem nicht, ist bei Lolle auch nur schwer vorstellbar. Ihre Hochzeit mit Hart platzt, weil Sven plötzlich auftaucht und ihr seine Liebe gesteht. Die Braut gerät in Panik, rast mit dem Auto durch Berlin, baut einen Unfall und muss zur Strafe Sozialstunden an einer Schule ableisten. Dort lernt sie Dana kennen und hat einen Filmriss. Nach einer wilden Nacht wacht Lolle in einem Auto auf, irgendwo in der Pampa. Verloren in der Wildnis, ohne Handy, dafür mit Dana. Doch Sven und Hart sind schon auf dem Weg, um die Frau, die sie beide lieben, zu finden und für sich zu gewinnen.

Völlig überdreht

Eine äußerst turbulente Geschichte – und leider völlig überdreht. Ein Wut schnaubender Crystal-Meth-Koch (Armin Rohde) und seine zwei höchst merkwürdigen Begleiter sind den beiden Frauen auf den Fersen. Was sie zur Geschichte beitragen, bleibt unklar. Noch absurder ist die Begegnung mit halbnackten Hippies, die sich mitten im Wald mit Gesängen und Stöhnen ihren esoterischen Spielchen widmen,darunter auch Harald (Kai Lentrodt). Als Lolle und Dana hierreinplatzen, sind sie empört: „Sie haben unseren Koitus interrupted!“

Karikaturen ihrer selbst

Ratlos sucht man die alten Folgender Fernsehserie raus und stellt fest: „Berlin, Berlin“ war vielleicht nicht immer hohe Serienkunst, aber doch unterhaltsam und frisch erzählt. Felicitas Woll als Lolle wehrte sich vehement dagegen, in klassische Mädchenkategorien gesteckt zu werden. Sie ist frech, nimmt kein Blatt vor den Mund und ist mit all ihrem Chaos sehr sympathisch. Und weil sie begeistert Comics zeichnet, tauchen immer wieder kurze Animationssequenzen auf – Bilder aus ihrer Gedankenwelt. Eine Mischung, die der Serie nicht nur den Deutschen Fernsehpreis und den Grimmepreis bescherte, sondern auch den internationalen Emmy-Award.

Manches findet sich im Film wieder wie die Comic-Sequenzen. Aus dem alten Team sind etwa die Regisseurin Franziska Meyer Price dabei und der Schriftsteller David Safier ist erneut für das Drehbuch zuständig. Trotzdem ist vom Charme wenig übrig. Die Geschichte versinkt im Chaos und die Figuren wirken wie Karikaturen ihrer selbst. Mit der alten Lolle konnte man noch mitfiebern. Im Film interessiert das dagegen nur mäßig, denn für echte Gefühle ist in all dem hektisch inszenierten Chaos kein Platz.