Einbeck. Mehrere Funde aus der Zeit des Nationalsozialismus wurden jetzt in Einbeck vorgestellt.

Clara Plaut aus Hemmendorf wurde 1942 deportiert. In der Wohnung der jüdischen Frau blieben „ein Nussknacker, Sofakissen und ein Paket Bücher“ zurück – so hielt das die Polizei damals im Protokoll fest. Eines dieser Bücher kam über Umwege in das Museum Alfeld an der Leine. Dort entdeckte es in diesem Jahr ein Provenienzforscher. Was soll nun damit passieren?

Die Überprüfung der Herkunft von Objekten in südniedersächsischen Museen – Provenienzforschung genannt – führte in den vergangenen vier Jahren zu einer Reihe solcher Funde. 50 Fachleute befassten sich jetzt auf einer Tagung im Stadtmuseum Einbeck mit der Frage, wie mit solchen Erkenntnissen und Objekten umzugehen ist. Bei der Forschung, die vom Landschaftsverband Südniedersachsen koordiniert wird, geht es meist nicht um wertvolle Kunstwerke, sondern um alltägliche Dinge: Bücher aus jüdischen Familien, Fahnen von Arbeitervereinen oder Möbel von Freimaurerlogen, die die Nationalsozialisten beschlagnahmt hatten, kommen dabei ans Licht.

Unstrittig ist, dass solche Objekte den heute lebenden Nachkommen oder Berechtigten auszuhändigen sind, wenn diese ein Interesse daran haben. Häufig sind diese aber nicht mehr ausfindig zu machen oder sind ausdrücklich mit dem Verbleib im Museum einverstanden.

Die sieben eingeladenen Referenten aus Deutschland und der Schweiz kamen aber auf der Einbecker Tagung zu dem Schluss: Provenienzforschung ist mehr als die Frage nach Zurückgeben oder Behalten. Sie ist immer Erkenntnisgewinn und Chance für Überwindung von gesellschaftlichen Gräben. Sie kann die Museumsbesucher dazu anregen, in der eigenen Familiengeschichte und in ihrem Umfeld nach der Herkunft von Gegenständen zu fragen, Neugier auf das Naheliegende zu wecken.

Angela Jannelli vom Historischen Museum in Frankfurt am Main forscht beispielsweise gemeinsam mit Bürgern an den Museumsdingen. Sie arbeitet daran, Museen ein menschlicheres Antlitz zu geben und nicht als Herrscher des Wissens aufzutreten. Das fördere Empathiefähigkeit und letztlich die Demokratie.

Die Anerkennung der NS-Vergangenheit könne helfen, Wunden der Vergangenheit zu heilen, so Edward van Voolen, Rabbiner in Göttingen und Potsdam. Er arbeitet auch mit Flüchtlingen zusammen und sagt, dass das Wissen um die Vergangenheit die Einordnung aktueller Konflikte erleichtert.

Anja Gubelmann, Kunsthistorikerin aus Zürich, plädierte dafür, Provenienzforschung nicht auf Raubkunst zu reduzieren und warnt vor einer Selbstzerfleischung der Museen. Eine überhöhte Selbstanklage mit dem Ziel, als geläutert zu gelten, leiste letztlich einer Schlussstrich-Debatte Vorschub.

Im Museum Osterode geforscht

Geforscht wird noch bis 2021 in den städtischen Museen von Alfeld, Clausthal-Zellerfeld, Duderstadt, Einbeck, Hann. Münden, Northeim, Osterode, Seesen und Uslar. Diese möchten die Forschungsergebnisse gern nutzen, brauchen dafür aber mehr finanzielle und personelle Unterstützung, so deren Leiter bei der Abschlussdiskussion.

Finanziert wird die Provenienzforschung in Südniedersachsen weitgehend aus Mitteln des Bundes, der hierfür das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste eingerichtet hat.

Der Landschaftsverband Südniedersachsen richtete die Tagung gemeinsam mit dem „Netzwerk Provenienzforschung“ aus, einer Initiative des Landes Niedersachsen. Der Zwischenstand der Forschung und die Ergebnisse der Tagung werden zum Ende des Jahres online unter www.provenienzforschung-niedersachsen.de veröffentlicht.