Osterode. Mit Sexwitzen, Körperwitzen und Furzwitzen brachte der 71-jährige Komiker und altersmilde König der Zoten sein Publikum in Osterode zum Lachen.

Ende Januar wurde er mit dem Ehrenpreis der Stifter des Deutschen Fernsehpreises ausgezeichnet, und zwar dafür, dass er sein Publikum seit Jahrzehnten immer wieder überrasche und mitreißend unterhalte. „Jürgen von der Lippe gehört für mich zu den ganz Großen der deutschen Unterhaltung“, würdigte damals Tom Buhrow, WDR-Intendant und diesjähriger Vorsitzender der Stifterrunde, das Schaffen des Komikers: „Er ist einer der besten Entertainer, die wir haben.“ Sein Erfolgsgeheimnis seien „neben enormer Kreativität seine unnachahmliche Bühnenpräsenz und das extrem feine Gespür für den richtigen Ton.“

Am Mittwochabend besuchte der Ausgezeichnete die Osteroder Stadthalle und präsentierte sich seinem Ruf entsprechend als unumstrittener König der Zoten: Sein komisches Repertoire besteht – egal wie das aktuelle Programm gerade heißt – vor allem aus Sexwitzen, Körperwitzen, Furzwitzen. So etwas funktioniert todsicher, jedenfalls wenn man es mit der Autorität und „unnachahmlichen Bühnenpräsenz“ eines Jürgen von der Lippe vorträgt. Der hatte die Methode vor Jahren in einem Interview erläutert: „Der schmutzige Witz ist eine Selbstverständlichkeit – wenn Sie ihn denn schmutzig nennen wollen. Als Komiker ist man immer auf der Suche nach dem sogenannten Brüller, und den bekommen Sie eben nur mit tabuisierten Themen.“

Rudelsingen und Youtube-Filme

Buhrows Charakterisierung des Entertainers erwies sich auch im Fall des Osteroder Publikums in der ausverkauften Stadthalle als absolut zutreffend: Die Zuschauer ließen sich vom ersten Augenblick an mitreißen, lachten über jeden Kalauer lautstark, applaudierten begeistert für die Imitationen von Freddy Quinn oder Herbert Grönemeyer und sangen auch fleißig alle lustigen Liederchen mit, die Von der Lippe auf der Gitarre zum „Rudelsingen“ anstimmte – dabei durfte auch der Klassiker „Guten Morgen liebe Sorgen“ freilich nicht fehlen. Dazu gab es eine Multimedia-Sättigungsbeilage auf der großen Leinwand, wo Von der Lippe lustige Youtube-Filme, kuriose Bilder aus dem Internet und einige Fotos aus seiner eigenen Kindheit zeigte – nicht gerade eine kreative Höchstleistung, aber durchaus effektiv.

Sein Programm trägt den Titel „Voll Fett“, was sich sowohl selbstironisch auf seinen eigenen, mit dem obligatorischen Hawaii-Hemd dekorierten Körperbau beziehen mag, als auch auf kulinarische Vorlieben, die er dem Publikum beschrieb – nachts am Kühlschrank, in dem ein Schlittenhund wacht, den seine Frau dort postiert hat (eine Anspielung auf eines der gezeigten Fotos). Er selbst sei mit seinen 71 Jahren inzwischen „Altersmilde und gütig“ geworden, bekannte er zu Beginn. Das hänge auch mit dem veränderten Hormonhaushalt des alternden Mannes zusammen: Testosteron, das „Kämpferbenzin“, nehme ab und Östrogen gewinne die Oberhand, mache die Männer milde. „Bei Frauen verläuft der Vorgang umgekehrt.“ Über das aus Sicht des Senioren verblüffende Thema Jugendsprache referierend, ordnete er sich selbst in die Kategorie „Grabesverweigerer mit Blutgruppe Nutella“ ein und bezeichnete sich als „Bratwurstfriedhof“.

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© HK | Martin Baumgartner

Seinen männlichen Zuschauern stellte er unvermittelt eine gemeine Fangfrage: Wer von den anwesenden Herren denn gerade verliebt sei? Vermutlich aus Furcht, als romantischer Trottel in einem Sketch auf der Bühne Opfer des Komikers zu werden, traute sich zunächst niemand, den Arm zu heben. Der Entertainer warnte die Männer: „Ich glaube, dass Sie auf dem Heimweg in ein äußerst unangenehmes Gespräch verwickelt werden. Ich gebe Ihnen noch eine Chance.“ Mit dieser Umfrage leitete Von der Lippe über auf das Thema Paarbeziehungen und auf die Limerenz-Phase des verliebten Mannes, der dann vorübergehend unzurechnungsfähig sei, bevor ihn dann in der Konsolidierungsphase das Schnarchen seiner Partnerin doch zu stören beginne.

Das weibliche Deflatieren

Sodann befragte er erneut das Publikum: „Wie oft furzt ein durchschnittlicher Mensch am Tag? Gehen Sie einfach von sich selbst aus.“ Für Männer sei der lautstarke Morgenfurz eine Art Gruß an die Partnerin, während Frauen häufig bei gänzlich unangebrachten Anlässen wie etwa Papstaudienzen „deflatieren“ würden – „Wunderschönes Wort, schreiben Sie es sich auf!“ – und zwar „leise, aber brandgefährlich“, um dann von ihren Partnern zu erwarten, dafür geradezustehen.

Weitere Themen, die Von der Lipper humoristisch abhandelte, waren unter anderem Germany’s Next Topmodel, Monogamie, Alkoholkonsum sowie Krankheiten und körperliche Gebrechen, insbesondere Hämorrhoiden.

Das alles war nicht anspruchsvoll, entsprach aber ohne Zweifel den Erwartungen des Publikums, denn das klatschte den Komiker zu zwei Zugaben hinter dem Vorhang hervor. Jürgen von der Lippe hat in dem eingangs zitierten Interview selbst festgelegt: Ein Comedian muss sich an den Reaktionen messen lassen, die er hervorruft. Demnach war es ein erfolgreicher Abend in Osterode.