Seesen. Prof. Dr. Inga Zerr aus Göttingen referierte beim „Seesener Neurologie Dialog 2020“ in der Schildautalklinik.

Prof. Dr. Inga Zerr, Leiterin der Kooperationseinheit Translationale Studien und Biomarker der Universität Göttingen, hat beim Seesener Neurologie Dialog 2020 auf die Bedeutung der Prionenerkrankungen hingewiesen, insbesondere berichtete sie spannende Fakten zu der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die häufigste Prionenerkrankung in Deutschland.

„Angesichts von pro Jahr 140 bis 160 Neuerkrankungen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei Menschen in Deutschland sollte uns das veranlassen, diese Krankheit ernst zu nehmen und über die Diagnostik und bessere Therapien verstärkt nachzudenken“, betonte die Wissenschaftlerin am Rande der Tagung, zu der etwa 60 Fachleute kamen, darunter Ärzte, Pflegende und Therapeuten.

Prof. Zerr referierte über die Geschichte und die neuesten Entwicklungen von Prionenerkrankungen, der erste Seesener Neurologie Dialog im Jahr 2020 fand in Kooperation mit dem Ärzteverein Bad Gandersheim-Seesen im Zentrum für Neurologie der Asklepios Kliniken Schildautal statt. „Das Fortbildungsformat des Seesener Neurologie Dialogs behandelt jeweils ein ausgewähltes, aktuelles, kritisches, kontroverses oder besonders wichtiges Themengebiet der Neurologie und soll die Teilnehmer dazu ermutigen, sich an der anschließenden Diskussion rege und konstruktiv zu beteiligen“, sagt Prof. Dr. Mark Obermann, Direktor des Zentrums für Neurologie und Ärztlicher Direktor der Asklepios Kliniken Schildautal in Seesen.

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit tritt als sehr rasch (sechs bis zwölf Monate) fortschreitende Demenz in Erscheinung, typische Folgen sind motorische Störungen in Form von ausgeprägten unwillkürlichen Muskelzuckungen (Myoklonien, begleitet von ausgeprägten Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen (Ataxie). Charakteristische Veränderungen im Elektro-Enzephalogramm (EEG) und im Magentresonanztomographen (MRT) tragen dazu bei, die Diagnose zu sichern. Prof. Zerr betonte die deutlich besseren diagnostischen Möglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen. So werden viele Fälle frühzeitig und richtig diagnostiziert; viele Patienten, bei denen die modernen Testverfahren keine Erkrankung nachweisen können, aber auch entlastet und erleichtert. Prof. Zerr sagte: „Bei der Entwicklung der Therapien ist es noch ein langer Weg. Ich könnte mir vorstellen, dass von der Idee eines Medikaments bis zur tatsächlichen Umsetzung, dass es Standard wird, noch fünf bis zehn Jahre vergehen werden.“

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gilt als menschliche Variante des sogenannten „Rinderwahnsinns“ (BSE) und kommt beim Menschen sowohl als „sporadische“ Form (ohne eindeutige Verursachung), als erbliche, aber auch als durch Infektion erworbene Form vor. Entsprechend gelten Gewebe und Körperflüssigkeiten von erkrankten Lebewesen als potenziell infektiös. Im Gegensatz zur früheren Vermutung, es handele sich um eine schleichende Viruserkrankung („Slow virus“-Theorie), wird die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit jedoch durch die Ablagerung atypischer Eiweißbruchstücke – den sogenannten Prionen – verursacht. Diese führen zu einer schwammartigen Zerstörung des Hirngewebes. Die Krankheit ist sehr selten und eine Übertragung vom Tier auf den Menschen bislang nur in Einzelfälle nachgewiesen. Eine Therapie ist nicht bekannt, allenfalls kann eine symptomatische Behandlung der neuropsychiatrischen Begleitsymptome leichte Linderung bringen. Im Vergleich zu vielen anderen Demenzerkrankungen ist der Verlauf deutlich schneller und die meisten Betroffenen versterben innerhalb eines Jahres. Durch verbesserte hygienische Standards und schnellere Testung auf Prionen werden auch die Fälle, die durch Kontamination von Blut, Blutprodukten oder chirurgischen Instrumenten übertragen werden, immer seltener.

Die Asklepios Kliniken Schildautal in Seesen sind mit ihren etwa 500 Betten ein Zentrum für die konservative und operative Behandlung bei Erkrankungen des Nervensystems, der Muskulatur und der Blutgefäße.